Im Zeichen des „Grünen Energietropfens“

Thüringer waren auf Exkursion ins „ökoEnergieland“ Güssing, wo Energieautarkie schon längst Realität ist – ein Vorbild auch für Thüringen?

Güssing ist eine kleine Gemeinde im Burgenlandkreis in Österreich, hat etwa 4000 Einwohner und grenzt unmittelbar an Ungarn. 

Das Burgenland galt lange Zeit als eines der ärmsten Gebiete in Österreich, war durch hohe Arbeitslosigkeit und Abwanderung gekennzeichnet. 

Eine Exkursion auf Initiative der IBA-Geschäftsstelle in Weimar, hervorragend organisiert von Frau Prof. Dr. Eich-Born und Frau Hachmeister,  führte Ende September 22 Interessierte  in das „ökoEnergieland“ Güssing. Dabei waren Kommunalpolitiker, Bürgermeister, Stadtplaner und Energiewirtschaftler. Für die Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag hatte ich die Chance, teilzunehmen. 

Wesentlich scheint zu sein, dass es die Menschen in der Region Güssing verstehen, andere von Ideen zu überzeugen und zu begeistern. Dies war in Güssing der Schlüssel zum Erfolg. Man hat vor Jahren begonnen, Visionen zu entwickeln, wie trotz der schwierigen Ausgangslage vorhandene Chancen genutzt werden können. 

Große Potenziale wurden in den natürlichen regionalen Bedingungen entdeckt – mit durchschnittlich 300 Sonnentagen im Jahr das sonnenreichste Gebiet Österreichs, 45 Prozent des Burgenlandes sind bewaldet, landwirtschaftliche Flächen lagen zum Teil brach. Auf der anderen Seite standen große Energieversorger, an die viel Geld und damit Zukunftssicherheit aus der Region abfloss. 

Was lag somit näher, als die Geschicke selbst in die Hand zu nehmen? Dank der Hartnäckigkeit zuerst zweier, später immer mehr werdender, Visionäre wurden Schritt für Schritt Erfolge sichtbar. Zusammen mit dem Europäischen Zentrum für Erneuerbare Energien (EEE) entstand ein nachhaltiges Energiekonzept. Güssing wurde energieautark durch die Verwertung bis dahin ungenutzter Biomasse. 

Langfristig günstige Energiepreise überzeugten bisher über 50 Unternehmen, sich im Ort anzusiedeln. Mehr als 1.000 Arbeitsplätze sind entstanden. Das „Modell Güssing“ umfasst heute neben dem EEE ein Technologiezentrum mit 70 Mitarbeitern, Kooperationsbeziehungen mit mehreren Wissenschaftsinstituten, Dienstleistungen in Form von Energiekonzepten weltweit, Arbeitsmarkt- und Berufsförderung, Schulpartnerschaften und vieles mehr. 

Kinder wachsen nicht nur zweisprachig, sondern mit dem Thema Energie auf. In Güssing steht z. B. die einzige Solarschule Österreichs, eine von weltweit 37.

Touristisch und kulturell ist Güssing inzwischen ein Insidertipp. Das ÖkoEnergieland – Logo ist ein „Grüner Energietropfen“, den man zusammen mit verschiedenen Holzobjekten entlang der Energieroute findet.  

Heute kann die Region mehr Wärme erzeugen als gebraucht wird. Bis zu 300 Kilometer Gasleitungen werden demnächst in Regionen verlegt, die noch nicht angeschlossen sind. In jedem Ort im „ökoEnergieland“ soll es eine Gastankstelle geben. Großen Wert legt man auf die Vielfältigkeit der technologischen Verwertung lokaler Ressourcen, z. B. indem biogene Reststoffe in Gas umgewandelt und dieses gekoppelt zu Strom, Wärme oder Synthesetreibstoffe veredelt wird. Reststoffe, wie z. B. Gärsubstrate aus Biomasseanlagen, werden wieder auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht.

Ein Beispiel für die Übertragbarkeit der dortigen Ideen: Die Stadt Göteborg, etwa hundert mal so groß wie Güssing, übernimmt das Prinzip einer Methanisierungsanlage zur Erzeugung hochwertigen Biogases. 

Für Thüringen auf dem Weg zur Energiewende kann die Reise durchaus einen Impulsgeber darstellen. Thüringen als Ganzes, aber auch Gemeinden und Kreise, stellen sich der Aufgabe, die Energiewende hin zu Dezentralität und Nutzung erneuerbarer Energieformen zu meistern. Einige Schritte wurden bereits unternommen, viele müssen noch folgen. Die LINKE in Thüringen möchte den Prozess weiterhin gern begleiten.

Dr. Barbara Glaß