Ein Thüringer Maler – Otto Knöpfer zum 100. Geburtstag

Eine Erinnerung an den großen Künstler, der mit seinen Werken die einzigartige Schönheit der Thüringer Natur und Landschaft eingefangen hat. Dabei vertraute er ganz seiner geschulten Beobachtungsfähigkeit und empfand Freude am unendlichen Formenreichtum der Natur.

Zeitlebens bewahrte der Erfurter Künstler Otto Knöpfer seine Leidenschaft, Landschaften malerisch oder graphisch zu ergründen, in erster Linie und am häufigsten die Thüringer Landschaft. Aber immer wieder näherte er sich auch Gegenden außerhalb der heimatlichen Flur, wohl nicht zuletzt aus dem Antrieb, das Charakteristische des Thüringischen aus Vergleichen genauer zu erfassen. Viele Reisen führten ihn in verschiedene europäische Länder.

Seine Naturerkundungen reichten vom Nahgesehenen und Intimen, zum Beispiel einer Quelle oder einer Silberdistel, bis zu großen Panoramen mit weiten Horizonten wie der Drei-Gleichen-Landschaft. Diesem beliebten Sujet fühlte er sich mit besonderer Beständigkeit schon seit 1947 und bis zum Lebensende verbunden. Verinnerlichung in das jeweilige Eigenleben des Kleinen oder Großen, der Mikrowelten oder des Universums galt ihm  als Auslöser des Darstellungsprozesses.

Wie kein zweiter Thüringer Künstler seiner Zeit erfasste Otto Knöpfer die weich modellierte Plastizität der Täler und Höhen, die eigenartige Vegetation der Kalkböden, deren Struktur und Farbigkeit, die Flora mit Silberdisteln, Hagebuttenhecken und Schlehenbüschen, ebenso die Besonderheit jahreszeitlicher Stimmungen, die spezifischen farbigen und strukturellen Zuständlichkeiten von Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Auch Baumschicksalen von der Blüte bis zum Absterben widmete er seine Aufmerksamkeit. Er beobachtete und reflektierte sowohl die unberührte menschenleere Naturlandschaft als auch die kultivierte mit Roggenernte und Heumahd.

Philosophische Hintergründigkeit blieb Knöpfer wohl fremd. Das Werden und Vergehen der Natur in mythologischen Sentenzen eines Stilllebens mit welkenden Blüten und Früchten, einem aus dem Nest gefallenen Vogel oder einer Uhr zu verkörpern und zu symbolträchtiger Bedeutsamkeit zu stilisieren, wie das die holländischen Meister des 18. Jahrhunderts so trefflich vermochten, regte ihn nicht an. Er vertraute ganz seiner geschulten Beobachtungsfähigkeit. Er empfand Freude am unendlichen Formenreichtum der Natur, sinnliches Vergnügen an der Stofflichkeit der Blüten, Blätter und Hölzer, an der Melodie von Wuchsformen und Farbklängen.

Knöpfer ist zwar in Arnstadt geboren, aber in Holzhausen auf dem Lande in dörflicher Umgebung aufgewachsen. Seine täglichen Wanderungen zwischen dem Heimatdorf und Arnstadt hinterließen vermutlich prägende Eindrücke von Thüringer Landschaft. Er hat Räume mit den Füßen und den Augen erwandert. Immer trieb es ihn auch später, Räume zu durchstreifen über Berg und Tal, den Blick schweifen zu lassen. Daraus resultierte vielleicht die Lust, Landschaften vorrangig als gestaffelte Draufsichten aus der Vogelperspektive darzustellen, Bildräume, in denen auch das Auge des Betrachters spazieren gehen kann. Hier drängt sich der Vergleich zu Kompositionen des deutschen Romantikers Caspar David Friedrich auf, der u. a. durch seine „Sehnsuchtslandschaften“, seine scheinbar unendlichen Räume, die den Betrachter geradezu bis zum Horizont in die Bildgründe hineinziehen, in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Knöpfer hat mehrfach diese Dynamik provoziert und wie Friedrich Rückenfiguren als „Bewegungsverstärker“, Regenbogen und Lichterscheinungen als „Raumerschließer“ eingesetzt.

Knöpfer war kein Heimatmaler, aber ein heimatverbundener Künstler. Seine Sehnsucht nach Harmonie fand in der Thüringer Landschaft ihr Echo. Deren sanfter Charakter entsprach dem des Malers. So hat sich Otto Knöpfer zwar auf verschiedenen Gebieten der Malerei und Graphik, in unterschiedlichen Bereichen wie Porträt und Figur bewährt, aber als einer der intensivsten und beständigsten Entdecker und künstlerischen Gestalter der Thüringer Landschaft und ihrer Dörfer, Bäume, Pflanzen und Blumen sein Bestes geleistet. Freilich kann man darüber streiten, ob seine Porträtkunst, vor allem die der frühen Jahre, nicht gleichberechtigt im Qualitätsanspruch den Landschaften zur Seite steht.