Rückkehr zur Sachlichkeit bei der Funktional- und Gebietsreform

Während zwei Landräte aus Südthüringen mit einem Wechsel nach Bayern drohten, bewies DIE LINKE bei einer Diskussion in Hildburghausen, dass sie zur Sachdebatte bereit ist

Drohungen nach einem Landkreiswechsel in den Freistaat Bayern verbunden mit Emotionen und Befindlichkeiten prägten kurz nach dem Erscheinen des Berichtes der Expertenkommission „Funktional- und Gebietsreform“ die öffentliche Diskussion, insbesondere im Süden Thüringens. Die Kreistagsfraktion der LINKEN Hildburghausen wagte sich auf dieses schwierige Feld und lud am 14. Februar 2013 zu einem Vortrag und Diskussion mit Axel Schneider, einem Mitglied der Expertenkommission, die den Bericht vorgelegt hat.

 Unter den gut 40 Gästen, die der Einladung folgten, befanden sich zahlreiche kommunale Mandatsträger, Bürgermeister unterschiedlicher politischer Couleur und Landrat Thomas Müller (CDU). Schneiders Vita ist von langer Erfahrung in Verwaltung und Kommunalpolitik geprägt. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Direktor der Thüringer Verwaltungsschule in Weimar ist er seit 1999 ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Krautheim. Zuvor war er langjähriger Ortsvorsteher in Hessen.

Vehement warb er in seinem Vortrag für die Schlussfolgerungen des Berichtes der Kommission und mahnte bei der Umsetzung einen überparteilichen Konsens an. Aus seiner Sicht sei es drei Minuten vor zwölf. Es führe kein Weg daran vorbei, solche Verwaltungsstrukturen zu schaffen, die die Aufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungskreis nachhaltig erfüllen und auf der anderen Seite die gemeindliche Identität wahren. Ein solcher Reformschritt müsse für die nächsten 30 bis 35 Jahre Bestand haben. Um im Jahre 2050 die aus seiner Sicht notwendige Einwohnerrichtzahl von 8.000 zu erzielen, ist jetzt die Zahl 12.000 anzustreben.

Dabei gilt es aber auf Grund der Siedlungsstruktur des Landes Flexibilität walten zu lassen. Das gelte insbesondere für den Süden des Freistaates. Einer gesetzlichen Zuordnung sollte eine einjährige Freiwilligkeitsphase vorgeschaltet werden. Schneider machte keinen Hehl aus seiner Präferenz gegenüber dem Verbandsgemeindemodell. Dieses wäre Garant für eine starke Bündelung der Kräfte bei der Erfüllung zentraler Aufgaben wie Bauhof, Kindergärten und Feuerwehr und wahre zugleich die gemeindliche Identität.

Dass letztlich durch eine solche Aufgabenbündelung der Entscheidungsradius der Gemeinderäte stark eingeschränkt wird, musste er in der anschließenden Diskussion allerdings einräumen. Im Anschluss an die Gemeindegebietsreform solle sich dann im Jahr 2018 eine Kreisgebietsreform anschließen. Der Gesetzesgeber sei allerdings gefordert, die entsprechenden Vorgaben zeitgleich mit der Gemeindegebietsreform zu beschließen.

Die anschließende Diskussion war von nachdenklicher Sachlichkeit geprägt. Neben Zweifeln an den im Bericht enthaltenen Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2050, der Kritik an der Zielgröße der künftigen Gemeindestrukturen, war man sich in einem einig: Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, um somit deutlich zu machen, wohin die Reise geht. Und selbst Landrat Thomas Müller sah sich gefordert, zum Schluss der Diskussion seine aus seiner Sicht verkürzt in der Presse wieder gegebenen Äußerungen zum möglichen Abwandern nach Bayern klar zu stellen. Er hätte lediglich deutlich machen wollen, dass, wenn man glaube, eine solche Reform ohne Diskussion durchsetzen zu wollen, müsse man sich nicht wundern, wenn eine Diskussion über einen Wechsel nach Franken beginne.

Das Fazit des Abends zog ein Diskutant wie folgt: Er sei froh, dass endlich Fastenzeit sei, somit Sachlichkeit in die Diskussion einziehe und nunmehr aus der Wagenburgmentalität ausgebrochen wird. Der Diskussionsabend hallte bis in das ferne Erfurt. In der Landtagsauseinandersetzung einen Tag später zum selben Thema nahmen mehrere Redner Bezug auf den vorangegangenen Abend in Hildburghausen.

Matthias Gärtner