Noch eine unnötige Leitung für Kohlestrom

Schon die 380-kV-Leitung quer durch den Thüringer Wald braucht niemand, doch jetzt will das Unternehmen 50Hertz eine weitere Trasse durch den Freistaat bauen lassen. 50Hertz behauptet, es geht um die Energiewende tatsächlich winken vor allem neun Prozent Kapitalrendite.

 

Die Gefechte um die 380kV-Leitung durch den Thüringer Wald sind noch nicht ausgestanden, da steht uns bereits die   nächste Großtrasse durch Thüringen ins Haus. Am 26. November informierte die 50Hertz Transmission GmbH (Übertragungsnetzbetreiber für  im Netzgebiet der neuen Bundesländer) in Weimar im Rahmen einer Dialogveranstaltung über ihr nächstes  Leitungsprojekt: eine 500 kV-HGÜ-Freileitung (HGÜ = Hochspannungsgleichstromübertragung) von Bad Lauchstedt in Sachsen-Anhalt in den Raum Augsburg; entweder durch den mittelthüringischen Raum über die Region Weimar Richtung Ilmenau, oder, wie es das Unternehmen selbst favorisiert, durch den Ostthüringer Raum entlang der A9. Die Leitung soll 2022 in Betrieb gehen.

Die 50Hertz argumentiert mit dem typischen Energiewende-Argument: Windstrom aus dem Norden müsse nach Süden transportiert werden. In der ostdeutschen Regelzone kommt es vermehrt zur Überproduktion von Strom durch den massiven Windkraftausbau. Der Überschuss muss exportiert werden, lässt sich bei starkem Wind mitunter aber nicht mehr ausgleichen. Der Netzbetreiber weist dann konventionelle Kraftwerke an, die Produktion zu drosseln. Reicht das nicht, werden Windparks vom Netz genommen. 50Hertz geht davon aus, dass solche Zustände in Zukunft vermehrt auftreten werden und will mit dieser Begründung bereits die umstrittene Nord-Süd-Kuppelleitung quer durch den Thüringer Wald bauen.

Die geplante 500 kV-HGÜ-Leitung wird zwei Funktionen haben: Im Jahr 2022 soll das Atomkraftwerk Gundremmingen bei Augsburg vom Netz gehen. Die Leitung wird dorthin geführt, um die entstehende Stromlücke zu schließen. Das wäre vielleicht sinnvoll, wäre nicht der Startpunkt in Bad Lauchstedt direkt neben dem Braunkohlekraftwerk Schkopau. In der Nähe liegen Lippendorf und das geplante Kraftwerk Profen. Das und die Prognose von 50Hertz, nach der auch im Jahr 2030 noch überwiegend Braunkohlestrom den ostdeutschen Strommix bestimmen wird, belegen: diese Leitung wird für Kohlestrom benötigt, nicht für Windstrom. Sie soll die Abregelung von Braunkohlekraftwerken verhindern.

Die Frage bei dieser Freileitung lautet nicht, wo sie gebaut werden soll, sondern ob sie überhaupt nötig ist. Die Antwort ist ein klares Nein. Was wir brauchen, ist eine konkrete räumliche und zeitliche Planung für den Umbau des Energiesystems auf Basis Erneuerbarer Energien und flexibler Gaskraftwerke als Brückentechnologie im „stromarmen“ Süddeutschland. In der Strominfrastruktur der Zukunft kommen nur noch wenige zentrale Großanlagen vor. Die gesamte Netzplanung müsste bereits heute darauf hin ausgelegt werden.

Statt Stromtrassen, die übrigens neun Prozent Kapitalrendite für Investoren abwerfen, nach maximal möglichem Ausbau zu planen, muss eine dezentrale Energieversorgung vorangetrieben werden. Erst müssen die Potenziale einer dezentralen Versorgung ausgeschöpft werden. Nur, wenn eine Region weder dezentral, noch mit bestehenden Leitungen mit Strom versorgt werden kann, sind Leitungsneubauten akzeptabel. Das ist bisher von allen Bundesregierungen nicht einmal angedacht worden.

Thüringen soll wieder als Stromtransitland herhalten, unsere Landschaft wird verbaut. Es ist aber noch schlimmer. Die Einwohner Thüringens bezahlen über Netzentgelte die Transportverluste, die solche Leitungen generieren. Menschen werden mit Infrastrukturgroßprojekten direkt vor ihrer Haustür und in ihren Naherholungsgebieten konfrontiert und müssen dafür auch noch zahlen. Die Netzentgelte in Thüringer sind rund zwei Cent pro Kilowattstunde höher als in Bayern, verursacht vom Stromdurchleiten. Solange Netzentgelte nicht bundesweit einheitlich umgelegt werden, kommen auf Thüringen durch jeden weiteren Übertragungsleitungsbau als Stromtransitland immer höhere Kosten zu.

Das Projekt geht zu Jahresbeginn in die konkrete Planungsphase. Kommunen, Bürgerinnen und Bürger können sich demnächst auf der Internetseite des Unternehmens über die konkreten Termine der Planungskonferenz informieren, um dann dort ihre Einwände vorzubringen. Ich hoffe, wir können gemeinsam diese Leitung verhindern.

 

Thomas Pätzold