Wir sagen immer offen unsere Meinung

Das Eichsfeld ist eine Hochburg der CDU, doch auch hier arbeiten LINKE daran, die schwarze Traurigkeit zu beenden.

Das Eichsfeld im Nordwesten Thüringens ist eine landschaftlich äußerst reizvolle Gegend. Politisch jedoch kennt man es eher als Heimat des früheren Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus und als schwarze Hochburg mit einer katholischen Bevölkerungsmehrheit. Gibt es da überhaupt Menschen, die links denken und handeln? Ja, die gibt es, auch wenn das Eichsfeld nicht mit LINKEN Hochburgen, wie Erfurt, Suhl oder Gera zu vergleichen ist. Seit knapp zwei Jahren heißt die Kreisvorsitzende Sigrid Hupach.


Aufgewachsen in einem – wie sollte es im Eichsfeld auch anders sein – katholischen Elternhaus, wurde sie noch in der DDR politisiert. Die Mutter eine Kindererzieherin, der Vater ein KFZ-Meister gehörten nicht zu den Parteikadern, an Politik interessiert war die Familie aber sehr wohl und so begann sich auch Sigrid Hupach schon früh, mit Politik zu beschäftigen. Die Mitarbeit in der FDJ war obligatorisch, in der Partei war die heute 43-jährige damals aber nicht. Auf die Wendezeit schaut sie mit unterschiedlichen Gefühlen zurück. „Da wir im grenznahen Bereich wohnten, haben wir uns am Abend des 9. November noch ins Auto gesetzt und sind nach Duderstadt gefahren. Dort waren alle Kneipen offen und wir verbrachten einen sehr interessanten Abend.“ Einerseits empfand sie das Ende als Befreiung, vor allem wegen der nun möglichen Reisefreiheit. Anderseits wurde auch ihr sehr schnell klar, dass das geeinte Deutschland kein Schlaraffenland sein würde – vor allem wegen der Arbeitslosigkeit. „Ich hätte mir auch gewünscht, dass man einen wirklichen, gemeinsamen deutschen Staat aufbaut, mit einer neuen Verfassung und der Nutzung der Erfahrungen aus beiden Teilen. Aber man konnte schon recht schnell erkennen, dass das nur ein Traum bleiben würde.“ Diese Hoffnungen und die bösen Vorahnungen teilen sicher viele Menschen in den so genannten neuen Bundesländern, doch nur wenige konnten sich schon in den ersten Jahren nach der Wende durchringen, auch ernsthaft politisch aktiv zu werden.


Natürlich verfolgte Sigrid Hupach als Wählerin und Sympathisantin den Werdegang der PDS nach der Wende aufmerksam. Zum Parteibeitritt kam es aber erst im Zuge der Vereinigung von WASG und PDS zur LINKEN 2007. „Ich hab mit meinen drei Kindern und dem Architekturstudium so viel zu tun gehabt, dass ich die aktive Arbeit in der Politik immer nach hinten schieben musste.“ Bevor sie nach der Wende studierte, hatte sie eine Ausbildung als Bürokauffrau absolviert. Das Ende der DDR machte die Neuorientierung möglich und durch die Auflösung der HO, bei der sie eine Stelle hatte, wurde sie sogar nötig. „Bereut habe ich das nie, auch wenn in der Wahl des Studienfaches etwas Pech hatte, weil es in der Baubranche seit Jahren nicht mehr so gut aussieht und ich durch die Familie auch nicht die Möglichkeit hatte, weiter wegzugehen.“ Zwischendurch arbeite die 43-jährige auch als Lehrerin an einer berufsbildenden Schule in Göttingen. Doch dann kam der Tag, an dem sie sich sagte: „Jetzt machst du doch wieder auf eigene Faust was, gerade weil eine Frau so wenig Unterstützung beim Wiedereinstieg neben oder nach der Kindererziehung in das Berufsleben erhält.“ Seitdem ist Sigrid Hupach freiberuflich tätig. Zum einen im Architekturbereich, zum anderen als Mediengestalterin und neuerdings auch als Familienhelferin auf Honorarbasis bei der AWO.


Wer in einem katholischen Elternhaus aufwächst, erlebt natürlich auch eine katholische Erziehung. Mittlerweile geht Sigrid Hupach aber auf Distanz zu Religion und Kirche. „Mir war es als Kind schon manchmal zu viel und als ich in die Pubertät kam, habe ich, was das Thema angeht, auch erstmal zugemacht und versucht, meinen eigenen Weg zu finden. Heute gehe ich nicht mehr in die Kirche und denke, man sollte in seinem „irdischen“ Leben machen, was möglich ist und sich nicht ständig über das Jenseits den Kopf zerbrechen, sondern in der Gegenwart im Hier und Jetzt leben.“ Den Papstbesuch betrachtet sie mit eher geringem Interesse und wird auch selber nicht teilnehmen, aber touristisch gesehen ist es aus ihrer Sicht ein Gewinn für das Eichsfeld, weil auch einiges in der Infrastruktur gemacht wurde und die Region so um einiges bekannter werden wird. Dementsprechend waren, anders als in Erfurt, auch keine Gegenveranstaltungen geplant, was nach Meinung Sigrid Hupachs im Eichsfeld auch „nicht so ganz klug gewesen wäre“.


So katholisch wie das Eichsfeld ist, so schwarz und konservativ orientiert ist es auch. Die CDU verfügt im Kreistag über eine absolute Mehrheit, was heutzutage, da selbst die CSU in Bayern koalieren muss, eine Seltenheit ist. „Deswegen machen wir uns aber nicht kleiner als wir sind. Natürlich wird bei den Mehrheitsverhältnissen keiner unserer Anträge angenommen, aber wir sagen immer offen unsere Meinung und das braucht man auch in einer Demokratie.“ Im Stadtrat von Heiligenstadt, der Kreisstadt des Eichsfeldes, hat die CDU seit dieser Legislaturperiode nicht mehr die absolute Mehrheit – vielleicht beginnt dort ja der Anfang vom Ende der schwarzen Traurigkeit im Nordwesten des Freistaates, zumal mit dem früheren Landtagsabgeordneten Werner Buse ein erfahrener Mann die Zügel in der Hand hält. Dennoch gibt es auch eine Reihe von Problemen, vor allem in der Nachwuchsgewinnung, weiß auch Sigrid Hupach. Zwar gebe es durchaus junge Leute, die sich politisch engagieren wollen, die seien aber nicht vor Ort, weil sie weit weg studieren oder arbeiten und so können sie sich wenig einbringen.


Die Schmutz- und Hasskampagnen gegen DIE LINKE, in Sachen Kommunismusdebatte, angeblichem Antisemitismus oder dem Glückwunschtelegramm an Fidel Castro sieht man im Eichsfeld eher gelassen, auch wenn sich einige Genossen sehr darüber geärgert haben, sagt Sigrid Hupach. Sie selbst fragt sich allerdings, warum man in der Kommunismusdebatte nicht die Flucht nach vorn gewagt hat, um diese Diskussion stärker in die Gesellschaft hinein zu tragen. „Es gibt so viele Umfragen, aus denen hervorgeht, dass sich sehr viele Menschen in Deutschland ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem wünschen, so etwas hätte man doch aufgreifen können. Aber solche Dinge gibt es nun mal in der Politik und man sollte das nicht überbewerten und gleich den Untergang der Partei heraufbeschwören“. Viel wichtiger ist aus Sigrid Hupachs Sicht die Programmdebatte bis zum Bundesparteitag in Erfurt. „Ich hätte mir gewünscht, dass das Programm etwas kürzer wird, damit auch der einfache Bürger es zur Hand nimmt. Prof. Klaus Dörre hat es ja mehrfach gesagt, man kann nicht alle Fragen in so einem Programm endgültig beantworten. Wir sind eine pluralistische Partei und da können die Meinungen schon mal sehr weit auseinander gehen, aber ich denke, dass in den wichtigsten Punkten durchaus Einigkeit vorhanden ist.“ 


Für die Neuwahl des Kreisvorstandes im Dezember möchte Sigrid Hupach wieder antreten und blickt positiv auf die vergangenen zwei Jahre zurück. Zur Presse hat man ein gutes Verhältnis aufgebaut und die meisten Meldungen werden auch tatsächlich gedruckt, was nicht unbedingt in allen Kreisen der Fall ist. Als sehr hilfreich hat sich auch das Bürgerbüro der Landtagsfraktion mit Maria Funke erwiesen. Das größte Problem ist aber nach wie vor der Mitgliederrückgang. „Da bin ich etwas unglücklich, dass wir keine größeren Erfolge erzielen konnten, gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass auch hier wieder bessere Zeiten kommen. „In Zukunft möchte Sigrid Hupach vor allem noch stärker auf kulturelle Veranstaltungen setzen, um die Bürgerinnen und Bürger direkt ansprechen zu können. „Die Arbeit in den Kreisverbänden wird aber eher noch schwieriger werden in den nächsten Jahren. Deswegen treffen wir uns auch regelmäßig mit den anderen Nordkreisen, Kyffhäuser, Unstrut-Hainich, Nordhausen und Sömmerda. Das muss sicher noch intensiviert werden und vielleicht könnte das vom Landesvorstand noch mehr gesteuert werden. Beratungen in Erfurt oder in Elgersburg sind für uns aus der Nordregion oft nur sehr schwer wahrzunehmen. Da würde ich mir wünschen, häufiger auf Telefonkonferenzen zu setzen, wie wir es in Ansätzen schon hatten.“ Für die Zukunft wünscht sich Sigrid Hupach auch eine bessere Pflege der Internetseite, aber bis jetzt gibt es noch keinen Internetredakteur, der auch auf die so genannten Web-2.0-Angebote setzen könnte. Durch die angedachte Option, die Kreisseiten zentral zu steuern, könnten aber hier bald neue Möglichkeiten entstehen.


Thomas Holzmann