Berechtigte Anliegen scheitern oft an Union und FDP

Durch falsche Verwaltungsentscheidungen und neue Gesetze bleibt die Zahl der Petitionen hoch. Doch trotz positiven Entwicklungen wie Online-Petitionen, oft scheitern sie an Union und FDP, kritisiert die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Kersten Steinke.

Seit nunmehr acht Jahren ist die Vorstellung und Übergabe des Jahresberichts an den Präsidenten des Deutschen Bundestages für mich als Vorsitzende des Petitionsausschusses ein jährliches Ritual. Leider muss ich feststellen, dass durch falsche Verwaltungsentscheidungen und Auswirkungen von Gesetzesreformen Beschwerden und Eingaben auch zum Ende der Wahlperiode auf einem hohen Niveau bleiben. Bei meiner Arbeit habe ich so manches erlebt und viel um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gestritten. Veranstaltungen im Wahlkreis, in Thüringen und anderswo haben dazu beigetragen, die Arbeit des Petitionsausschusses den Menschen näher zu bringen. Vielen ist nicht bewusst, dass hier die Möglichkeit einer kostenlosen Rechtsauskunft besteht, sofern die Belange von Bundesbehörden betroffen sind, wie zum Beispiel das Arbeitsamt oder das Gesundheitsministerium.

Ein entscheidender Schritt, den Petitionsausschuss nutzbarer und bekannter zu machen, kam mit dem Auftritt des Petitionsausschusses seit 2005 im Internet. Mit zwei bis drei Millionen Seitenaufrufen pro Monat ist das Internetportal des Petitionsausschusses inzwischen das meistbesuchte Internetangebot des Bundestages. Waren es vor fünf Jahren nur 13 Prozent, so gingen 2012 von den 15.724 Petitionen bereits 43 Prozent per E-Mail ein. Auch wenn die Einzelpetitionen den Hauptanteil darstellen, wurde in den vergangenen Jahren verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Petitionen von hohem allgemeinem Interesse im Internet zu veröffentlichen und online zu unterstützen. Mittlerweile sind 1,4 Millionen Nutzer beim Internetauftritt des Petitionsausschusses registriert und können die Öffentlichen Petitionen mitzeichnen oder im Forum diskutieren. Auf diese Weise wurden 526 Petitionen 2012 veröffentlicht und insgesamt über 500.000 Mal mitgezeichnet. Dank dieses Erfolges besteht reges Interesse an den Erfahrungen mit der Internetplattform sowohl national in den Bundesländern als auch international. Delegationen aus Armenien, Myanmar, Mongolei, China, Kirgistan waren u. a.  2012 zu Besuch, um sich über die Arbeit des Petitionsausschusses zu informieren.

Der Petitionsausschuss muss sich jedoch nicht an seinem Bekanntheitsgrad messen lassen, sondern daran, wie er den Bürgerinnen und Bürgern bei ihren Problemen helfen kann. Helfen kann er nur, wenn er zuständig ist. Beispielsweise gingen 2012 rund 300 Petitionen gegen den neuen Rundfunkbeitrag ein. Der Protest ist durchaus berechtigt, aber in diesem Fall sind auf Grund des deutschen Föderalismus die Bundesländer verantwortlich. Daher blieb dem Petitionsausschuss nichts anderes übrig, als die Petitionen an die Länderparlamente zu übermitteln. In den vielen anderen Fällen konnte der Petitionsausschuss bei rund einem Drittel aller Eingaben weiterhelfen, sei es auch nur durch Rat, Auskunft oder einen Verweis auf die richtige Institution. Natürlich sind es vor allem die privaten Sorgen und Nöte, mit denen sich die Menschen an den Petitionsausschuss wenden: sei es die falsch berechnete Rente, der nicht finanzierte Rollstuhl oder das abgelehnte Besuchervisum. 

Der Petitionsausschuss ist dort stark, wo er auf Behörden einwirken kann, ihr Ermessen zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger auszuüben. Insgesamt sind die Erfolgschancen von Petitionen natürlich kritisch einzuschätzen. Viel zu viele berechtigte Anliegen scheitern an der Regierungsmehrheit von Union und FDP. Darüber hinaus werden oftmals die Beschlüsse des Petitionsausschusses zugunsten von Betroffenen von der Regierung nicht umgesetzt.


Viele Petitionen zu Ostrenten  und Hartz IV aus Thüringen


Im Jahr 2012 gingen rund 800 Petitionen zum Arbeitslosengeld II ein, mehr als zu jedem anderen Einzelthema. Kontrovers diskutiert wurde der Skandal um den Bundespräsidenten Wulff. Hier wurden in fast 400 Petitionen Amtsenthebungsverfahren, die Kappung der Ruhebezüge oder eine Direktwahl des ranghöchsten Staatsvertreters gefordert. Immer wieder gingen auch Petitionen gegen die Diskriminierung von Ostrentnern und zur Rentenanpassung Ost an West ein.

Bei den Themen ALG II und Ostrenten gingen weit überdurchschnittlich viele Petitionen aus Thüringen ein. Fast ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit und zehn Jahre nach der Agenda 2010 sind die erlittenen Wunden immer noch tief. Insgesamt kamen im Berichtsjahr 439 Eingaben aus Thüringen. Damit liegt das Bundesland gemessen an seiner Bevölkerungszahl an sechster Stelle. Lediglich 21 Prozent der Petitionen wurden per E-Mail geschickt – weit unter dem Bundesdurchschnitt von 43 Prozent. Die Thüringer schreiben noch bevorzugt Briefe. 

Mein Bemühen war es stets, dass der Petitionsausschuss mehr in das Bewusstsein der Menschen – vor allem auch der jungen Menschen – rückt und, dass von dem demokratischen Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an den Bundestag zu wenden, reger Gebrauch gemacht wird. Im Internet finden sie den Petitionsasuchuss unter: 

epetitionen.bundestag.de


Kersten Steinke