Mit Krieg ist kein Krieg zu beseitigen

Vernebelung, Desinformation und Lügen gehören inzwischen zum täglichen Geschäft einschlägiger Meinungsmacher. Das hat im Fall der Aufstände in der arabischen Welt so gut funktioniert, dass viele Menschen gar nicht wahrgenommen haben, wie in Libyen ein furchtbarer Krieg tobte. Bei der Nato wurde zwischenzeitlich sogar die Munition knapp.

Dr. Peter Strutynski vom Friedensratschlag Kassel ließ die Ereignisse vom Frühjahr bis zur Gegenwart mit fotografischer Genauigkeit revue passieren. Er arbeitete in der Veranstaltung auch die nicht auf den ersten Blick erkennbaren Zusammenhänge in den unterschiedlichen Ländern heraus. In allen Staaten mischten die Geheimdienste kräftig mit, denn es galt westliche Interessen zu sichern. Die gestürzten arabischen Diktatoren wurden in der Vergangenheit als Garanten der Stabilität über lange Jahre unterstützt und hofiert. Das hat System und Methode.

Die sozialen Bedingungen haben sich in fast allen arabischen Ländern ständig zugespitzt. Hohe Jugendarbeitslosigkeit,auch bei hochqualifizierten jungen Menschen, führten ebenfalls zu einer explosiven Stimmung. In Ägypten herrscht nach wie vor eine privilegierte Militärkaste. Große Teile der ägyptischen Industrie und Wirtschaft befinden sich in den Händen des Militärs. Die Armee macht ganz einfach Profit. Mubarak wollte dieses System für stärkeren Einfluss westlicher Konzerne lockern und damit das System modernisieren. Das geschah jedoch nicht einvernehmlich mit dem Generalstab. Also ließ die Armee die jungen Revolutionäre mehr oder weniger kontrolliert gewähren. Mubarak ist gestürzt und die Armee beherrscht weiterhin das Land. Die zukünftige Entwicklung erscheint ungeklärt.


 

In Libyen stellt sich eine andere Situation dar. Dazu ist ein Rückblick in die Geschichte notwendig. Im 2. Weltkrieg versuchten Rommels Truppen, den Einfluss der Briten in Nordafrika zu beseitigen. Das Ende des „Afrika -Feldzuges“ist einigermaßen bekannt. Im Jahr 1951 wurde Libyen ein Königreich durch Großbritannien und Frankreich stark beeinflusst. Wie auch in anderen Teilen der Welt wurden willkürlich Grenzen gezogen. Heute in jedem Atlas ersichtlich mit Lineal und Stift. Ein staatlicher Zusammenhalt hatte in dieser Region nie existiert. Erst im Jahr 1954 wurden die Ölvorkommen entdeckt und von den bekannten Ölkonzernen erschlossen. Im Jahr 1969 putschte eine Gruppe junger Offiziere und jagte den König vom Thron. Der führende Kopf war Gaddafi. Seine erste Amtshandlung war die Verstaatlichung der Ölvorkommen. Danach ließ er die britischen und amerikanischen Militärstützpunkte schließen. Die Gewinne der Ölexporte wurden staatlich kontrolliert und in die Volksbildung sowie in das Gesundheitswesen als Schwerpunkte geleitet.


Libyen erreichte laut UNO-Bericht den 53.Platz in der Reihe der Staaten mit dem höchsten Lebensstandart und lag damit vor Russland und Bulgarien. Im pro Kopf Einkommen hatte Libyen den höchsten Stand der arabischen Staaten. Das ist jedoch eine reine „Rentenökonomie“, je nach Einkommenslage – durch Öl und Gasverkäufe – wurde verteilt. Es wurden Abhängigkeiten und Korruption befördert. Irgend ein Teil der Bevölkerung fühlte sich immer benachteiligt. Wie andere Diktatoren brachte auch Gaddafi ein Buch mit seinen Eingebungen und Weissagungen heraus. Der gesamte Staat ordnete sich dieser „Grünen Bibel“ unter. Die Entwicklung einer eigenen unabhängigen Industrie wurde vernachlässigt. Was man brauchte, wurde importiert. Vor allen die Rüstungsindustrie der westlichen Welt machte große Geschäfte mit dem Gaddafi-Klan. Er wurde von vielen Regierungen regelrecht hofiert. Es kam auch zu absonderlichen Anbiederungen.

Trotz all dieser Tatsachen unterstützte Libyen viele Befreiungsbewegungen, vor allen Dingen in Afrika. Gaddafi war wichtigster Förderer der Idee einer panafrikanischen Union.Er sah sich bereits als der legendäre Führer Afrikas.

In Libyen selbst gab es Schwächen durch die unterschiedliche Entwicklung der drei Landesteile. Von den 6,5 Millionen Einwohnern leben 90 Proznet in den großen Städten. Ein Drittel der Jugendlichen lebt ohne Arbeit und ohne Perspektiven. Das schuf Unruhepotential.

Die Bewegung in der arabischen Welt nahm auch in Libyen ihren Lauf. Vor kurzer Zeit gab es noch herzliche Umarmungen mit europäischen Staatschefs, doch die wechselten schnell ihre Meinungen.

Jetzt war die Zeit gekommen, um alte Rechnungen zu begleichen. Die Schließung der einstigen Stützpunkte, die Ölverstaatlichung und die Unterstützung von Befreiungsbewegungen hatten sie dem libyschen Diktator nie verziehen. Angeblich ließ Gaddafi aus Flugzeugen auf Demonstranten schießen. Durch zwei Menschenrechtsorganisationen wurde nachgewiesen, dass diese Behauptungen nicht haltbar sind. Trotzdem wurde die Flugverbotszone beschlossen.Das war eine klare Kriegserklärung und eine völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines UNO Mitgliedstaates. Mit nachhaltigen Waffengängen aus der Luft wurden sogenannte Kollateralschäden unter der Zivilbevölkerung eingeplant. Die Hinrichtung Gaddafis ohne Gericht und unter völliger Missachtung jeglicher Rechtsvorstellungen wurde als gegeben hingenommen. Wenn der Staatschef irgend eines auffällig gewordenes Landes nicht ins Kalkül passt, dann wird er liquidiert. Sollte das etwa eine neue Qualität in Fragen der Menschenrechte sein?

Die Entwicklung zeigt, dass dieser Krieg keinesfalls beendet ist. Rivalisierende Gruppierungen greifen nach wie vor zu den Waffen. Mit Krieg ist kein Krieg zu beseitigen.

Das war das Fazit dieser wichtigen Veranstaltung des Friedensratschlages.


Uwe Pohlitz