Kampf gegen Nazis taugt nicht für parteipolitische Ränkespiele

So erfolgeich wie in diesem Jahr war der Widerstand gegen das Nazifest in Gera noch nie, dennoch sieht sich Sandro Witt der mit Melanie Siebelist und vielen anderen engagierten Demokraten dies erst ermöglich machte, heftiger Kritik ausgesetzt - zu Unrecht!

Von Sandro Witt


Am 7. Juli 2012 demonstrierte das landesweite Bündnis gegen das Nazifest in Gera gemeinsam mit weit mehr als 2.000 Menschen gegen das von der NPD zum 10. Mal ausgerichtete „Rock für Deutschland“. Dem voran gegangen waren intensive, strategische Diskussionen im Bündnis, bei denen es vor allem um die Frage des Blockierens und Ausübens zivilen Ungehorsams ging. Über allem stand die Frage: „Können wir in Gera ähnlich wie an anderen Orten mit Blockaden dieses Nazifest verhindern?“ Aus den Erfahrungen der letzten Jahre, vor allem mit der Ignoranz der Geraer Bevölkerung gegenüber allen Aktivitäten gegen das Nazifest, entschied sich das Bündnis schweren Herzens gegen einen öffentlichen Aufruf zu Blockaden. Vielmehr einigte man sich darauf, mit einer Kundgebung und einer antifaschistischen Demonstration durch die Geraer Innenstadt auch die Geraer Bevölkerung aktiv anzusprechen und nicht nur auf das 10-jährige Bestehen des Nazifestes hinzuweisen, sondern auch die rassistischen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft anzuprangern. Außerdem sollte auch die Perspektive der Opfer rechtsextremer Gewalt nicht außen vor bleiben. Um aber wirklich eine breite Debatte über die Grenzen von Gera hinweg zu organisieren, rief das landesweite Bündnis auch die Landesregierung und die demokratischen Thüringer Fraktionen und Parteien auf, sich an der Mobilisierung und den Aktivitäten zu beteiligen. Das diese dem Aufruf folgten, führte letztlich zumindest oberflächlich zu einem Konsens der demokratischen Parteien im Lande (außer FDP) und letztlich auch zur Teilnahme einiger Menschen und Organisationen, die sich sonst eher von antifaschistischen Demonstrationen fern halten. Im Kern möchte ich festhalten, dass sowohl Kundgebungen als auch Demonstration uns als Organisatoren vor gravierende Herausforderungen stellten. Neben der Frage nach einer politisch ausgeglichenen Rednerliste, immerhin hatten sich neben Ministerpräsidentin Lieberknecht und der Landtagspräsidentin Diezel auch weitere Landespolitiker angekündigt, war für uns als Bündnis bis zum 7. Juli selbst völlig unklar, wie sich offizielle VertreterInnen der Stadt Gera uns gegenüber verhalten würden. Im Laufe der Vorbereitungen erhielten wir im landesweiten Bündnis Kenntnis über einen Brief der sich aktuell im Amt befindlichen neuen Geraer Oberbürgermeisterin Dr. Viola Hahn, in dem sie dem Aktionsbündnis Gera gegen Rechts mitteilte, dass sie sich der Bekämpfung aller Formen des Extremismus verpflichtet fühlt. Das hier, auf der Grundlage der überholten und unwissenschaftlichen Extremismusformel, sowohl den Aktiven in Gera aber auch landesweit recht mulmig wurde zu dieser Zeit, ist sicher für den geneigten Leser, die geneigte Leserin nachvollziehbar. Außerdem standen da ja noch einige Fragezeichen aus dem Kommunalwahlkampf, in der die nun amtierende OB ihrem Amtsvorgänger damals vorwarf, das Nazifest durch seine Aktivitäten überhaupt erst aufzuwerten. Unter diesen politischen Vorzeichen ging es also dann am 7. Juli nach Gera. Der gesamte Tag war aus meiner Sicht ein voller Erfolg. Tausende Menschen zeigten Flagge und eine politische kraftvolle Demonstration, an der sich auch unser LINKER Landesvorsitzender Knut Korschewsky mit einer Rede und bis zum Schluss beteiligte, endete lautstark direkt vor den Toren des Nazifestes. Das fand bezeichnenderweise direkt vor dem Hauptbahnhof, in schönster städtischer Lage, statt. Mit Musik und Redebeiträgen setzten die Demonstrierenden auch hier ein klares und vor allem auch für die Nazis nicht zu überhörendes Zeichen, dass weder das NPD-Fest noch seine rassistischen Anhänger in Gera erwünscht sind. 


Üble politische Nachwirkungen und ein Blick auf 2013


Schon am 10. Juli, also nur drei Tage später berichtete die OTZ darüber, dass die Oberbürgermeisterin Hahn ein Redeverbot auf der Kundgebung des landesweiten Bündnisses bekommen hätte. Sie hätte sich gerne mit einer Rede gegen politischen Extremismus an die Menschen gewandt. Auf der OTZ- Website beleidigen Geraer Bürger sowohl mich als auch meine Mitstreiterin Melanie Siebelist als Antidemokraten. Wir hätten mit den Aktivitäten des Bündnisses die Stadt Gera in ein schlechtes Bild gerückt und schaden damit dem Ansehen der Stadt. Dass es nie eine Redeanfrage der OB an das Bündnis gab und dass wir aufgrund der oben beschriebenen Aussagen von Frau Hahn nie damit gerechnet hätten, dass sie auf der Kundgebung sprechen möchte, darüber schreibt niemand. Ich ärgere mich, dass die Stadtspitze in Gera sich hier vor allem von den frustrierten CDU-Hardlinern einwickeln und benutzen lässt, anstatt mit den Bündnisakteuren in einen offenen Diskurs einzutreten und vor allem das Gemeinsame hervorzuheben – den gemeinsamen Erfolg der demokratischen Kräfte im Jahr 2012. Es geht nicht darum, wer auf welcher Kundgebung spricht. Der Kampf gegen Neonazis taugt nicht für parteipolitische Ränkespielchen. Wen die Stadtoberen in Gera das nicht endlich einsehen, wird es leider auch im nächsten Jahr wieder dieses Fest der Nazis geben, welches eigentlich keiner haben will.