Bratwurst mit Impfstoff

In Sonneberg ließen sich 300 Menschen impfen, weil es eine Bratwurst dazu gab. Das finden viele eine tolle Idee. Aber manche schütteln auch den Kopf und würden lieber Afrika helfen.

Pro: Mir doch Wurst wie: Hauptsache Impfen!

 

Von Nicole Grießbach 

 

Die Kreativität von Impf-Anreizen für Menschen, die sich bisher den wichtigen Piks gegen Covid 19 (noch) nicht abgeholt haben, ist vielfältig.

 

So gibt es an einigen Orten dieser Welt Ziegen oder Hühner geschenkt (Indonesien), in den USA sind in nahezu allen Bundestaaten millionenschwere Impf-Lotterien ins Leben gerufen worden. Gratis Joints und Freibier zur Impfung gibt’s in (Washington), Privatpartys in Flugzeugen (Hongkong) und Bratwürste in Thüringen.

Im weltweiten Vergleich ist Deutschland mit Impf-Anreizen eher zurückhaltend. Weshalb sich nun Menschen nicht gegen das Corona Virus impfen lassen wollen, kann ganz verschiedene Gründe haben. Sicher sind bei den Debatten ums Schaffen von Impfanreizen kaum die Impfgegner im Fokus. Querdenker, die sich mit gefährlichen Falschbehauptungen zu Corona Seite an Seite mit Rechtsextremisten und Antisemit*innen die Straße teilen, dürfte auch eine Wurst nicht überzeugen.

Doch wird bei den häufig in Teilen reichlich arrogant geführten Diskussionen über Bratwurstimpfungen vor allem eins vergessen: Armut ist ein hoher Risikofaktor in der Corona-Krise!

Studien zum Verhältnis von Armut und sozialer Lage zeigen, dass sich ärmere Menschen weniger impfen lassen. Ursachen gibt es zahlreiche. Diskriminierungserfahrungen mit dem 2-Klassengesundheitssystem, kraft- und energieraubende Jobs mit 12 Stunden Schichten, kein Geld für Bustickets zum Arzt oder ins Impfzentrum u.v.m.

Die Corona-Infektionen steigen mit jedem Tag wieder leicht an, die Impfungen sinken hingegen weiter. Um im Herbst eine vierte Coronawelle mit erneuter und längst nicht erholter Sorge um Existenz und Leben zu verhindern, müssten sich mindestens 85 Prozent impfen lassen. Aktuell liegt der vollständige Impfschutz gerade mal bei 54 Prozent, von den Ländern, die noch immer auf ihren Erstimpfschutz warten, ganz zu schweigen. Es wird also weiter verschiedene Formen niedrigschwelliger Angebote brauchen, um mehr Menschen mit einem Impfangebot zu erreichen, um als Gesellschaft wieder coronafrei aufatmen zu können. Und ganz ehrlich, wer ist nicht dankbar, wenn liebgewonnene Menschen, die bisher einer Corona-Impfung mit Unsicherheit gegenüberstanden mit einer Bratwurst zum Piks bewegt werden können.

 

Kontra: Helft lieber in den ärmsten Ländern, die Menschen zu impfen!  

 

Von A. Dietrich

 

Wurde der 1. April wegen Corona dieses Jahr in den August verschoben? Anders kann ich mir Meldungen, dass sich in Sonneberg 300 Menschen nur deshalb impfen ließen, weil sie dazu eine Bratwurst bekommen haben, nicht erklären. Noch krasser in Zeitz: Dort fuhr ein Impfbus des Burgenlandkreises direkt zu einer amerikanischen Bullettenbraterei.  Was sind das eigentlich für Leute, die das in Anspruch nehmen? Morgens schwurbeln sie was von Corona-Diktatur oder Impfmücken und nachmittags lassen sie sich für ne Wurst, die Spritze reindrücken? 

Wenn kleine Kinder eine Spritze gegen Krankheiten wie Masern kriegen und sich danach ein Spielzeug aussuchen können, ist das für mich ok. Aber bei Erwachsenen? Ich finde, wer sich nicht impfen lassen will, soll es halt lassen. Und, wenn wegen der sogenannten Impfmuffel*innen jede Menge Vakzine übrig bleiben, würde ich stattdessen vorschlagen, dass wir die lieber an die ärmsten Länder in Afrika verteilen. Aus dieser nervigen Pandemie kommen wir nämlich nur raus, wenn auch die Entwicklungsländer halbwegs durchgeimpft sind. Wie sollen denn, die von Kolonialismus und Bürgerkiegen zerrütteten Länder südlich der Sahara, in denen zu oft kaum funktionierende staatliche Strukturen existieren, eine Impfkampagne wie Deutschland auf die Beine stellen? Am Ende finanziert das dann Bill Gates und gibt noch eine kostenlose Version vom neuen Windows 11 dazu. In Afrika fände ich das wiederum ganz charmant. Aber für die Verschwörungsdeppen wird das ein großes Fest.