Heidenspaß statt Höllenangst!

Den ankündigten Papstbesuch in Deutschland haben viele Menschen zum Anlass genommen, sich intensiv und kritisch mit der katholischen Kirche auseinander zu setzen, inklusive eine Strafanzeige gegen das Kirchenoberhaupt.

Der für September 2011 angekündigte Besuch in der Bundesrepublik von Joseph Ratzinger, Papst der Katholischen Kirche, wirft längst seine Schatten voraus. Der öffentlich-rechtliche Fernsehsender mdr wird zum Transmitter der Freude der Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht über den geplanten Besuch. So darf sie dort von einem „Traum vieler Thüringer“, der in Erfüllung gehe, fabulieren und sogleich die Mär von den „christlichen Werten in unserer Gesellschaft“ verbreiten. Unterdessen meint der Erfurter Bischoff Wanke mitteilen zu müssen, dass „möglichst viele Menschen … die Möglichkeit bekommen [sollen], den Papst zu sehen“. Warum eigentlich? Die Berichterstattung strotzt nur so von religiöser Besoffenheit.

Die zivilisierten Gesellschaften des 21. Jahrhunderts haben mit den der christlichen Religion zu Grunde liegenden Werten so wenig zu tun, wie Schlagsahne mit gesunder Ernährung. Zu Recht weist der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy in anderem Zusammenhang darauf hin, dass seit Gründung der Bundesrepublik eine „Leitkultur“ existiere, für die es einen Begriff gibt: Grundgesetz. Die darin enthaltenen Werte und Grundrechte sind Ergebnis der Aufklärung und des Humanismus und stehen in deutlichem Widerspruch zu den zehn Geboten, die immer wieder zur moralischen  Institution durch Christen selbst beschönigend verklärt werden.

Eine Diskussion über die in Teilen bereits aufgehobene Trennung von Staat und Kirche, über die Gefahren religiösen Glaubens und über die wahrzunehmende Rückeroberung gesellschaftlicher Lebensräume durch die christliche Religion muss dringend geführt werden und darf nicht aus falsch verstandener Toleranz und einer vermeintlichen Verpflichtung zur Achtung „religiöser Gefühle“ gemieden werden.

Den Besuch Joseph Ratzingers in der Bundesrepublik haben nun Menschen für eine offensive Auseinandersetzung mit dem System der katholischen Kirche zum Anlass genommen und im Februar 2011 eine „Strafanzeige gegen Dr. Joseph Ratzinger, Papst der römisch-katholischen Kirche wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingereicht. Im Kern werfen die Anzeigeerstatter Ratzinger vor, dass er als Papst für „Aufrechterhaltung und Durchsetzung eines angsterregenden Kirchenregiments“ verantwortlich ist und als Präfekt der Glaubenskongregation seiner Kirche stellvertretend für den damaligen Papst an entscheidender Stelle mitverantwortlich war. Thematisiert werden die Zwangsmitgliedschaft durch die Kindstaufe, durch die Kirche ausgeübter Psychoterror sowie ein durchgesetzter „Glaubens- und Gewissenszwang … mit Drohungen des denkbar schwersten Übels ewiger Höllenqualen“. Weiterhin werfen die Antragsteller Ratzinger die „Schirmherrschaft über die Sexualdelikte des Klerus“ sowie eine Mitverantwortung am Tod tausender Menschen durch das „mörderische Kondomverbot“ vor.

Eine öffentliche mediale Reaktion oder Auseinandersetzung mit der Anzeige erfolgt nicht. Einige werden sie schmunzelnd als das Werk radikaler Atheisten abtun und Andere werden empört sein, wie man die „honorigen“ Vertreter der unsere Gesellschaft prägenden Weltreligion – religiös begründet oder nicht – verteufelt. Es ist zu befürchten, dass die Feststellung der Anzeigeerstatter, dass „die traditionelle Ehrerbietung gegenüber der ‚kirchlichen Obrigkeit’ … das Rechtsbewusstsein“ bislang trübte, auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch nicht überholt ist. Aber die Antwort auf die Frage, warum die Kirche nach wie vor Inhaberin ökonomischer und auch rechtlicher Privilegien sein kann, ist längst überfällig.

Es ist nicht unberechtigt – wie in der Strafanzeige – festzustellen: „Wenn eine neue religiöse Gruppe ihre Mitglieder mit massivem psychischen Druck dazu zwingen würde, ihre Neugeborenen in die Gruppe einzugliedern, um die Gruppe ein Leben lang zu finanzieren und sich in allem nach den Direktiven der Gruppe zu richten, würde man diese als „Sekte“ bezeichnen. Der Staat würde die Organisation womöglich auflösen und die „Sektenführer“ wegen Nötigung und Erpressung bestrafen, umso mehr, wenn die Gruppe auch keine Austritte dulden würde, sondern diese unter Androhung schwerster Strafen verhindern und dadurch bei vielen ihrer Mitglieder schwere seelische Schäden und Beeinträchtigungen ihrer Entfaltungsfreiheit hervorrufen würde. Kann dies beim gleichen Sachverhalt anders sein, bloß weil es sich um eine Organisation handelt, die sich nicht nur einigen wenigen gegenüber, sondern weltweit so verhält und sich „römisch-katholische Kirche“ nennt und ständig von Religionsfreiheit spricht, aber Andersgläubigen „Sektenbeauftragte“ an den Hals hetzt?“

Der Papst-Besuch ist aber auch in anderer Hinsicht ein guter Anlass: Mit Menschen darüber ins Gespräch zu kommen, statt sich in Heilsversprechen zu verlieren und an ein Jenseits zu hoffen, für ein gerechtes aber auch spaßvolles Diesseits zu sorgen, ganz ohne Angst vor Höllenqualen. Es gibt eben nur ein Leben, das wir selbst schöpferisch gestalten können und auch sollten.

Die Strafanzeige im Internet: kanzlei-sailer.de/papst-strafanzeige-2011.pdf

Wissens- und Lesenswertes gibt es bei der Giordano-Bruno-Stiftung (Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus) unter: www.giordano-bruno-stiftung.de/


Steffen Dittes