Der Traum von der Modellkommune für direkte Demokratie

Katja Wolf, OB-Kandidatin für DIE LINKE. Eisenach, will die Probleme der Zeit anders angehen, um die Potentiale der Stadt voll ausschöpfen zu können. Ihr Ziel ist die Modellkommune für direkte Demokratie.

Eigentlich ist Katja Wolf eine original „Erfurter Puffbohne“, 1976 geboren und aufgewachsen in der Landeshauptstadt, wo sie auch ihr Studium der Sozialpädagogik im Jahre 1999 mit Diplom abschloss. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon lange Mitglied in der damaligen PDS, eingetreten just mit der Vollendung des 16. Lebensjahres 1992. Und das in einer Zeit, des „Endes der Geschichte“, als linkes Denken nicht gerade besonders salonfähig war. Die Ablehnung, die Vielen damals entgegen schlug, war sicher auch ein Grund für sie zu sagen: „jetzt erst recht“. In erster Linie begann Katja Wolfs politisches Engagement mit dem Einsatz für den Erhalt des Jugendradios DT 64, wobei sie in der PDS den wichtigsten Verbündeten fand. „Es war damals eine ganz bewusste Entscheidung, auch weil die Genossinnen und Genossen am fairsten mit uns umgegangen sind und am besten zugehört haben“, erinnert sich Wolf. „Klar habe ich damals auch schon von einer besseren und gerechteren Gesellschaft geträumt und nach Alternativen zum Kapitalismus gesucht, aber ausschlaggebend war damals vor allem die Offenheit der Partei jenseits von festen politischen Grenzen.“


„Eine Gesellschaft ist immer nur so gut, wie sie mit ihren schwächsten umgeht“, heißt das politische Leitmotiv von Katja Wolf. Darauf sollte ihrer Meinung nach die Politik das Hauptaugenmerk richten: nicht auf bloße Gleichmacherei, sondern auf echte Chancengerechtigkeit. Ein gelebter Traum, an der die Sozialpädagogin auch ihre Tagespolitik ausrichtet. Seit 1999 versucht sie nun genau das als Abgeordnete im Thüringer Landtag in die Tat umzusetzen. Zunächst als Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses, seit 2004 als umweltpolitische Sprecherin. Der weitere Werdegang als Landtagsabgeordnete ist verantwortlich für den Wohnortwechsel von Erfurt nach Eisenach, wo sie seit 2004 auch im Stadtrat sitzt. „Wenn ich Politik ernst nehmen will, heißt das für mich, auch in der Region zu wohnen, für die ich mich täglich einsetzte. Ich habe es  niemals bereut, dass ich damals nach Eisenach gegangen bin, auch wenn ich Erfurt natürlich immer noch sehr mag.“ Dass sie längst in der Wartburgstadt angekommen ist, zeigte sich zuletzt bei der Landtagswahl 2009 als Katja Wolf in der sonst eher schwar-zen Hochburg das Direktmandat erringen konnte. Ihr stetiger Kampf, in ihrer neuen Funktion als umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion, gegen die Versalzung der Werra durch K+S, dürfte dazu sicher einen gehörigen Teil beigetragen haben. 

Im Jahr 2012 gehört Katja Wolf nun zu den 51 Kandidaten, welche DIE LINKE am 22. April ins Rennen um die Oberbürgermeister und Landräte in Thüringen schickt. Die Chancen dafür stehen sicher nicht schlecht, zumindest das Erreichen der Stichwahl am 6. Mai ist absolut realistisch. Der amtierende OB Matthias Doht (SPD) macht es den Wahlkämpfern momentan recht leicht, denn es wird immer deutlicher, dass er gemeinsam mit dem früheren CDU-Innenminister Christian Köckert in einen schwarz-rosa Filz verwickelt ist. DIE LINKE hatte schon seit Jahren die enge Verquickung von OB Doht und Christian Köckert heftig kritisiert. „Die enge Verflechtung von öffentlichen und privaten Interessen halte ich für eine Katastrophe“, sagt Katja Wolf. Neuerdings ist  der Staatsanwalt ebenso dieser Meinung und ermittelt gegen den früheren Landesinnenminister sowie den Oberbürgermeister. Auch wenn man denken könnte, dass derartige Skandale eher Wähler abschrecken, kann Katja Wolf aus der Hochphase des Wahlkampfes anderes berichten. „Zurzeit sind die Menschen, die sagen, sie gehen nicht wählen an den Infoständen eher in der Minderheit, gerade wegen der ganzen Diskussion um Korruption und Filz. Vorteil ist auch, dass sehr viele ganz unterschiedliche Kandidaten im Angbot sind.“ Ein anderes Problem ist dagegen, dass immer wieder Leute sagen, sie könnten sich vorstellen, Katja Wolf zu wählen, werden aber in altdeutscher, antikommunistischer Tradition von der Partei DIE LINKE abgeschreckt. „Für mich ist das relativ einfach, denn tief im Herzen bin ich links und die meisten lassen sich überzeugen, dass gerade bei einer Kommunalwahl die Parteizugehörigkeit keine so große Rolle spielt, wie auf Landes- oder Bundesebene. Oft kann man die Leute auch überzeugen, dass DIE LINKE mit DDR und SED nicht einfach gleichgesetzt werden kann“, berichtet Wolf vom Straßenwahlkampf. 

Eine weitere Diskussion, die immer wieder auftritt ist: Wenn DIE LINKE regiert, bekommt Eisenach kein Geld mehr aus Erfurt. „Denen sage ich immer, in Hildburghausen, wo mit Steffen Harzer seit Jahren ein LINKER im Rathaus sitzt, hat sich vieles verbessert. Sie haben unter anderem ein wunderbares Stadttheater gebaut.  Auch aus Erfurt bekommen sie mehr Geld als früher.“


Zweifelsfrei hat sich – vor allem was die Optik angeht – in Eisenach vieles positiv verändert. Kommunalpolitiker jenseits des A4-Speckgürtels kritisieren häufig die einseitige Förderpolitik des Landes. Doch aus Sicht von Katja Wolf profitiert Eisenach nicht wirklich davon. „In den letzten Jahren waren wir eigentlich immer nur das fünfte Rad am Wagen. Wir haben das Landwirtschaftsamt verloren, das Schulamt und das Katasteramt. Alle Veränderungen in den letzten Jahren gingen immer zu Lasten von Eisenach, wir haben nie etwas hinzu gewonnen. Eisenach ist die einzige Stadt, die beim Theater sowohl Etat als auch Personal halbieren musste. Seit Jahren können wir nicht mal mehr einen  Haushalt aufstellen. Dadurch können wir in der Stadtentwicklung das enorme Potential, das wir hier haben, nicht ansatzweise ausschöpfen.“ 


Diese Kritik erstaunt, denn Eisenach ist de facto das industrielle Zentrum Thüringens mit großen Firmen, wie Opel und Bosch und sollte demnach finanziell gut dastehen – Irrtum. „Wir haben zwar die meisten Industriearbeitsplätze in Thüringen, aber die Stadt kann davon nur sehr wenig profitieren. Opel und andere Zulieferbetriebe bezahlen ihre Gewerbesteuer nicht hier. Natürlich wollen wir diese Betriebe unbedingt hier halten, aber leider erleben wir auch die negativen Auswirkungen einer völlig verfehlten Steuerpolitik des Bundes.“ 


Neben der einst weltberühmten Autoindustrie – viele kennen vielleicht die Geschichte um den Lizenz-BMW, Marschall Schukow und Stalin – hat Eisenach noch ein zweites ökonomisches Standbein: den Tourismus. Zusätzlich zur Wartburg als weltweit bekanntem Wahrzeichen „atmet in Eisenach jeder Stein in der Stadt Geschichte“, findet Katja Wolf. Bach und Luther wirkten einst hier, dazu die traumhafte Landschaft am Fuße des Thüringer Waldes. „Auch hier gibt es eine ganze Menge Potential, aber es fehlt trotz manch positiver Ansätze, an einer besseren Vernetzung mit dem Wartburgkreis“. Mit anderen Worten: die Kreisfreiheit der Stadt ist überholt, genau wie die Struktur der Landkreise in Thüringen, die Wolf nicht zu Unrecht als „Kleinstaaterei“ geißelt.


Wirtschaftsförderung, Tourismus, Gebietsreform – all das sind wichtige Zukunftsfragen, die Katja Wolf zu allererst unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit angehen will. „Das unterscheidet mich besonders deutlich von den anderen Kandidaten. Es wird da noch zu stark in einzelnen Ressorts gedacht und hier ein bisschen Umwelt und da ein bisschen Soziales gemacht. Wir müssen aber viel vernetzter denken, wenn wir eine wirklich nachhaltige Politik machen wollen.“ Den größten Nachholbedarf sieht Wolf in der umweltverträglichen Mobilität. „Genau bei der Frage der Mobilität greift vieles ineinander. Es ist eine Frage der Umweltpolitik sowie der sozialen und der Generationengerechtigkeit. Wir dürfen uns auch nicht nur auf die Fragen der Elektromobilität konzentrieren und sollten keinesfalls die Fußgänger oder den Ausbau der Radwege vergessen. Andere Städte, Münster ist da so ein Musterbeispiel, machen uns das schon vor, aber in Thüringen hinken wir da noch ein ganzes Stück hinterher. “


Zu einer nachhaltigen Politik gehört auch eine andere Vorstellung von politischer Kultur. Katja Wolf verweist auf die zentrale Stellung Eisenachs bei den beiden ersten erfolgreichen Volksbegehren in Thüringen. „Wir hatten beim zweiten Begehren über Monate den völligen Ausnahmezustand. Viele Menschen haben hier im Büro jeden Tag Unterschriften sortiert. Das war eine anstrengende, aber auch sehr prägendende Zeit. Seit dem ist es mein Traum, Eisenach zu einer Modellkommune für direkte Demokratie zu machen. Ich will zeigen, man kann mit den Herausforderungen der Zeit auch anders umgehen.“ Das wird auch den Vorsitzenden des Vereins Mehr Demokratie freuen, zumal Ralph-Uwe Beck aus Eisenach kommt. Jetzt haben am 22. April die Bürgerinnen und Bürger das Wort – wird Katja Wolfs Traum von der Demokratiemusterstadt in Erfüllung gehen?