Vor 55 Jahren: Das KPD-Verbot in der BRD – Grabgesang für die bürgerliche Demokratie

Auch wenn die KPD einst gegen die Verfassung stimmte, so war klar, dass sie die Partei sein würde, die viele der im Grundgesetz festgelegten Rechte verteidigen würde, doch das verbot verhinderte das.

 

Marktschreierisch aufgemachte Schlagzeilen wie „Polizeiaktion gegen die KPD im gesamten Bundesgebiet“ waren freilich nicht erst am 17. August 1956 oder den Tagen, Wochen und Monaten danach in der bürgerlichen Presse der BRD zu lesen gewesen: Bereits am 19. September 1950 hatte die Bundesregierung für FDJ-, KPD- und VVN-Mitglieder ein Beschäftigungsverbot im öffentlichen Dienst und damit ein Berufsverbot erlassen, das nicht nur als „Adenauer-Erlass“ unrühmlich in die Geschichte der BRD einging, sondern mit dem unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) verfügten sogenannten „Radikalenerlass“ von 1972 seine nahtlose Fortsetzung fand. Das war allerdings nur die eine Seite, denn die systemtragenden Parteien hatten längst auch mit der politischen Diffamierung der Partei begonnen, galt sie ihnen doch als gefährlicher Gegner bei der für den Kalten Krieg um das „roll back“ dessen, was dort unter Kommunismus verstanden wurde, benötigten Restauration der alten Machtverhältnisse. Seit sie mit Hugo Paul (1905 – 1962) und Max Reimann (1898 – 1977) in den Parlamentarischen Rat eingezogen war, wo sie ihre Stimme gegen dessen Aktivitäten zur Abspaltung der westlichen Besatzungszonen erhob, war sie den antikommunistischen Eliten wie auch den westlichen Besatzungsmächten ein Dorn im Auge. Der Einzug in den ersten Bundestag der BRD (1949 – 1953) mit 15 Abgeordneten konnte angesichts einer Zahl von 1.361.706 Wählerinnen und Wählern (5,7 %) nicht verhindert werden. So wurde von den übrigen Fraktionen einschließlich der von Kurt Schumacher geführten SPD alles getan, um die KPD im Parlament zu isolieren: Nicht nur, dass sie in einer von blindwütigem Antikommunismus geprägten Atmosphäre als der „Sowjetunion hörig“ diffamiert wurde, ausgerechnet der Partei, die von den Nazis als erste verboten worden war und die die meisten Opfer im Kampf gegen den Faschismus hatte erbringen müssen, wurde eine Mitschuld am Untergang der Weimarer Republik unterstellt. Zu einer derartigen Unverfrorenheit und Ungeheuerlichkeit waren sich Parlamentarier nicht zu schade, die oftmals bis 1933 Mitglieder von Parteien gewesen waren, die für Hitlers Ermächtigungsgesetz und für sein außenpolitisches Programm gestimmt hatten. Das letztere war auch mit den Stimmen der SPD-Fraktion abgesegnet worden! Dass sie sich der Verabschiedung des Grundgesetzes verweigert hatte, da dieses die deutsche Spaltung verfassungsrechtlich besiegelte, wurde ihr als Verfassungsfeindlichkeit ausgelegt. Völlig unbeachtet blieben dabei die Worte Max Reimanns, wonach die KPD eines Tages die Partei werde sein müssen, die dieses Grundgesetz gegen den Abbau sozialer und demokratischer Rechte zu verteidigen habe: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“ Das gleiche betraf Heinz Renner (1894 – 1962), der sich der Separatverfassung mit den Worten „Ich unterschreibe nicht die Spaltung Deutschlands.“ verweigert hatte. Außer Acht blieb bei der Unterstellung einer Verfassungsfeindlichkeit selbstverständlich die Tatsache, dass das CSU-regierte Bayern das Grundgesetz am 20. Mai 1949 ebenfalls abgelehnt hatte, wenn auch aus völlig anderen Gründen.

Die KPD galt der Regierung Adenauer als größte Gefahr, trat sie doch für die Überwindung der Spaltung durch Gespräche mit der DDR zur Schaffung eines neutralen, entmilitarisierten gemeinsamen Staates ein (der übrigens immer noch ein bürgerlicher gewesen wäre), was deren Pläne zu Remilitarisierung und Westintegration natürlich erheblich störte. Mit ihrer entschiedenen Beteiligung an den machtvollen Aktionen gegen Remilitarisierung und Wiederaufrüstung erreichte sie angesichts der durch die Katastrophe von 1945 weitverbreiteten antimilitaristischen Stimmung einen Zuspruch, der ihr Wählerpotential um ein Mehrfaches übertraf. So hatte sie vor dem Verbot der Volksbefragung gegen Remilitarisierung und Wiederaufrüstung bereits neun Millionen Nein-Stimmen sammeln können. Da die Regierenden ähnlich wie heute dem politisch nicht beizukommen vermochten, setzten sie das erprobte Mittel „Zuckerbrot und Peitsche“ ein: Eine beispiellose „Wirtschaftswunder“-Propaganda mit den eingängigen Ehrhardschen Losungen von der „sozialen Marktwirtschaft“ und vom „Wohlstand für alle!“ ließ die Wählerzahl angesichts einer deutlichen Besserung der sozialen Lage breiter Bevölkerungskreise erheblich zurückgehen. Dass der wirtschaftliche Aufschwung eine zwangsläufige Folge des nach den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre geradezu riesigen Bedarfs an Investitions- und Konsumgütern sowie Dienstleistungen war und mittels US-amerikanischem Marshall-Plan finanziert dem Ausbau der BRD zum „Schaufenster der freien westlichen Welt“ als Waffe im „Kampf gegen den Kommunismus“ diente, wurde tunlichst verschwiegen. Ebenso verschwiegen wurde die Tatsache, dass die „soziale Marktwirtschaft“ nicht mehr als ein durch die Existenz der DDR erzwungenes Zugeständnis war, zumal der als ihr „Schöpfer“ und „Vater“ gefeierte Ludwig Ehrhard (1897 – 1977) die politische Bühne als entschiedener Vertreter eines Marktradikalismus betreten hatte: Mit der separaten Währungsreform von 1948 hatte er trotz der sogar von Konrad Adenauer geäußerten Bedenken eine sofortige Freigabe der Preise durchgesetzt. Der dadurch ausgelöste machtvolle Proteststurm, dessen Höhepunkt der von den Gewerkschaften ausgerufene bislang einzige Generalstreik in der Geschichte und Vorgeschichte der BRD war, wurde durch die Besatzungstruppen mittels Einsatz von Panzern unterdrückt, die maßlosen Preiserhöhungen mussten schließlich zurückgenommen, zumindest aber abgemildert werden. Nun sollte der eigenen wie der Bevölkerung der DDR durch die Propaganda von der „sozialen Marktwirtschaft“ weisgemacht werden, dass es doch mit den die Katastrophen von 1918 und 1945 verschuldet habenden großbürgerlichen Eliten den Menschen „viel besser“ ginge als mit den „Roten“ und ihrer sozialen Revolution. Raffiniert wurde der Blick für die Tatsache vernebelt, dass bei allen Verhandlungen zwischen Regierenden und Unternehmerverbänden auf der einen und den Gewerkschaften auf der anderen Seite in Wahrheit die DDR stets unsichtbar mit am Tisch saß. Dazu kamen neben einer von beispielloser antikommunistischer Hysterie geprägten Atmosphäre einschneidende gesetzliche Maßnahmen: Mit dem im Sommer 1951 in nur zwei Tagen durchgepeitschten Ersten Strafrechtsänderungsgesetz wurden sage und schreibe 37 neue Straftatbestände festgelegt, so Hochverrat, Landesverrat und Geheimbündelei, wofür empfindliche Strafen drohten. Die natürlicherweise engen Verbindungen der KPD zu DDR und SED wurden nun kraft dieses restriktiven Gesetzes und der geltenden Hallstein-Doktrin einfach als „Hochverrat“ ausgelegt. Wer, gleich, ob KPD-Mitglied oder nicht, Kontakte in die DDR unterhielt, gar zu Gesprächen dorthin reiste, riskierte den Verlust der Arbeitsstelle, Verhaftung und Verurteilung, zudem Geldstrafen wegen „unerlaubten Grenzübertritts“. Der wie die SPD stramm antikommunistisch ausgerichtete DGB warf Tausende KPD-Mitglieder aus den Gewerkschaften. Besonders unrühmlich tat sich hier der Zweite Vorsitzende der IG Bau-Steine-Erden, Georg Leber (geb. 1920), als Bundesverteidigungsminister (1972 – 1978) von den Militärs nicht ohne Grund als der „bislang beste“ sehr geschätzt, hervor, der kommunistische Mitglieder von der Polizei gleich aus den Gewerkschaftshäusern abholen und verhaften ließ. Die Bundestags-Abgeordneten Heinz Renner, Oskar Müller (1894 – 1970), Walter Vesper (1897 – 1978) und Friedrich Rische (1914 – 2007) wurden am 15. Juni 1950 unter dem Vorwand „unparlamentarischen Verhaltens“ für 20 Sitzungstage aus dem Parlament ausgeschlossen, um sie mundtot zu machen, Max Reimann hatte bereits zwei Tage zuvor das gleiche Verdikt getroffen. Das war allerdings nicht der erste und auch nicht der letzte Fall, in dem eine solch undemokratische Maßnahme verhängt wurde: So war Heinz Renner der erste Abgeordnete, dem das Wort entzogen und er somit schon in der Bundestagssitzung vom 30. September 1949 am Reden gehindert worden war. Am 14. Mai 1952 wurde er ein zweites Mal für 20 Sitzungstage ausgeschlossen, während Walter Fisch (1910 – 1966) 1950 gar für 30 Sitzungstage und Friedrich Rische 1953 für 3 Sitzungstage das Verdikt der Verbannung aus dem Bundestag traf. Damit einher gingen rechtswidrige Durchsuchungen von Parteibüros sowie Haussuchungen und Verhaftungen, um zwar nicht vorhandene, aber dringend benötigte „Beweise“ zu finden, nachdem sich die Regierung Adenauer nicht mehr anders zu helfen gewusst hatte, als am 23. November 1951 beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf „Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD“ einzureichen. Des weiteren wurde im Januar 1952 eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages durchgepeitscht, wonach den Abgeordneten der KPD der Fraktionsstatus entzogen und ihr damit das Recht auf Anfragen und Anträge genommen wurde. Ein diesen undemokratischen und von antikommunistischer Hysterie geprägten Maßnahmen geschuldeter, sich jedoch als politisch falsch erweisender Aufruf zum „revolutionären Sturz des Adenauer-Regimes“ diente nun als Vorwand zur weiteren Verschärfung der Repressionspolitik gegen die Partei. Dass sie diesen Aufruf im April 1956 wieder zurücknahm, spielte für die Regierenden keinerlei Rolle, ihnen heiligte der Zweck, die KPD auf Biegen und Brechen aus dem politischen Leben der BRD ein für allemal zu entfernen, jedes Mittel. Nicht einmal der durch diese antikommunistische Hetzjagd erreichte Rückgang der Wählerstimmen auf 607.860 (2,2 %), womit 1954 der Wiedereinzug in den Bundestag an der inzwischen hinsichtlich des Geltungsbereiches auch noch verschärften Fünf-Prozent-Hürde ebenso scheiterte wie der in die meisten Landtage, war für die Regierung in Bonn eine Beruhigungspille. Immerhin hatte die Partei noch an die 85.000 Mitglieder und da nicht sein konnte, was nicht sein durfte, wurde schließlich für den 23. November 1954 der Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts durchgedrückt. Zuvor schon war gegen den antifaschistischen Widerstandskämpfer und Ersten Sekretär der KPD-Landesleitung Nordrhein-Westfalen, Josef Ledwohn (1907 – 2003), wegen des als „Vorbereitung zum Hochverrat“ diffamierten „Programms zur Nationalen Wiedervereinigung“ ein Urteil über drei Jahre und sechs Monate Gefängnis sowie die Aberkennung der Grundrechte auf vier Jahre gefällt worden, ein Urteil, dem eine Pilotfunktion im Verbotsprozess gegen die Partei zukam. Ebenfalls angeklagt und verurteilt wurden in diesem Prozess Walter Fisch, Friedrich Rische, Richard Scheringer (1904 – 1986), Karl Zemke und Christel Zellner. Die KPD bestellte Friedrich Rische, Heinz Renner und Walter Fisch am 13. Dezember 1951 sowie Josef Ledwohn am 17. November 1954 zu ihren Bevollmächtigten im Verbotsprozess.

Dass dem Bundesverfassungsgericht die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Verbotsverfahrens und dessen Demokratiefeindlichkeit sehr genau bewusst war, zeigt nichts so sehr wie die Tatsache, dass sich der Prozess über fünf Jahre dahinschleppte. Ein weiteres Indiz dafür ist die strikte Gegnerschaft seines ersten Präsidenten Hermann Höpker-Aschoff (1883 – 1954, FDP) zu einem Verbot der KPD. Sein Tod gab der Regierung Adenauer die Möglichkeit, den rechtskonservativen Josef Wintrich (1891 – 1958, CSU) in dieses Amt zu bringen, der sich eigens für das weitere Vorantreiben des Verbotsverfahrens die persönliche Rückendeckung des Bundeskanzlers eingeholt hatte. Sehr wohl war ihm bei diesem heißen Eisen dennoch nicht, weshalb sich der Katholik beim an der Universität Salzburg als Philosophiedozent tätigen Jesuiten Gustav Wetter (1911 – 1991) extra das ideologische Rüstzeug und damit die Absolution für derartige politische Gesinnungsjustiz holte. Das war freilich nur die subjektive und gar nicht mal so ausschlaggebende Seite, von entscheidender Bedeutung war vielmehr, dass die Regierung Adenauer massiv in das Verfahren eingriff, um das gewollte Verbotsurteil zu erreichen: Per Änderung der Grundordnung des Gerichts wurde für den Fall der ergebnislosen Beendigung des mündlichen Verfahrens dessen Übergang auf den Zweiten Senat nach einer sechswöchigen Frist verfügt. Viele Kritiker sahen und sehen darin nicht nur eine indirekte Druckausübung und Beeinflussung, hier wurden ebenso die engen Grenzen von vielbeschworener „Unabhängigkeit der Justiz“ und „Rechtsstaatlichkeit“ deutlich. Wie sehr sich das Gericht wand, um mit wortreichen Formulierungen, inhaltlichen Verdrehungen und unzulässigen Gleichsetzungen den Vorgaben der Politik gerecht zu werden, zeigen viele Abschnitte der Urteilsbegründung. Die Politik der KPD wurde so gedeutet: „In eine Formel zusammengefaßt würde also die aus der Lehre des Marxismus-Leninismus zu erschließende gesellschaftliche Entwicklung sein: Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung auf dem Wege über die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats.“ Wer sich mit dem Grundgesetz auch nur oberflächlich befasst hat, wird darin keinen den Kapitalismus als Gesellschaftsordnung festschreibenden Artikel finden. Der Begriff „proletarische Revolution“ wurde mit einem ausschließlich bewaffneten Umsturz gleichgesetzt und dass unter „Diktatur des Proletariats“ nichts anderes als die politische Herrschaft der Arbeiterklasse zu verstehen ist, bewusst in Abrede gestellt. Selbstverständlich verschloss das Gericht die Augen davor, dass alle starken Worte über „Diktatur“ und „Totalitarismus“ dann vergessen waren, wenn es sich um nun wirklich blutige, aber stramm antikommunistische Diktaturen handelte, zu denen die BRD bekanntlich schon damals gute politische und noch bessere wirtschaftliche Beziehungen unterhielt, zu denen sich nach Gründung der Bundeswehr auch noch eine enge militärische Zusammenarbeit gesellen sollte. Vollends auf den Kopf gestellt wurden die Verhältnisse mit jenem Satz, der angeblich die Diktatur des Proletariats kennzeichnete: „Damit tritt an die Stelle der Gleichheit aller Staatsbürger die Scheidung in „führende“, d. h. herrschende, mittels eines „Bündnisses“ „geführte“, d. h. beherrschte, und „unterdrückte“ Klassen und die Förderung oder Unterdrückung des Individuums je nach seiner Klassenzugehörigkeit oder allenfalls nach dem Maße seiner Nützlichkeit für das allgemeine gesellschaftliche Ziel. Grundrechte im Sinne der freiheitlichen Demokratie können hier dem Einzelnen als solchem nicht zustehen.“ Genau diese Scheidung trifft aber gerade auf die kapitalistische Gesellschaft zu, denn zwischen den herrschenden Eignern der großen Industrie-, Finanz- und Agrarkapitalien sowie ihren Spitzenmanagern und Politikern auf der einen und den lohnabhängig Beschäftigten und Arbeitslosen, aber auch Bauern, Handwerkern und Gewerbetreibenden sowie kleinen und sogar mittleren Unternehmern auf der anderen Seite gibt es weder soziale Gleichheit noch Gerechtigkeit und schon gar keine Gleichberechtigung. Ebenso wenig waren die als nähere Erläuterung zu jener Aussage dienenden weiteren Ausführungen geeignet, eine Verfassungsfeindlichkeit der KPD zu beweisen: „So müssen notwendig gerade die wichtigsten politischen Grundrechte, insbesondere das Recht zu freier Meinungsbildung und Meinungsäußerung, auch im politischen Bereich, ihren Wert verlieren. Die Presse- und Vereinigungsfreiheit ist ohnehin durch die eindeutige Vorrangstellung der kommunistischen Partei und ihrer Hilfsorganisationen praktisch erheblich eingeschränkt.“ Welchen Wert dem Recht auf freie Meinungsbildung und Meinungsäußerung staatlicherseits zugemessen wird, zeigt nicht nur die damalige Willkür gegen jeden, der sich der Politik der Regierung Adenauer widersetzte, das zeigen ebenso die Berufsverbotspraxis von 1972, das polizeiliche Vorgehen gegen die Proteste zum G-8-Gipfel in Heiligendamm und „Stuttgart 21“. Zum Thema Pressefreiheit sagte mit dem bekannten und angesehenen Publizisten und Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Paul Sethe ein ausgewiesener Fachmann: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Das Argument der Vereinigungsfreiheit wurde zudem durch das Gericht in so grotesker wie absurder Weise entwertet, indem nach Verkündung des Parteiverbots kurzerhand sämtliche gesellschaftlichen Organisationen der DDR und damit eines anderen Völkerrechtssubjekts zu „Ersatzorganisationen der verbotenen KPD“ erklärt wurden, der DTSB zum Beispiel am 14. März 1961. Damit konnten Bürgerinnen und Bürger der DDR bei der Einreise in die BRD im Extremfalle sogar dann verhaftet werden, wenn sie lediglich Mitglieder der Konsumgenossenschaften, der Volkssolidarität oder des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter waren. Auch der Verweis der Partei auf die ihre demokratische Legitimierung bestätigende Zulassung durch die Besatzungsmächte im Jahre 1945 wurde mit der so absurden wie die politischen Verhältnisse entlarvenden Begründung, diese hätten ausschließlich nach antifaschistischen Grundsätzen, jedoch nicht nach denen der da noch gar nicht entwickelt gewesenen „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ geurteilt, kurzerhand vom Tisch gewischt. Selbstverständlich blieb auch die im Zuge des XX. Parteitages der KPdSU erfolgte Änderung der Parteipolitik unberücksichtigt. So konnten die Regierenden nach fünf Jahren zähen Ringens und trotz weltweiter Proteste aufatmen, als der Vorsitzende des Ersten Senats an jenem unheilvollen 17. August 1956 nicht nur das Verbot der KPD verkündete, sondern mit diesem ebenso die Gründung von Nachfolge- oder Ersatzorganisationen unter Androhung einer Mindeststrafe von sechs Monaten bei Zuwiderhandlung untersagte und das gesamte Parteivermögen einziehen ließ, letzteres angeblich für „gemeinnützige Zwecke“. Auf die Einziehung der Landtagsmandate wurde „großzügig“ verzichtet, denn da das die meisten Bundesländer schon „erledigt“ hatten, erübrigte sich eine solche Verfügung ohnehin.

Nach 1919, 1923 und 1933 war die KPD damit ein viertes Mal verboten worden und noch am gleichen Tage begann die großangelegte polizeiliche Hetzjagd – Parteibüros wurden besetzt, Druckereien geschlossen und 33 Funktionäre verhaftet. Das gesamte Parteivermögen – Immobilien, Druckereien und 17 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 150.000 Exemplaren - wurde zugunsten des Staates eingezogen. Zwischen 1956 und 1968 wurden nach Schätzungen des Rechtswissenschaftlers Alexander von Brünneck mindestens 125.000 Ermittlungsverfahren „wegen Betätigung für die verbotene KPD“ eingeleitet, andere Forschungsergebnisse liegen für die Jahre 1951 bis 1968 gar bei 150.000 bis 200.000 Ermittlungsverfahren! Bei einer ebenfalls geschätzten Zahl von in der Illegalität noch wirkenden 6.000 bis 8.000 Mitgliedern übertrafen Anzahl und Umfang dieser für die Betroffenen schwerwiegende Folgen habenden Verfahren den während der Zeit der Legalität erreichten Mitgliederbestand um ein Vielfaches! In diesem Klima der hysterischen Kommunistenverfolgung konnte bereits der bloße Verdacht auf einen Verstoß gegen das Parteiverbot zum sofortigen Arbeitsplatzverlust führen. Selbst bei einer Einstellung des Verfahrens bestand für die Betroffenen keine Aussicht auf Rücknahme der Kündigung, zudem reichte schon eine politische Betätigung am Arbeitsplatz zur Entlassung. Bei Neueinstellungen in Unternehmen trat der Verfassungsschutz mit einer Art schwarzer Liste auf den Plan, was in aller Regel zur Ablehnung von Bewerbern mit kommunistischer Vergangenheit führte. So wurden Tausende von Existenzen vernichtet, Familien zerstört, Menschen in die Verzweiflung getrieben – alles im Namen von „Freiheit und Demokratie“, in Wirklichkeit aber im Interesse von Remilitarisierung, Großunternehmertum und einer Politik, die im Rahmen des „roll back“ des Kommunismus darauf gerichtet war, die DDR „zum Verschwinden zu bringen“ und das 1945 untergegangene Deutsche Reich (vorerst) in den Grenzen von 1937 wiederherzustellen. Im Zuge des KPD-Verbots wurden zwischen 7.000 und 10.000 Personen rechtskräftig verurteilt, wobei die Prozesse häufig von durch ihre Tätigkeit im „Dritten Reich“ schwer belasteten Staatsanwälten und Richtern geführt wurden, womit viele Kommunisten, vor allem einst in Zuchthäusern und KZ eingesperrt gewesene Häftlinge, ein zweites Mal von ihren früheren Peinigern, nun eben ganz „freiheitlich-demokratisch“ und „rechtsstaatlich“, angeklagt und verurteilt sowie Rentenansprüche und Entschädigungen gestrichen oder verwehrt wurden. Mitglieder und Funktionäre, denen es gelungen war, der polizeilichen Hetzjagd zu entkommen, emigrierten zumeist in die DDR. Auf Länderebene wurden allein bis 1958 insgesamt 80 Organisationen als „von der KPD gelenkt“ oder gar „von der KPD geführt“ verboten. Nach Schätzungen beläuft sich die Zahl der als „Ersatzorganisationen“ oder „Tarnorganisationen“ verbotenen Vereinigungen auf 200. Selbstverständlich wurde auch die Kommunistische Partei Saar nach dem Beitritt des Saarlandes am 9. April 1957 dem Urteilsspruch vom 17. August 1956 unterworfen. Mit ihr traf es ausgerechnet die Partei, die sich in den Jahren zuvor am entschiedensten gegen einen Anschluss des Landes an Frankreich gewandt hatte. Recht unterschiedlich, ja, zum Teil grotesk war die Handhabung des Verbotsurteils in einzelnen Bundesländern sowie im kommunalen Bereich: Während die zwei KPD-Abgeordneten des niedersächsischen Landtages den Status von Fraktionslosen erhielten und so ihre Mandate behalten durften, strich die Bremer Bürgerschaft kurzerhand die Sitze der vier kommunistischen Abgeordneten. Der saarländische Landtag scheiterte 1959 mit dem Versuch, die beiden Mandate zu entziehen, am Verfassungsgerichtshof. In Bayern und Nordrhein-Westfalen wurden sämtliche kommunalen Mandate aberkannt, in anderen Bundesländern dagegen konnten in der Illegalität wirkende Mitglieder als Einzelpersonen kandidieren und auch gewählt werden. Auf diesem Wege gelang es in einigen Fällen auch, für die Funktion des Bürgermeisters nicht nur zu kandidieren, sondern die jeweilige Wahl auch zu gewinnen, so in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Pfeffelbach. Oft genug aber wurde die Kandidatur von Mitgliedern der illegalen KPD sowie entsprechender Wählergemeinschaften untersagt, was Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wegen „Verstoßes gegen das KPD-Verbot“ zur Folge hatte. Davon betroffen waren auch Personen, denen weder für die Zeit vor noch nach dem Verbot Verbindungen zur KPD nachgewiesen werden konnten, aber nach Auffassung der jeweiligen Behörden einzelne Merkmale der Gesinnung teilten. Für die Unterstellung einer „kommunistischen Gesinnung“ genügte es bereits, dass Kontakte in die DDR unterhalten wurden. Gerichtliche Verurteilungen zogen nicht nur empfindliche Strafen, sondern auch die Aberkennung der bürgerlichen Rechte nach sich. Diese Gesinnungsjustiz scheute sich dabei nicht einmal, KPD-Mitglieder im Widerspruch zum Rückwirkungsverbot auch für ihre Tätigkeit während der Legalität der Partei zu bestrafen. Rechtsbeugung und Rechtsbruch spielten keine Rolle, wenn es galt, gegen Kommunisten vorzugehen. Diese offen rechtswidrigen Praktiken endeten erst 1961, nachdem sich das Bundesverfassungsgericht endlich zu einem dementsprechenden Beschluss durchgerungen hatte. Als die offenbar wegen der nicht nur in den sozialistischen Ländern, sondern auch in Westeuropa immer noch anhaltenden Kritiken und Proteste am rigorosen politischen Strafrecht der BRD unruhig gewordene FDP 1957 eine Amnestie vorschlug, die dann auch verurteilte KPD-Mitglieder betroffen hätte, liefen die Konservativen im Bundestag Sturm und verhinderten eine solche Entscheidung. Zur im gleichen Jahr stattfindenden Bundestagswahl rief die illegale KPD zur Wahl der SPD auf, entschied sich aber 1961 und 1965 für die konsequent für eine Politik des Friedens, der Abrüstung und der Entspannung eintretende Deutsche Friedensunion (DFU), der auch viele Kommunisten beitraten.

Die bisherige harte Linie freilich war nach 1961 im Zuge des immer offenkundiger werdenden Scheiterns der Adenauerschen Konfrontationspolitik nicht mehr durchzuhalten. So waren SPD-Politiker wie Herbert Wehner und Willy Brandt schließlich der Auffassung, dass die Zulassung einer kommunistischen Partei durchaus möglich gemacht werden könnte. Das bezog sich allerdings ausschließlich auf eine Neugründung und nicht auf die Aufhebung des KPD-Verbots oder wenigstens eine Wiederzulassung nach dessen offizieller Beendigung, was dann eine zeitliche Befristung des Urteils bedeutet hätte. Das Verbot sollte als mögliches Drohpotential weiterhin bestehen bleiben, denn auch die sich in vielen Fällen antikommunistischer als die CDU gebärdenden rechten SPD-Führer hatten ihre Gesinnung keineswegs gewandelt. Ihre Überlegungen waren taktischer Natur: Nach der für sie durchaus unerfreulichen und enttäuschenden Erkenntnis, dass mit harter Konfrontationspolitik samt „Politik der militärischen Stärke“ und rüdesten Verbalattacken ein „roll back“ des Kommunismus ebenso wenig zu erreichen war wie das von Adenauer als „Befreiung der Zone“ bezeichnete „Verschwinden“ der DDR, war eine Änderung der Taktik unumgänglich. Es wurden weichere und unauffälligere Methoden benötigt, um den Fuß in die Tür zu bringen, also die „Aggression auf Filzlatschen“ in die Praxis umzusetzen. So lange jedoch in der BRD Kommunisten allein schon wegen ihrer Gesinnung verfolgt wurden, bestand dafür ein schwerwiegendes Hindernis. Mit einer solchen Hypothek waren in Moskau, Warschau, Prag und anderen osteuropäischen Hauptstädten keinerlei Gespräche möglich. Ebenso mehrten sich die Kritiken bei Bündnispartnern der BRD, nicht nur, weil dort Kommunistische Parteien ganz selbstverständlich zum politischen und auch parlamentarischen Alltag gehörten, sondern weil auf der anderen Seite mit der NPD eine nazistische Partei sowohl zugelassen war als auch mehr und mehr an Einfluss gewann. Weder in Frankreich noch in Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und Italien war die Zeit deutsch-faschistischer Besatzung vergessen. So mussten sich jene flexibleren Taktiker zumindest mit dem Gedanken abfinden, dass die politische Landschaft der BRD künftig ohne eine Kommunistische Partei nicht würde auskommen können. Damit meinten sie freilich keine kämpferische, weil konsequent antikapitalistische Partei und schon gar keine mit Masseneinfluss. Allenfalls erwünscht war ein politisch wenig, am besten aber gar nicht bedeutsamer Zusammenschluss linker Diskussionszirkel, die unter sich blieben und im stillen Kämmerlein um den Besitz der alleinigen Wahrheit stritten. Zum Vorzeigen würde das schon reichen und so war Mitte der 1960er Jahre zeitweilig von der Möglichkeit der Gründung einer „Kommunistischen Partei der Bundesrepublik“ die Rede – handzahm und handverlesen nach außen, eine Art „Spielwiese für linke Spinner“ nach innen sozusagen. Dennoch taten sich die gerade in CDU und CSU reichlich vertretenen Verfechter einer weiterhin harten antikommunistischen Linie auch mit solchen Gedanken schwer. Den Durchbruch brachten dann die 1968 aufbegehrenden Studenten und damit eine politische Bewegung, die die erstarrten konservativ-antikommunistischen Strukturen der BRD zeitweilig stark erschütterte. Nun konnte mit der DKP endlich wieder eine kommunistische Partei die politische Bühne betreten, eine Partei, die sich nicht wie gewünscht zu einer „Spielwiese linker Spinner“, sondern zu einer kämpferischen Interessenvertreterin der lohnabhängig Beschäftigten entwickelte. Etwas anderes wäre auch nicht zu erwarten gewesen, zumal zu ihren Gründern Menschen zählten, die wie Kurt Bachmann (1909 - 1997) nazistische Verfolgung ebenso erleben mussten wie das politische Strafrecht der Ära Adenauer, Herbert Mies (geb. 1929), seit 1954 Mitglied des ZK der KPD, und Hermann Gautier (1920 - 2010), der noch zwei Jahre zuvor politische Verfolgung und Haft zu erdulden hatte. Die Initiatoren verstanden die Schaffung der DKP eingedenk der Unrechtmäßigkeit des KPD-Verbots ganz bewusst als Neukonstituierung und nicht als Neugründung. Natürlich hatte die Partei mit der SED in der DDR einen starken Rückhalt, was den Verfechtern der „Aggression auf Filzlatschen“ nun gar nicht in den Kram passte. Zwar waren mit dem im Gefolge der 68er Bewegung ebenso entstandenen Sammelsurium sich gegenseitig befehdender, maoistisch geprägter und in sich selbst zerstrittener, daher sich nach kurzer Zeit häufig spaltender oder wieder auflösender linker Splittergruppen wie Kommunistischer Bund Westdeutschland, KPD/Marxisten-Leninisten, KPD/Aufbauorganisation, MLPD und so weiter und so fort einige Blütenträume von einflusslosen „Spielwiesen linker Spinner“ gereift, mit denen der Eindruck erweckt werden konnte, die Kommunistenverfolgung sei ein für allemal beendet, doch in der DKP sahen die Regierenden eine ernsthafte Gefahr. Freilich waren die Zeiten von rücksichtsloser Verfolgung, Verhaftung und Verurteilung vorbei, doch es gab schließlich probatere Mittel, um den Einfluss gering zu halten, und die waren schon in der Ära Adenauer nicht ohne Wirkung geblieben: Mit dem bereits eingangs erwähnten unter Kanzler Willy Brandt, der bei seinem Amtsantritt bekanntlich „mehr Demokratie wagen wollte“, durchgepeitschten „Radikalenerlass“ von 1972 wurden DKP-Mitglieder aus dem öffentlichen Dienst entfernt, durften beispielsweise weder als Lehrer an Schulen unterrichten noch als Lokführer bei der Deutschen Bundesbahn oder Zusteller bei der Deutschen Bundespost tätig sein. Diese auch und gerade bei Verbündeten der BRD wie beispielsweise Frankreich heftig kritisierte Berufsverbotspraxis und das regierungsamtlich und propagandistisch weiterhin gepflegte Klima des strikten Antikommunismus ließen die Partei nie über Wahlerfolge auf kommunaler Ebene hinauskommen. Dass sich allerdings ihre Lage im Zuge der in der DDR herbeidemonstrierten Rückwärtswende zum Kapitalismus einmal überaus schwierig gestalten würde, da dies auch und vor allem den Verlust des politischen und finanziellen Rückhalts durch die SED bedeutete, konnte damals noch niemand ahnen.

Das KPD-Verbot hat ungeachtet aller heftigen Kritik und aller Forderungen nach Aufhebung bis in die heutige Zeit Bestand und wird von den systemtragenden Parteien von CDU und CSU über FDP, SPD und Grüne mit einer Energie und Zähigkeit verteidigt und gerechtfertigt, die einer besseren Sache wert wären. Damit schwebt es wie ein Damoklesschwert nicht nur über in der Öffentlichkeit praktisch kaum wahrgenommenen linken Kleinparteien, sondern auch und vor allem über der Partei DIE LINKE. Diese Gefahr entstand freilich nicht erst mit dem Anschluss der DDR an die BRD, denn bereits in jenem Herbst 1989 hatte sich in vielen Orten bei von den selbsternannten „Bürgerrechtlern“ und „Bürgerbewegten“ inszenierten Kundgebungen, „Schweigemärschen“ und Demonstrationen eine sowohl erschreckende als auch Angst auslösende und lähmend wirkende antikommunistische Hysterie breitgemacht. Das gipfelte beispielsweise in Ilmenau im Brüllen von Losungen wie „In Bautzen sind noch Zellen frei für die Verbrecher der Partei!“, in anonymen Briefen an Mitglieder und Funktionäre der SED mit Drohungen wie „Für Dich Kommunistensau liegt der Strick schon bereit!“, in Schmalkalden in öffentlichen Morddrohungen gegen den Ersten Sekretär Jürgen Riese, dem Demonstranten eine Schlinge vor den Kopf hielten, der Verweigerung ärztlicher Behandlung von Familienangehörigen der „roten Häuptlinge“ sowie dem Verbot, die eigene Arbeitsstelle zu betreten, und führte bis zu Forderungen nach einem SED-Verbot. Mit der Gründung der PDS als deren Rechtsnachfolgerin und später neben der WASG Vorgängerin der Partei DIE LINKE hörten diese Angriffe keineswegs auf, denn damit war das Ziel der „Bürgerbewegten“, die Partei grundsätzlich aus dem politischen Leben auszuschließen, sie also „zum Verschwinden zu bringen“, durchkreuzt worden. Man erinnere sich da bitte an die so bösartigen wie verlogenen und beleidigenden Losungen der Art „Gysi – Nasi – Stasi!“. Das war nicht nur eine persönliche Diffamierung und Beschädigung des Ansehens von Gregor Gysi, dessen Familie bekanntlich im „Dritten Reich“ aus rassischen Gründen verfolgt worden war, die für das neue Amt für Nationale Sicherheit flugs geprägte vorgebliche Abkürzung „Nasi“ sollte nicht nur den Geist des so bösartigen wie diskriminierenden Begriffs „Stasi“ bruchlos fortführen, er war auch als Verweis auf „Nazi“ gedacht und damit erst recht beleidigend und verleumdend. Hinsichtlich der DDR hatte das KPD-Verbot damit nicht nur seine Nach-, sondern auch seine Außenwirkungen und auch heute noch finden sich in „unabhängigen und überparteilichen“ Zeitungen gelegentlich so wutentbrannte wie bösartige und unsachliche Leserbriefe, die in Fortsetzung einstiger SED- und PDS-Verbotsforderungen auch ein Verbot der Partei DIE LINKE verlangen, wogegen Anpassung und Selbstverleugnung, wie sie bei manchen in eben jener Presse als „Reformer“ gelobten Funktionären offenbar vorhanden sind, am allerwenigsten hilfreich sein können. Einige der Paradebeispiele für solche wütenden und von keiner Sachkenntnis, dafür aber viel antikommunistischer Hysterie getrübten Rundumschläge fanden sich als Leserbriefe unter anderem im Lokalteil Saale-Orla-Kreis der „OTZ“ vom 2. Dezember 2009.

Das ausschließlich der maßlosen Angst vor dem Gedanken an eine Überwindung der kapitalistischen Profitgesellschaft geschuldete zähe Festhalten am KPD-Verbot wird gern mit der Behauptung begründet, es sei „rechtsstaatlich“ und „verfassungsgemäß“ zustandegekommen. Eine die Wiederzulassung natürlich voraussetzende Aufhebung sei ein „unmittelbarer Eingriff in die Gewaltenteilung“. Abgesehen davon, dass letztere in ihrer Existenz mehr formal als real ist, kann niemand bestreiten, dass beispielsweise Bundeskanzler Konrad Adenauer damals persönlich starken Druck auf das Bundesverfassungsgericht ausgeübt und damit einen unzulässigen Eingriff in die so vielbeschworene Gewaltenteilung vorgenommen hat. Das Gericht selbst hat nach Meinung zahlreicher Kritiker eine Gefahr lediglich aus der Literatur, also aus veröffentlichten Broschüren, Pressebeiträgen und dem Schriftverkehr der Partei konstruiert, aber keinerlei hieb- und stichfeste, also gerichtsverwertbare Beweise anführen können. Im Gegenzug konnten die Befürworter des Verbots den Vorwurf nie entkräften, dass mit der KPD die einzige konsequente Opposition gegen Sozial- und Demokratieabbau, vor allem aber gegen Wiederaufrüstung, Stationierung von Kernwaffen in der BRD und Versuche, der künftigen Bundeswehr auch die Verfügungsgewalt darüber zu verschaffen, ausgeschaltet werden sollte, sie somit zu den Opfern des Kalten Krieges gehört. Nicht umsonst erklärte die damalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, 1996, sie würde „nach gegenwärtigen rechtsstaatlichen Gesichtspunkten die KPD nicht mehr verbieten.“ Nach dem Ende der Ära der Hetzjagd jenes Kommunistenhassers Joseph McCarthy gegen Linke und solche, die dafür gehalten wurden, mit damals durchaus verheerenden Folgen für solche Parteien in den USA, Kanada und Australien ist es das einzige Verbot einer Kommunistischen Partei innerhalb der jetzigen Europäischen Union. Bislang wurden alle Initiativen zu Aufhebung des Verbots und Entschädigung der Opfer von den Regierenden gekippt: Als der niedersächsische Landtag 1995 einstimmig (!) die nachträgliche Zahlung von Wiedergutmachungsrenten für Verfolgte des Nazi-Regimes beschlossen hatte, wofür das Bundesentschädigungs- und Häftlingshilfegesetz ohnehin als „Verstoß gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung nach 1945“ verklausulierte Einschränkungen vorsah, setzte die Landesregierung unter dem als „Genosse der Bosse“ unrühmlich bekanntgewordenen rechten Sozialdemokraten Gerhard Schröder (Ministerpräsident von 1990 bis 1998) alle Hebel in Bewegung, um das Inkrafttreten zu verhindern, weil das eine wenigstens teilweise Rehabilitierung der Betroffenen bedeutet hätte. Dennoch ist die Forderung nach Aufhebung des Verbots und Rehabilitierung sowie Entschädigung der Opfer nicht vom Tisch: So gab es zum 50. Jahrestag dieses Schandurteils hauptsächlich von damaliger Linkspartei.PDS, DKP, FDJ, SDAJ und Persönlichkeiten wie Karl Stiffel und Rolf Gössner getragene Veranstaltungen und Demonstrationen. Im gleichen Jahr schlug die Linkspartei.PDS im Bundestag eine Änderung des Bundesentschädigungs- und Häftlingshilfegesetzes vor, zudem reichte sie einen Gesetzentwurf zur Rehabilitierung sämtlicher Opfer des Kalten Krieges ein. Die einhellige Ablehnung durch die nach wie vor in antikommunistischer Verbohrtheit verharrenden anderen Fraktionen ist dennoch kein Grund zum Aufgeben, zumal das Verbot, auch wenn es keine Anwendung mehr findet, nicht nur unrechtmäßig, sondern nach wie vor ein politisches Droh- und Druckmittel ist. Dabei kann natürlich nicht verhehlt werden, dass seitens der Durchpeitscher des Verbots hohe Hürden aufgestellt wurden – eine Streichung von Artikel 21, Absatz 2 des Grundgesetzes erfordert immerhin eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Erst dann wäre der Weg für eine Neukonstituierung der Partei und ihre Wiedereinsetzung in die ihr zustehenden Rechte frei, und zwar ohne erneute Verbotsmöglichkeit. Zudem wäre damit nicht automatisch die notwendige Entschädigung der Opfer verbunden, dazu würde ein eigenes Gesetz benötigt. Dass die justiziellen und rechtswissenschaftlichen Mühlen angesichts der ungebrochen herrschenden antikommunistischen Staatsdoktrin bei dessen Erarbeitung nicht nur besonders langsam mahlen werden, sondern auch mit dem Einbau aller nur denkbaren ausschließenden oder einschränkenden Klauseln zu rechnen ist, kann man sich schon jetzt an den fünf Fingern abzählen. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch die Möglichkeit, das Verbotsurteil nicht nur in gewissen zeitlichen Abständen zu überprüfen, sondern auch dessen Begründung zur Gänze für nichtig zu erklären, zumindest aber deren inzwischen eingetretenen Wegfall festzustellen, letztlich also dessen Aufhebung zu beschließen. Ob sich die vor 55 Jahren verbotene KPD danach wieder konstituieren würde, ist schon angesichts der ohnehin kaum noch vorhandenen personellen Kontinuität – selbst der damals noch junge Herbert Mies ist mittlerweile 82 Jahre alt – eine mehr hypothetische Frage. Zudem entstanden ab 1990 Klein- und Kleinstparteien mit dem Namen KPD (mit und ohne irgendwelche den Charakter erläuternde Zusätze), im beigetretenen DDR-Gebiet zum Teil aus einstigen SED-Funktionären, die 1989 durch die Schiedskommission der damaligen SED-PDS ausgeschlossen wurden, oder Mitgliedern, denen die PDS bzw. Linkspartei.PDS ebenso wie DIE LINKE nicht links genug waren bzw. sind, bestehend, was möglicherweise zu dem linken Spektrum abträglichen Rechtsstreitigkeiten führen könnte. Viel wichtiger als das wäre aber die Vermeidung einer weiteren Zersplitterung der Linken, was unabhängig von der Zahl der Parteien eine Absage an dogmatische Spitzfindigkeiten und Rechthabereien als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit erfordern würde. Die Aufhebung des KPD-Verbots wäre dabei sowohl ein Akt der Wiederherstellung der bislang so sehr gepredigten Rechtsstaatlichkeit als auch Voraussetzung für Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer sowie eben die Beseitigung des immer noch vorhandenen Droh- und Druckpotentials und damit schließlich und endlich auch eine Niederlage für die herrschende antikommunistische Staatsdoktrin.

 

H.-J. Weise