Vor 60 Jahren – letzter Viertakter aus Eisenach

Dieser Pkw aus Eisenach verdient das Prädikat, letzter gewesen zu sein, gleich in zweifacher Hinsicht: Für mehr als 30 Jahre war der EMW 340 der letzte Typ, der einen Viertakt-Motor als Antriebsmaschine besaß, und er war ebenso der letzte, der das rot-weiße Emblem der Marke „Eisenacher Motorenwerke“ trug.

Von Hans-Joachim Weise 

 

 

Dieser Pkw aus Eisenach verdient das Prädikat, letzter gewesen zu sein, gleich in zweifacher Hinsicht: Für mehr als 30 Jahre war der EMW 340 der letzte Typ, der einen Viertakt-Motor als Antriebsmaschine besaß, und er war ebenso der letzte, der das rot-weiße Emblem der Marke „Eisenacher Motorenwerke“ trug. Wie begehrt noch erhalten gebliebene Fahrzeuge bei Sammlern heute sind, zeigt die Tatsache, dass für einen 1949 zugelassenen stark restaurierungsbedürftigen Wagen mit 100.000 km Laufleistung gut und gerne 4.000 € bis 6.500 € hingeblättert werden müssen. Bei restaurierten Fahrzeugen liegen die Preise je nach Alter, Laufleistung und Zustand zwischen 8.500 und 25.000 €. Noch heute ist der EMW 340 vor allem durch seine lange Motorhaube eine gewichtige Erscheinung, er wirkt wuchtig und doch gleichzeitig auch elegant, zeitlos formschön gewissermaßen. Begonnen hatte die Entwicklung des auf dem BMW 326 aufbauenden neuen Typs im Jahre 1948. Verändert wurde vor allem das äußere Erscheinungsbild, wozu in erster Linie die sich nach vorn verjüngende und abgerundete Motorhaube, der aus waagerecht angeordneten Metallstreifen bestehende dreieckförmige Kühlergrill und die in die vorderen Kotflügel integrierten Scheinwerfer beitragen. Die Motorhaube ist nicht mehr geteilt und deshalb entlang ihrer Längsachse, sondern in einem Stück nach vorn aufklappbar. War der Kofferraum bei den Vorgängermodellen nur vom Fahrzeuginneren nach Umlegen der Rücksitze und somit recht umständlich zugänglich, wurde das durch die von außen zu öffnende Heckklappe nun grundlegend geändert. Das bislang darauf befestigte Ersatzrad verschwand zusammen mit verschiedenen Pannenhilfsmitteln wie Wagenheber und Luftpumpe unter einem Zwischenboden im Kofferraum. Neugestaltet worden war ebenso das Armaturenbrett, das unter anderem eine wegen des Federwerkes in bestimmten Abständen aufzuziehende Uhr besaß.

Angetrieben wird der EMW durch einen 40 Kilowatt (55 PS) leistenden Sechszylinder-Viertakt-Otto-Motor, der ihm eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h verleiht. Zur Regelung der Kühlwassertemperatur muss der Fahrer vom Armaturenbrett aus über ein Gestänge die Kühlerjalousie öffnen oder schließen. Das Getriebe besitzt vier Vorwärtsgänge und einen Rückwärtsgang. Bei der verbesserten Ausführung EMW 340-2 wurde der Gangwechsel nicht mehr mit dem Schaltknüppel, sondern mit der damals als modern geltenden Lenkstockschaltung vorgenommen. Die Kraftübertragung erfolgt mittels Gelenkwelle und Differentialgetriebe auf die Hinterachse. Interessanterweise besaß der EMW 340 noch keine Heizung, erst der EMW 340-2 war damit ausgestattet. Die Ganzstahlkarosserie ist selbsttragend, Front- und Heckscheibe sind in der Mitte geteilt. Bemerkenswert für heutige Verhältnisse ist die Verwendung sogenannter „Selbstmördertüren“: Vordere und hintere Türen sind auf beiden Fahrzeugseiten an der mittleren Karosseriesäule, der B-Säule, befestigt, weshalb erstere nach hinten öffnen. Ist die Fahrer- oder die Beifahrertür nicht richtig geschlossen, kann sie durch den Fahrtwind aufgedrückt und die betreffende Person wegen der fehlenden, weil damals noch unbekannten Sicherheitsgurte hinausgeschleudert werden. Besaß der EMW 340 vorn zwei Einzelsitze und hinten eine durchgehende Sitzbank, gab es letztere beim EMW 340-2 auf Grund der Lenkstockschaltung auch vorn. Der EMW war als Limousine und als Kombi lieferbar. Weitere Ausführungen sind der als Lieferwagen verwendete und deshalb hinten mit einem Kastenaufbau versehene EMW 340-3 und der Sanitätskraftwagen EMW 340-4. Die Limousine wurde vor allem von Behörden und Betrieben als Dienst- und von der Deutschen Volkspolizei als Einsatzfahrzeug genutzt. Zudem gab es damals wohl kaum einen Taxibetrieb, dessen Fuhrpark nicht fast ausschließlich aus EMW bestand. Im militärischen Bereich diente er wegen der fehlenden Geländegängigkeit meist als Stabs- und Verbindungsfahrzeug. Nicht vergessen werden darf die vom Können der Eisenacher Fahrzeugbauer zeugende kurze Entwicklungszeit: 1948 begonnen wurden die ersten Pkw 1949 einer über 10.000 km führenden Erprobungsfahrt unterzogen, 1950 begann dann die Serienfertigung. Die freilich verlief keineswegs reibungslos, befanden sich doch die meisten Zulieferbetriebe nun in der BRD und da kamen die benötigten Teile, auch infolge der damals betriebenen Embargopolitik, nicht immer rechtzeitig in Eisenach an. Notgedrungen musste auf Eigenfertigung umgestellt werden, wobei die Qualität häufig nicht den Ansprüchen gerecht wurde. Zudem gab es Markenrechtsstreitigkeiten mit dem BMW-Konzern, zu dem das Eisenacher Werk bis zu Enteignung 1945 gehört hatte und dem die dortige Produktion ohnehin ein Dorn im Auge war. Am Stammsitz München lief die Fertigung dagegen nur schleppend an und nun stand das Unternehmen auch noch der ebenfalls den traditionellen Markennamen benutzenden Konkurrenz aus der DDR gegenüber. So wurde die für Eisenacher Motorenwerke stehende Abkürzung EMW ab 1. Juli 1952 auch zur Typenbezeichnung, die Farben Blau und Weiß des BMW-Emblems wichen der Kombination Rot/Weiß. Nach drei Jahren war jedoch damit schon wieder Schluss, weil die mittlerweile im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe getroffenen Festlegungen der DDR die Herstellung von kleineren Pkw mit Zweitaktmotoren zuwiesen. Also liefen 1955 die letzten EMW 340-2 vom Band, nachdem 1953, verständlicherweise nicht gerade mit Begeisterung, von Sachsenring Zwickau unter der internen Typenbezeichnung EMW 309 die Fertigung des F 9 mit Dreizylinder-Zweitaktmotor übernommen worden war. Dass die Eisenacher Fahrzeugbauer dennoch das Beste daraus machten, zeigt die auf dessen Grundlage erfolgte Entwicklung des längst zur Legende gewordenen „Wartburg“.