Jurist und Schriftsteller aus Überzeugung und Leidenschaft – Vor 30 Jahren verstarb Friedrich Karl Kaul

Als Jurist sah sich Prof. Karl Kaul von der bürgerlichen Justiz enttäuscht. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil siedelte er in DDR über, von wo aus er sich vor allem der Strafverfolgung faschistischer Verbrecher widmete.

Wer sich mit der deutsch-deutschen Rechtsgeschichte im Zeitalter des Kalten Krieges beschäftigt, kommt an ihm nicht vorbei: Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Karl Kaul prägte diese Periode auf anwaltlicher Seite entscheidend mit. Dabei kam ihm zugute, dass er nach der Rückkehr aus dem lateinamerikanischen Exil im Jahr 1948 eine Anwaltszulassung für alle vier Besatzungssektoren Berlins erhielt. Diese behielt auch nach der Gründung der beiden deutschen Staaten ihre Gültigkeit und bildete die Grundlage dafür, dass Kaul sowohl in der Bundesrepublik wie in der DDR als Anwalt auftreten konnte.


Der 1906 als Sohn eines Textilkaufmanns in Posen, Hauptstadt der gleichnamigen preußischen Provinz, Geborene erfuhr als Kind alle Annehmlichkeiten und Bildungsmöglichkeiten, die der bürgerliche Staat zur damaligen Zeit bieten konnte. „Ich habe mir meine Eltern sehr vorsichtig ausgesucht“, ironisierte er Jahrzehnte später gern, wenn er von seiner Familie sprach. Diese zog nach dem 1. Weltkrieg nach Berlin und er legte am Grundwaldgymnasium sein Abitur ab, um dann von 1925 bis 1929 in Berlin und Heidelberg Rechtswissenschaft zu studieren. Danach begann das Referendariat mit seiner ersten Station bei der Staatsanwaltschaft. Entgegen Kauls Erwartungen lernte er dort nicht die kriminelle Subkultur von Berlins Mitte in Gestalt von Akten und Gerichtssitzungen kennen, sondern musste an einem politischen Prozess teilnehmen, der ihm die Augen öffnete. Er erlebte in diesem Verfahren, wie sich herausstelle, dass zehn Jahre zuvor ein nunmehriger Reichsanwalt damals als Ermittlungsrichter die Mörder von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg deckte. Der junge Jurist erlebte nicht nur Paul Levy, einen Mitstreiter von Karl und Rosa, als Anwalt bei der Verteidigung des Journalisten gegen den der Reichsanwalt Anzeige erstattet hatte, weil er diese Wahrheit in einer Zeitung veröffentlichte, sondern auch den Zeugen Wilhelm Pieck. Sein Glaube an die Unfehlbarkeit der bürgerlichen Justiz wurde heftig erschüttert und er wandte sich der Roten Hilfe zu, nahm an linken politischen Veranstaltungen teil und fand sich nach der Machtergreifung Hitlers alsbald im Konzentrationslager Lichtenburg wieder. Von dort ging es nach Dachau, wo er im April 1937 unter der Bedingung entlassen wurde, das Reichsgebiet zu verlassen, nach Übersee zu gehen und nie mehr zurückzukehren.Dabei spielte auch seine jüdische Abstammung eine wesentliche Rolle. Noch 1932 hatte Kaul in Berlin promoviert. Den Titel entzogen ihm die Nazis später aus rassischen Gründen. Er schlug sich in Kolumbien, Panama, Honduras und Mexiko als Gelegenheitsarbeiter durch und gelangte schließlich in die USA. Dort wurde Kaul nach dem Kriegseintritt der Amerikaner als „feindlicher Deutscher“ in einem so genannten Antinazi-Camp in Texas interniert. Einige Zeit nach Kriegsende gelangte er auf schwierigen Wegen wieder nach Deutschland zurück, wo man ihn prompt erneut auf dem Hohen Asperg festhielt. Nach seiner Entlassung dort entschied sich Kaul für die Sowjetische Besatzungszone und kehrte nach Berlin zurück. Er wurde zunächst Hilfsrichter am Landgericht und nach Absolvierung des 2. Staatsexamens Justitiar des Berliner Rundfunks. Parallel begann er jetzt auch Bücher und Hörspiele zu schreiben, die sich kritisch mit der Vergangenheit der Weimarer Republik und der Nazizeit auseinandersetzten. Wöchentlich bestritt er eine Rundfunksendung in der Rechtsfragen des Alltags beantwortet wurden. In den 70er Jahren kam eine Sendung im Fernsehen hinzu und machte ihn noch populärer. Für mehr als 50 Fernseh-Pitavals schrieb Kaul das Buch, mehr als 20 Bücher entstanden in den folgenden Jahrzehnten. Im Mittelpunkt stand dabei die Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Klassenjustiz, auch bezüglich der frühen Jahre der Adenauer-Ära. In dieser Zeit verteidigte Kaul zahlreiche Kommunisten,Gewerkschafter und andere Linke, die auch wegen ihrer Gesinnung verfolgt wurden. Er war einer der anwaltlichen Vertreter der Partei im KPD-Verbotsprozess 1954/56 vor dem Bundesverfassungsgericht. In 17 Prozessen gegen nazistische Gewaltverbrecher in der BRD vertrat er nahe Angehörige der Ermordeten als Nebenkläger. So u.a. auch im 1. und 2. Auschwitz-Prozeß in Franfurt/Main in der ersten Hälfte der 60er Jahre und 1980 im Lischka-Prozeß in Köln sowie fünf Jahre lang im Majdanek-Prozess in Düsseldorf.Er verwandte sich für die Verfolgung der Mörder Ernst Thälmanns ebenso wie er Strafanzeige gegen den berüchtigten Kongo-Müller erstattete.

Aus dieser Rastlosigkeit wurde er am 16. April 1981 durch den Tod herausgerissen. Für seine Verdienste erhielt Friedrich Karl Kaul zahlreiche Auszeichnungen. Ich lernte ihn in ganz jungen Jahren kennen und schätzen. Diese Zeit möchte ich nicht missen.


Ralph Dobrawa