Eine lohnenswerte Investition in die Infrastruktur?

So mancher Fußballfan hat lange davon geträumt, jetzt ist die Chance für den Stadionumbau groß wie nie, aber können die Städte tatsächlich jenseits des Spitzensports profitieren?

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Fußball die Menschen quer durch alle Gesellschaftsschichten zusammen bringt. Natürlich darf, ja man muss auch vieles am modernen Fußball kritisieren. Die viel zu hohen Gehälter und der alles beherrschende Kommerz, der die liebgewonnenen Traditionen und die Fankultur zerstört. Trotzdem hat der Fußball auch und gerade in Thüringen einen enormen Reiz. Treffen der FC Rot-Weiss Erfurt und der FC Carl Zeiss Jena aufeinander, sind 10.000 Zuschauer und mehr keine Seltenheit. Geld für neue Stadien, die sich die Fans schon lange wünschen, können weder RWE noch FCC aufbringen. Mit Fördergeldern von Bund und Land hat sich nun eine überraschende Möglichkeit eröffnet. 


Konzept aus dem Wirtschaftsministerium

Die Kosten für den Bau der beiden Stadien liegen nach Auskunft des Thüringer Wirtschaftsministers Matthias Machnig (SPD) bei insgesamt etwa 50 Millionen Euro. Knapp neun Millionen müssen davon die Städte Erfurt und Jena übernehmen. Der Rest kommt aus der Bund-Länder Gemeinschaftsinitiative Regionale Wirtschaftsförderung, kurz GRW. Das bedeutet konkret, Thüringen bekommt 20 Millionen Euro an Fördermitteln vom Bund. Der Wirtschaftsminister rechnet damit, dass das Land etwa sieben Millionen Euro pro Jahr, über drei Jahre aufbringen muss.  „Das ist für das Land sehr maßvoll und finanzierbar. Ein Stadion bezahlt das Land und eines der Bund. Das Ganze hat aber die Grundvorraussetzung, dass es keine reinen Sportstadien sein dürfen, sondern die wirtschaftliche und kulturelle Nutzung der Multifunktionsarenen im Vordergrund stehen muss. Nur so können Erfurt und Jena eine Förderung von 90 Prozent des Gesamtvolumens erhalten“, erklärt Machnig. Bisher habe er persönlich sehr viele positive Rückmeldungen erhalten.  Trotzdem ist verschiedentlich auch Kritik an der Entscheidung zu vernehmen. Als Absurd bezeichnete beispielsweise der Thüringer Landeselternverband die Kosten von 50 Millionen Euro, angesichts der massiv steigenden Kita-Beiträge. Diese Vorwürfe sind für Machnig nicht nachvollziehbar. „Es kommen jetzt Leute, die sagen, man solle die Gelder lieber für soziale Projekte investieren. Das ist aber gar nicht möglich, denn diese Mittel sind zweckgebunden. Für Kitas steht das Geld gar nicht zur Verfügung. Wir können damit auch nicht einfach so Sportplätze sanieren. Dafür gibt es andere Töpfe, die nicht in meinem Ministerium angesiedelt sind.“ Wirkliche Gegner des Projektes sieht Machnig ohnehin nicht, seiner Auffassung nach wird zu viel „herbeigeredet“, werden „Äpfel mit Birnen vergleichen“

Klar scheint, dass dies de facto die allerletzte Chance ist, die Stadien umfassend zu sanieren, denn die Fördergelder werden in den nächsten Jahren deutlich zurück gefahren. „Alles was wir bis 2013 nicht machen, wird danach gar nicht mehr passieren“, verdeutlicht Machnig die Dringlichkeit der Entscheidung.        

Das Finanzierungskonzept aus dem Wirtschaftsministerium steht, aber ist auch das Nutzungskonzept von zwei Multifunktionsarenen in nur 50 Kilometer Entfernung tragfähig? „Wir werden in beiden Stadien einen Business-Bereich haben. Dort können Wirtschaftsveranstaltungen, Ausstellungen, Empfänge, Kongresse und vieles mehr stattfinden,“ erklärt Machnig. Die Gefahren einer Konkurrenzsituation in Sachen Veranstaltungen zwischen Jena und Erfurt auf der einen Seite oder zwischen der Erfurter Messe und dem Stadion auf der anderen, sieht der Wirtschaftsminister nicht. „Wir brauchen eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur, die auch über attraktive weiche Standortfaktoren verfügt. Genau da schließen wir mit den Stadien eine Infrastrukturlücke in Thüringen.“ 

Machnig und seinem Ministerium kann man attestieren, dass sie ihre Hausaufgaben erledigt haben. Auch wenn längst noch nicht alle Fragen beantwortet sind, das Finanzierungskonzept steht. Nun liegt der Ball in den Stadträten von Erfurt und Jena, die  sich in den nächsten Wochen entscheiden müssen. Die SPD-Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Albrecht Schröter, begrüßten bereits ausdrücklich das vorgestellte Konzept. 


„Psychologisches Problem“ in Erfurt 


Für den Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Erfurter Stadtrat, André Blechschmidt, muss der momentane Zustand des Steigerwaldstadions der Ausgangspunkt der Debatte sein. „An der Tribüne ist immer mal etwas gemacht worden, aber das Marathontor und die Traversen sind marode. Deshalb hatten wir bereits 2009 im Stadtrat den Beschluss gefasst, wenn das Geld da ist, die Sanierung anzugehen.“ Damals stand die Summe von acht Millionen Euro im Raum. Damit hätte man ein so genanntes Hybridstadion – wo Leichtathletik und Fußball stattfinden können – erhalten, aber keine Multifunktionsarena, die größere Möglichkeiten jenseits von Sportveranstaltungen bietet. Jetzt steht „nur“ noch die Summe von 4,8 Millionen Euro im Raum. „Daraus ergibt sich ein „psychologisches Problem“, erklärt André Blechschmidt. „Es kostet die Stadt weniger Geld und das Stadion ist auch noch vielfältiger. Aber damit beginnen die Probleme erst, denn auch dieses Geld muss irgendwo herkommen und der städtische Haushalt gibt es momentan nicht her.“ 

Gegen Kürzungen im Sozialbereich hat sich DIE LINKE bisher immer erfolgreich gestemmt. Daran soll auch jetzt festgehalten werden. So bleibt noch die Finanzierung über Neuverschuldung, aber auch hier hegt nicht nur André Blechschmidt Zweifel, denn die anfallenden Zinsen würden den finanziellen Spielraum der Stadt über Jahre einengen. Nicht vollständig überzeugt ist der Fraktionsvorsitzende vom bisher bekannten Nutzungskonzept. „Gehen wir davon aus, dass wir im Jahr mit Fußball und anderen Sportarten auf 30 größere Veranstaltungen kommen, bräuchten wir noch 90 weitere, um die angestrebten 120 im Jahr zu erreichen. Das ist ein Problem. Die Investitionskosten für den Bau sind eine Sache, die Betreibung und die damit verbundene Struktur und das noch zu beschreibende Konzept ein Weiteres. Nicht zu unterschätzen ist der immer noch hohe Stand des Sanierungs- und Rekonstruktionsstaus bei anderen kleinen und mittleren Sportstätten, die schon seit Jahren immer wieder mit der Begründung, dass keine finanziellen Mittel im Stadt- und Landeshaushalt vorhanden sind, zurückgestellt werden“, fasst Blechschmidt den nun anstehenden Diskussionsbedarf zusammen.

Überraschung und Skepsis in Jena


In der Saalestadt waren viele erstaunt über die Entscheidung aus dem Wirtschaftsministerium. „Von null auf hundert ist es plötzlich möglich, das Stadion umzubauen. Bei aller Freude über den Geldregen, müssen wir besonnen bleiben und zunächst klären, welche Unterhaltskosten auf die Stadt zu kommen. Uns muss klar sein, sollte sich der Stadtrat für einen Umbau entscheiden, werden andere Projekte nicht möglich sein. Hinsichtlich der Aufbringung eines Eigenanteils von vier Millionen Euro aus dem städtischen Haushalt muss bei aller Freude benannt werden, welche Projekte betroffen sind“, erklärt Jens Thomas, Fraktionsvorsitzender der Jenaer LINKEN. Hier sei eine Abwägung notwendig. Er bemängelt, dass bislang weder ein Nutzungs- noch ein Betreibungskonzept für ein neues Stadion vorliegt. „Es gibt es in Jena bereits einen hohen Erwartungsruck an die Stadträte, weil sich Politiker jenseits aller Parteigrenzen offen für den Umbau ausgesprochen haben. Was das Nutzungskonzept angeht, hat „JenaKultur" bereits Bedarf für das jährliche Großereignis Kulturarena angemeldet.“ Jens Thomas kann sich allerdings nur schwer vorstellen, dass das Stadion tatsächlich ganzjährig mit Veranstaltungen jenseits des Fußballs genutzt werden kann. „Ich hoffe, dass die Diskussion jetzt in Gang kommt und wir am Ende eine ausgewogene Lösung finden werden. Das Geld könnte die Stadt aufbringen, aber wir brauchen gleichzeitig auch Millionen für Investitionen in neue Grundschulen, Kindergärten sowie für Soziales und Kultur,“ fasst der Fraktionsvorsitzende zusammen.


Fazit: jetzt oder nie


Eine solche Chance an topmoderne Stadien zu kommen, wird auf absehbare Zeit nicht wieder kommen. Auch der Vorsitzende der Thüringer Linksfraktion, Bodo Ramelow, spricht sich für den Umbau aus: „Hier werden keine überflüssigen Spaßbäder in die Landschaft gestellt, sondern altehrwürdige Stadien sinnvoll um- und ausgebaut sowie grundlegend ertüchtigt. Dies ist gut für beide Fußballvereine, aber noch besser für die Städte Erfurt und Jena, denn gerade auch für Großevents im Sport, in der Kultur oder bei anderen Massenveranstaltungen werden solche Arenen gebraucht“, sagt Ramelow. Trotzdem müssen in den nächsten Wochen noch viele Fragen hinsichtlich des Nutzungskonzeptes und den anfallenden Betriebskosten geklärt werden. Lässt sich der Umbau z. B, mit erneuerbaren Energien und Energieeffizienz verbinden, wodurch die Kosten sogar sinken? Sollte sich massiver Widerstand regen, wäre die direkte Einbindung der Bürgerinnen und Bürger von Jena und Erfurt zumindest eine Überlegung wert. Letztlich ist es eine Frage der Prioritäten, die es sachlich abzuwägen gilt, bevor die Entscheidung getroffen wird und die Bagger anrollen.                


Thomas Holzmann