Die Drohnentechnologie ist das Tor zur weiteren Privatisierung des Krieges

Ein Verwendungszweck im Sinne der Landesverteidigung nach dem Grundgesetz haben Drohnen nicht, dafür aber jede Menge Gefahren für die Demokratie und den Rechtsstaat. Grafik: IMI Tübingen

Schon Clausewitz beschrieb den Krieg als Chamäleon, das immer wieder sein Erscheinungsbild ändert und wie bei vielen anderen zentralen Annahmen ist Clausewitz auch in dieser Frage noch immer voll auf der Höhe der Zeit. Bereits unmittelbar nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes kam der Begriff der „Neuen Kriege“ auf, in dem sich nicht mehr zwei oder mehrere Staaten feindlich gegenüber stehen, sondern ein oft diffuses Gemisch unterschiedlichster, oft privater Akteure, die alle ihre eigenen Interessen verfolgen – der Frieden gehört in der Regel nicht dazu. Intervenieren die westlichen Staaten militärisch, spricht man häufig von asymmetrischer Kriegsführung: auf der einen Seite der Taliban, der mit Fahrrad und AK-47 eine Sprengfalle deponiert, die Bundeswehr mit modernster, hochgerüsteter Waffentechnik auf der anderen Seite. Eine noch neue, aber keineswegs unbekannte Waffe, die das todbringende Arsenal bald bereichern soll, ist jetzt aus dem Schatten getreten: die Drohne, das unbemannte Luftfahrzeug. 


Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hatte am 15. März Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung Tübingen in die „Offene Arbeit“ eingeladen, um über die alarmierende Entwicklung umfassend zu informieren. Ende Februar hatte sich bereits der Bundestag mit dem Thema beschäftigt, weil DIE LINKE den Antrag „Keine Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr“ eingebracht hatte.  Dabei lasse sich die Bundesregierung nicht nur auf diese Debatte ein, sondern forciere sie sogar noch, so Christoph Marischka. Deutlich machte der Friedensforscher diese Haltung mit einer Aussage von Verteidigungsminister de Maizire, der in der Springerzeitung  „Die Welt“ Drohnen als „ethisch neutrale Waffe“ bezeichnet hatte.


Was an einer Waffe, mit der die USA im Ausland sogar eigene Staatsbürger kaltblütig und unter Verletzung sämtlicher nationaler und internationaler Rechtsnormen ermorden lässt, ethisch neutral sein soll, verstehen wohl nur Christen, die zeitgleich auch Mitglied in der CDU sind. Für Christoph Marischka ist, was auch immer die Debatte bringen wird, sicher: „ Die Drohnentechnologie ist das Tor zur weiteren Privatisierung des Krieges“. Auch sei hier der Grundstein für eine weitere Automatisierung des Krieges gelegt. Oder anders gesagt: „Der Alltag des Krieges wird in Algorithmen verlegt.“ Damit kommt natürlich auch den Programmierern eine gehörige ethische Verantwortung zu, über die öffentlich kaum geredet wird. Die Industrie, die bereits auf Milliardenaufträge hofft, behauptet, die Drohnen seien eine zivile Technologie. Doch Christoph Marischka weiß: auch der Ausgangspunkt war militärisch. Ohnehin sei die Entscheidung über die Anschaffung der Drohnen längst gefallen, deswegen wolle man jetzt auch die Debatte, damit man am Ende sagen könne, es hätte eine öffentliche Diskussion, aber keinen Widerstand gegeben. 


Die USA setzen bewaffnete Kampfdrohnen bereits seit Beginn des so genannten Krieges gegen den Terror ein. Zur ersten gezielten Tötung kam es im Jemen schon 2002. Warum gab es damals keinen Aufschrei? Immerhin befand sich die USA zu keiner Zeit im Kriegszustand mit dem Jemen. „Westliche Medien glauben den Augenzeugen vor Ort einfach nicht“, schätzt Marischka ein. Die Gesamtopferzahl von Drohnennangriffen dürfte derzeit bei etwa 10.000 liegen. Problematisch sei hier eine Unterscheidung in Zivilisten und sonstige Getötete. „Ohne Verfahren zu töten, ist auch bei Terroristen nicht legitim“, so Marischka. Zumal die Todesstrafe zu Recht in ganzen EU verboten ist. Überhaupt ist die Legitimität von Drohneneinsätzen hochproblematisch. In den USA ist dafür nicht das Militär, sondern die CIA zuständig. „Die Folge ist, dass sich Militär und Geheimdienst vermischen und das Parlament komplett außen vor ist.“ 


Auch in Deutschland kamen Drohnen schon zum Einsatz, vor allem bei Fußballspielen. Vermutlich aber auch beim G-8 Gipfel 2007 in Heiligendamm sowie bei Großdemonstrationen, wie gegen die Naziaufmärsche in Dresden am 13. Februar. „Die Vision ist, über jeder Stadt eine automatische Netzwerkanalyse durchführen zu können“, blickt Marischka in die Zukunft des Cyberkrieges. Zur Auswertung der Daten bzw. der Bilder helfen moderne Verfahren wie Indect – die automatische Gesichtserkennung. George Orwells „1984“ wird zum bedrohlichen Alltag. Funktioniert die Automatisierung, können Aufklärungsdrohnen über einer Stadt kreisen, alle Daten erfassen und sobald ein vermeintlicher Terrorist sein Haus verlässt, greifen die mit Zieldaten gefütterten Kampfdrohnen vollautomatisch an. 


Eine Verwendung für die Landesverteidigung im Sinne des Grundgesetztes haben Drohnen für Christoph Marischka nicht. Drohnen sind eine Waffe, die vor allem im Ausland zum Einsatz kommen werden. Für die Militärs bieten sich viele Vorteile. Vor allem verhindern Drohnen eigene Verluste an Soldaten. So kann man die Soldaten, von im so genannten Krieg gegen den Terror verbündeten Staaten, die Drecksarbeit machen lassen, während die eigenen Offiziere vom heimischen Büro aus Krieg per Joystick führen. Darauf werden zukünftige Generationen seit Jahren mit einer Flut von Kriegscomputerspielen vorbereitet. Ganz gezielt scheinen Waffenlobby und Militärs auf  einen gewissen „Coolnessfaktor“ zu setzen, mit dem sie für ihre Todestechnologie auf Sympathiefang gehen. 


Ein Problembewusstsein für die Gefährlichkeit von Drohnen, nicht nur für Leib und Leben, sondern für  Demokratie und Menschenrechte, ist unter solchen Vorraussetzungen natürlich nur schwer zu erzeugen, zumal viele Medien auf Seiten der Militaristen und Kriegshetzer zu stehen scheinen. Besonders perfide und zugleich vollkommen falsch ist die  Argumentation, mit Drohnen wäre die Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg zu verhindern gewesen. „Hier wird eine Katastrophe  für militärische Propaganda miss-braucht“, kritisiert Chistoph Marischka. Leider ist das kein Einzelfall. 


Umso mehr ist es an der Zeit für Widerstand, gerade und besonders in Thüringen. Denn auf dem schon stillgelegten Truppenübungsplatz in Ohr-druf werden Luna-Drohnen getestet. Im Erfurter Heereslogistikzentrum werden ab dem nächsten Jahr die zukünftigen Kriege um Rohstoffe und Geostrategie geplant. Am Gründonnerstag in Erfurt (17:00 Uhr, Anger) und am Karsamstag in Ohrdruf (10:00 Uhr Bahnhof) wird es auch in diesem Jahr wieder Ostermarsch-Aktionen geben, doch eine breite und mächtige Friedensbewegung ist nicht in Sicht. Wie gut, dass es Institutionen wie das IMI und Experten wie Christoph Marischka gibt, die eine unverzichtbare Aufklärungsarbeit leisten. Alle weiteren Details über die Drohnentechnologie können Sie in einer IMI-Bröschüre (factsheet) nachlesen. Sie steht zum kostenlosen Download auf www.imi-online bereit oder per Post : 

Informationsstelle Militarisierung

Hechinger Straße 203

72072 Tübingen    

      

Thomas Holzmann