Mein Name ist John, meine Freunde nennen mich Jack!“ Zum 60. Jahrestag des (leider fast vergessenen) USA-Überfalls auf Guatemala

Im Juni 1954 beschloss der demokratisch gewählte Präsident Guatemalas, Jacobo Arbenz Guzman, eine Agrarreform: Die ärmsten Bauern sollten jeweils Land erhalten, das dem amerikanischen Konzern United Fruit Company gehört. Doch der hatte mächtige Freunde in der US-Regierung

Jener Ausspruch wird einem Manne zugeschrieben, der heute längst vergessen ist: John E. Peurifoy, als Botschafter der Vereinigten Staaten der sprichwörtliche Mann für's Grobe, der immer dort eingesetzt wurde, wo es darum ging, eine Beschneidung der Macht US-amerikanischer Konzerne zu verhindern oder rückgängig zu machen. Seitdem er sich Präsident Truman im State Department, dem Außenministerium, durch das Vergraulen liberaler Beamter aus den Zeiten Franklin D. Roosevelts wärmstens empfohlen hatte, wurde er zu Feuerwehreinsätzen in alle Welt geschickt: In Griechenland hatte er seine Hände im Spiel, als es galt, die im antifaschistischen Widerstandskampf erstarkte Befreiungsfront ELAM in einem von 1946 bis 1949 dauernden blutigen Bürgerkrieg auszuschalten. Fünf Jahre später gab es für ihn eine neue große Aufgabe, als es galt, Mittelamerika, das die USA seit Mitte des 19. Jahrhunderts als ihren „Hinterhof“ ansahen, vor dem „Kommunismus zu bewahren“: In Guatemala,

  mit rund 108.000 km2 damals etwa so groß wie die DDR, aber nur einem knappen Drittel von deren Einwohnerzahl, war 1944 der USA-hörige Diktator und Hitler-Verehrer Jorge Ubico durch eine Volksbewegung gestürzt worden. Damals musste Washington diese Entwicklung hinnehmen, denn militärisch war es im Kampf gegen den deutschen Faschismus und den japanischen Militarismus gebunden und politisch erschien es da als nicht opportun, einem Bewunderer Hitlers die Stange zu halten. Die erstmals aus freien Wahlen hervorgegangene Regierung des liberalen Präsidenten Prof. Juan José Arévalo schaffte das die indianischen Ureinwohner knechtende Steuerschuldsystem ab, duldete die Gründung von Gewerkschaft und Landarbeiterbund, erließ ein Arbeitsgesetz, das auch das Streikrecht einschloss, und schuf erste Ansätze für eine Sozialversicherung. Schon schrillten die Alarmglocken in der Bostoner Zentrale des US-Konzerns United Fruit Company, der zusammen mit der einheimischen Oligarchie und dem

Militär Guatemala beherrschte: Riesige Ländereien, darunter 500 Großplantagen, der einzige Tiefwasserhafen an der Atlantikküste und die einzige Eisenbahnlinie des Landes gehörten ihr. Sie beherrschte nicht nur den Bananen- und Kaffee-Anbau, sondern auch die Energieversorgung, Unternehmen der Leichtindustrie, die Telefonverbindungen und die Presse. Mit einem eigenen Polizei- und Beamtenapparat war sie ein Staat im Staate. Vor der Zulassung von Gewerkschaften wurde den Arbeitern auf den Plantagen sowie in den Zuckerfabriken und Kaffeeröstereien nicht einmal ein Tageslohn von jämmerlichen 80 Cent bewilligt. Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie ärztliche Betreuung waren völlig uninteressant, obwohl tausende von Arbeitern auf den Bananenplantagen durch Pflanzenschutzmittel schwere gesundheitliche Schäden erlitten. So hatte der Konzern für das Pfund Bananen lediglich 1,5 Cent Produktionskosten - verkauft wurde es in den USA für 17 Cent!

Doch noch musste er stillhalten und so lange sein Eigentum unangetastet blieb, hatte er keine Möglichkeit, der Regierung den offenen Krieg zu erklären. Das änderte sich erst 1951, als, wiederum in tatsächlich freien Wahlen, der bisherige Verteidigungsminister Oberst Jacobo Arbenz Guzmán Präsident wurde. Er nun griff auf, was von den nach Hunderttausenden zählenden Landarmen und Landlosen bislang immer gefordert worden war und woran sich sein Vorgänger nicht gewagt hatte - die Bodenreform. Am Abend des 17. Juni 1953 beschloss die Nationalversammlung endlich das entsprechende Gesetz. Die Ärmsten der Armen jubelten, die Großgrundbesitzer dagegen waren nervös. Doch auch sie konnten eigentlich zufrieden sein: Betroffen waren nur brachliegende Ländereien, dabei jedoch keinerlei Grundbesitz unter 180 ha, und obendrein wurde nur gegen Entschädigung enteignet. Die freilich ließ der Präsident klugerweise nach der letzten Steuererklärung der Betroffenen festsetzen. So erhielt die United Fruit Company statt der geforderten 16 Millionen gerechterweise nur 600.000 Dollar. Der Konzern schäumte und setzte alle Hebel in Bewegung, um die Bodenreform zu verhindern. Als auch das nicht gelang, griff die Regierung der USA, allen voran Außenminister John Foster Dulles, der selbst Aktionär der UFC war, zu schmutzigeren Mitteln: Gegen Guatemala wurde eine bis dahin beispiellose Medienkampagne inszeniert, in der behauptet wurde, im Lande sei ein „rotes Schreckensregiment“ ausgebrochen. Selbst vor offener Einmischung wurde nicht zurückgeschreckt: Die US-Regierung „warnte“ davor, weiteres Land in die Bodenreform einzubeziehen.

Als die Regierung Guatemalas standhaft blieb, wurden andere Saiten aufgezogen: Der Obstkonzern baute, unterstützt von der CIA, mit wohlwollender Duldung und Förderung des Diktators Anastazio Somoza in Nikaragua ein Söldnerheer auf, für das für viel Geld Landsknechte aus allen Teilen Lateinamerikas sowie aus den USA angeworben wurden. Waffen für diese sogenannte „Befreiungsarmee“ wurden vor allem aus US-amerikanischen Beständen, aber auch aus der BRD geliefert. Nikaragua hatte freilich keine gemeinsame Grenze mit Guatemala, doch das war kein Problem: Mit dem Segen des dortigen Präsidenten und einstigen Syndikus der United Fruit Company, Juan Manuel Galvez, siedelte das Söldnerheer ganz einfach ins benachbarte Honduras über. Zunächst verzögerte sich der Überfall wegen schwerer Differenzen und persönlicher Rivalitäten unter den Führern der „Befreiungsarmee“ allerdings noch. Erst als der wegen eines Putschversuches gegen die Regierung Arbenz 1950 inhaftierte und unter dubiosen Umständen aus dem Gefängnis entflohene ehemalige Generalstabsoffizier Carlos Castillo Armas seinen Gegenspieler, den United-Fruit-Mann Miguel Ydigoras Fuentes, ausgeschaltet hatte, begann im Morgengrauen des 18. Juni 1954 die Aggression gegen Guatemala. Das Söldnerheer kam zunächst nur langsam voran - die Regenzeit wie auch die erbitterte Gegenwehr der guatemaltekischen Armee verhinderten ein schnelles Vordringen. Um so grausamer war die Behandlung der Bevölkerung in den ersten eroberten Dörfern durch die Söldner der „Befreiungsarmee“: Frauen wurden vergewaltigt, Mitglieder des Landarbeiterbundes auf der Stelle erschossen und Bodenreformland den Großgrundbesitzern zurückgegeben. Guatemala protestierte beim Präsidenten von Honduras gegen die von seinem Land erfolgte Aggression und forderte ihn auf, die Grenzen für die Invasoren zu schließen. Galvez als Mann des Obstkonzerns reagierte nicht einmal darauf. Nun erhob das überfallene Land Klage beim UN-Sicherheitsrat. Es hatte zunächst insoweit Erfolg, als ein sowjetisches Veto deren Überweisung an die USA-hörige „Organisation Amerikanischer Staaten“ (OAS) verhinderte. Als einziges Mitglied des Sicherheitsrates erklärte die UdSSR das Söldnerheer des Obstkonzerns zum Aggressor und beantragte, dessen Angriff durch eine UN-Streitmacht sofort zu stoppen. Das nun wurde durch die mit den USA verbundenen übrigen Mitglieder des Sicherheitsrates verhindert. Es wurde zu einem Trick gegriffen, mit dem schon die Aggressoren im Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 begünstigt worden waren: Auf Antrag Frankreichs wurde beschlossen, „die Kampfparteien nicht zu unterstützen“. Die USA scherten sich wie einst schon die faschistischen Staaten Deutschland und Italien überhaupt nicht darum. Sie änderten nur ihre Taktik: Armas wurde nahegelegt, sein Hauptquartier aus der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa in die erste größere eroberte Ortschaft in Guatemala, das Städtchen Esquipulas, zu verlegen. So wurde die Aggression in einen Bürgerkrieg umgefälscht, der die UNO offiziell nichts anzugehen hatte. Fortan stand das Land allein, mehr noch - im Innern begann die Front zu bröckeln. Nur wenige der meist dem Großgrundbesitzertum entstammenden Armeekommandeure standen tatsächlich hinter der Regierung Arbenz. Viele leisteten dem Aggressor nur deshalb Widerstand, weil sie sich durch den Umstand, dass ihr Gegner ein zusammengewürfelter Söldnerhaufen war, in ihrer „Offiziersehre“ verletzt fühlten. Der ohnehin erst nach großem Zögern und somit viel zu spät ergangene Befehl der Regierung zur Ausgabe von Waffen an die kampfbereiten Mitglieder von Gewerkschaft und Landarbeiterbund wurde von ihnen größtenteils sabotiert. Insgeheim wurden bereits Kontakte zu Armas aufgenommen und ihm die Zusammenarbeit angeboten, sofern er bereit wäre, seine Söldnertruppe aufzulösen. Der sträubte sich freilich noch dagegen, wurde aber durch Emissäre des Obstkonzerns allmählich zum Einlenken veranlasst. Schließlich putschte am 27. Juni eine Gruppe reaktionärer Offiziere, wobei selbstverständlich US-Botschafter Peurifoy die Fäden gezogen hatte, und zwang Jacobo Arbenz zum Rücktritt. Doch der verlief nicht so wie vom „fixen Jack“ geplant: Zu dessen maßloser Wut wandte sich der Präsident in einer Rundfunkansprache noch einmal an das Volk und rief dazu auf, den Kampf gegen die Armas-Banditen und die Verräter in den eigenen Reihen nicht aufzugeben. Sein Nachfolger wurde der bisherige Armeechef Enrique Diaz, der glaubte, noch etwas vom Reformwerk retten zu können, wenn er nur den USA und Armas etwas entgegenkäme. So verbot er sofort die kommunistisch orientierte Partei der Arbeit Guatemalas (PTG). Doch Diaz war nur als Übergangsfigur gedacht, damit das Ruder nicht zu rasch herumgelegt und so die Interessen des Obstkonzerns vor möglichem Schaden bewahrt wurden. Bereits 36 Stunden später riss sein Innenminister Oberst Elfego Monzón die Macht an sich: Er ließ Diaz nach Absprache mit Peurifoy vor dessen Augen in der exterritorialen US-amerikanischen Botschaft verhaften! Monzón nun erledigte die weitere Dreckarbeit: Entfernung aller liberalen Beamten aus dem Staatsapparat, Auflösung des Parlaments, Verhaftung aller Anhänger von Jacobo Arbenz, vor allem von Funktionären der Gewerkschaft und der PTG. Dabei geriet er rasch in arge Bedrängnis - überall da, wo es energische Führer gab, bewaffneten sich die Landarbeiter und setzten sich gegen den Raub ihres Landes zur Wehr. Er musste fast die gesamte reguläre Armee von der Front abziehen, um die Aufstände blutig niederzuschlagen. So geriet er Armas gegenüber ins Hintertreffen und musste diesem weitreichende Zugeständnisse machen. Alsdann tobte in der neuen fünfköpfigen Militärjunta der Machtkampf zwischen Monzón und Armas ebenso wie zwischen den Kommandeuren der regulären Armee und dem „Befreiungsheer“. Während alle seit 1944 erreichten sozialen Verbesserungen rückgängig gemacht wurden, begannen am 8. Juli bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Monzón und Armas. Da diese den Interessen der United Fruit Company schadeten, wurden sie in „bewährter Weise“ beendet: Nachdem es Armas gelungen war, Monzón auszuschalten, wurde das Söldnerheer auf US-amerikanischen „Rat“ teils aufgelöst, teils in die reguläre Armee übernommen. Kaum war das geschehen, schworen ihm alle Kommandeure ewige Treue. Sie wollten nur ihre Rivalen beseitigt haben, die Schreie der 11.000 Eingekerkerten und Gefolterten interessierten sie nicht. In einer Wahlfarce ließ sich Armas am 10. Oktober 1954 zum Präsidenten wählen: Von der Abstimmung waren alle Analphabeten ausgeschlossen. Jeder Wahlberechtigte musste beim Betreten des Wahllokales angeben, ob er für oder gegen die Armas-Regierung stimmen wollte. Die Stimmzettel mussten offen ausgefüllt werden. Eine starke Minderheit blieb der Wahlfarce nach einem Aufruf der illegal kämpfenden PTG fern. Die von Armas geführte „Antikommunistische Einheitsliste“ „siegte“ schließlich mit knappem Vorsprung vor dem von der katholischen Kirche beherrschten „Bürgerlichen Block“. Die vorher so stark gewesenen liberalen Parteien waren aus der politischen Landschaft verschwunden. Drei Jahre lang sollte das Schreckensregime des Vertrauten des Bostoner Obstkonzerns und der einheimischen Oligarchie währen: Am Abend des 26. Juli 1957 fiel er einem Attentat zum Opfer. Zur Trauerfeier schickte Präsident Dwight D. Eisenhower seinen Sohn als persönlichen Vertreter und ließ den toten Diktator als „engen Freund seines Hauses“ würdigen. Die nun folgenden blutigen Unruhen brachten einen Mann an die Macht, der von Armas einst ausgeschaltet worden war und der als Vertrauter der United Fruit Company geduldig seine Stunde abgewartet hatte - Miguel Ydigoras Fuentes. Am 19. Januar 1958 ließ er sich, äußerlich unbefleckt von den Machtkämpfen der letzten Jahre, zum Präsidenten wählen. Doch er regierte das Land ebenso wie seine Nachfolger mit eiserner Hand im Interesse der USA und ihrer Konzerne. Guatemala versank für viele Jahrzehnte in einen blutigen Bürgerkrieg, dessen Beendigung nur unter großen Mühen gelang. Wenn hier an diese zu Unrecht fast vergessenen Ereignisse erinnert wird, dann auch deshalb, weil sich die auf Weltherrschaft ausgerichtete Politik der USA um keinen Deut geändert hat - siehe Irak und Afghanistan, Libyen, Syrien und nun die Ukraine. Und noch ein Grund darf nicht vergessen werden: Gar nicht so weit entfernt von Guatemala ist Kuba, dem die Vereinigten Staaten ein ähnliches Schicksal zugedacht haben!


Hans-Joachim Weise