Die Thüringer NPD in den Kommunalparlamenten – Teil II

In der letzten Ausgabe warf Paul Wellsow einen Blick auf die strategische Ausrichtung der Nazipartei, im zweiten Teil geht es nun um die konkrete Politikgestaltung.

Die Arbeit der NPD im Erfurter Stadtrat ist ein gutes Beispiel für eine kaum wahrnehmbare Kommunalpolitik von Rechts. Hier ist die NPD mit ihrem Landesvorsitzenden Frank Schwerdt im Stadtrat vertreten. Bei den Kommunalwahlen 2009 holte die damals zerstrittene Partei nur 2,6 Prozent der Stimmen, der Wahlkampf blieb trotz einer aktiven rechten Szene schwach. Im Stadtrat ist von Schwerdt wenig zu hören. Das ist um so erstaunlicher, da er als stellvertretender Bundesvorsitzender doch die Strategie der kommunalen Verankerung mustergültig umsetzen müsste. Dennoch hielt er seit der Wahl nur wenig Reden und es gab bisher erst fünf parlamentarische Initiativen von ihm (Stand: Mai 2011). Schwerdts Arbeit im Erfurter Stadtrat erzeugt kaum Aufmerksamkeit, wird von der Presse nicht verfolgt und hat auf den Stadtrat keinen Einfluss. Mit den demokratischen Fraktionen im Stadtrat gibt es keine Zusammenarbeit. 


Thematisch positioniert sich Schwerdt mit eindeutigen Anträgen, Reden und Anfragen. Mit deutlich rassistischen Tönen spricht er sich gegen Bargeld für Asylbewerber aus, versucht durch Anfragen das lokale „Bündnis gegen Rechts“ in Bedrängnis zu bringen oder polemisiert gegen ein alternatives Jugendprojekt. Nur mit seiner Anfrage zu den Leasing-Verträgen bei den Erfurter Verkehrsbetrieben widmete sich Schwerdt einem klassischen Thema der Kommunalpolitik, das die täglichen Probleme der Menschen in der Stadt berührt. Doch auch hier argumentiert er vor allem nationalistisch. Seine Kritik richtet sich weniger gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums an sich, ihm stößt vor allem auf, dass der Investor aus den USA kommt.


Eisenach und der Wartburgkreis sind dagegen Musterbeispiele für extrem rechte Kommunalpolitik. Die Region ist seit Jahren eine braune Hochburg. Hier holt die NPD bei Kommunalwahlen fünf Prozent in Eisenach und 4,8 Prozent im Wartburgkreis. In Stadt und Landkreis ist die Partei seit Jahren aktiv und vergleichsweise gut verankert. Die Aufbauarbeit trägt nun Früchte. Zentrale Figur ist Patrick Wieschke, Stadtratsmitglied in Eisenach und Chef des NPD-Blattes „Wartburgkreis-Bote“. Er kann auf eine militante Vergangenheit zurückblicken. „Bevor Patrick Wieschke Zeitungen verlegte, ließ er Bomben legen“, berichtete „Der Spiegel“ 2011 süffisant über den Cheforganisator der Thüringer NPD. Heute trägt er gern Anzug, um seriös und bürgernah zu wirken.


2006 gelang ihm ein öffentlichkeitswirksamer Clou. Mit einem Schild vor der Brust „Rettet unser Theater“ hatte der in der Stadt bekannte NPD-Aktivist in einer Reihe mit Bürgern gestanden, die um den Erhalt ihres Theaters kämpften. Monate später erschien dann ein Foto von ihm bei der Aktion auf dem Titel einer Zeitung des Landestheater Eisenachs, die in hoher Auflage verteilt wurde. Zweieinhalb Jahre vor der Kommunalwahl hatte Wieschke es geschafft: In der Öffentlichkeit konnte er sich als engagierter Politiker an der Seite der Bürger präsentieren. Daran knüpft die Partei an. Am Beispiel der beiden jungen Mitglieder des Kreistages des Wartburgkreis, Tobias Kammler und Hendrik Heller, lässt sich exemplarisch das Agieren jener Neonazis beschreiben, die sich der arbeitsintensiven Strategie der kommunalpolitischen Verankerung verschrieben haben. „Wir kümmern uns vertrauensvoll um die Belange der Deutschen im Wartburgkreis!“, das ist ihre Botschaft. 


Seit der ersten Sitzung am 15. Juli 2009 nutzt die NPD das Parlament intensiv, um ihre neonazistischen Inhalte zu vertreten. Dafür haben die beiden Abgeordneten mittlerweile (Stand: März 2011) mindestens 23 Anträge eingereicht, 34 Anfragen gestellt und regelmäßig in Reden die Positionen der NPD vorgetragen. Die Initiativen der NPD lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Zum einen versucht sie berechtigte Interessen der Bürger aufzugreifen, zu besetzen und im Sinne der NPD umzudeuten. Zum anderen bringt die Partei parlamentarische Initiativen ein, die unverhohlen den rassistischen und anti-demokratischen Charakter der Partei deutlich machen, beispielsweise mit einem Antrag zur Umbenennung des Ausländerbeauftragten in „Ausländerrückführungsbeauftragten“. Im klassischen Duktus des völkischen Neonazismus heißt es in dem Antrag: „In Deutschland und auch im Wartburgkreis wird seit Jahrzehnten eine verfehlte Ausländerpolitik betrieben. In einigen, meist westdeutschen, Großstädten kippen langsam die Mehrheitsverhältnisse zulasten des Deutschen Volkes. Die Politik versucht einen Einheitsbrei aus Völkern aller Herren Länder zu schaffen (...). Der Großteil der hier lebenden Ausländer ist aber nicht gewillt, Integrationsprojekte anzunehmen bzw. sich dort aktiv einzubringen.“ Daher sei es durch den Staat notwendig, „eine Rückkehr in ihre Heimatländer zu ermöglichen und dies zu fördern, damit sie nicht weiter gezwungen sind, sich in eine Kultur zu integrieren, die sie nicht akzeptieren. (…) Der Ausländerrückführungsbeauftragte soll daher Ausländern (...) Anreize geben, Deutschland dauerhaft zu verlassen.“


Im Wartburgkreis kann die Partei erste Punktsiege in ihrem Bemühen verbuchen, vor Ort als anerkannte Kraft zu gelten. So konnte die NPD mit zwei Anträgen in der Sitzung vom 7. Oktober 2009 politische Erfolge feiern, da ihre Initiativen zu Beschlüssen führten. Der Antrag der NPD auf „Überprüfung der Kreistagsmitglieder hinsichtlich offizieller bzw. inoffizieller Mitarbeit für das MfS/AfNS“ wurde nur dadurch hinfällig, da die CDU-Fraktion einen weiterführenden Antrag nachreichte, der schließlich eine Mehrheit fand. Darin wurde neben der Forderung nach einer Überprüfung der Abgeordneten auf eine Tätigkeit beim „Ministerium für Staatssicherheit“ oder dem „Amt für Nationale Sicherheit“ der DDR auch Unterstützung der „Erklärung für ein demokratisches, tolerantes und weltoffenes Thüringen“ als Zeichen gegen Neonazismus beantragt. Die NPD hatte den Beschluss auf die politische Agenda des Kreistages gebracht, stimmte aber aufgrund der Erweiterung selbst nicht zu. Für die NPD war die Initiative Teil ihres Kampfes gegen „Linksextremismus“. In ihrer Zeitung „Wartburgkreis-Boten“ feiert die Partei das Ergebnis: „So wurde bspw. ein Antrag auf Stasi-Überprüfung aller Abgeordneten durch die CDU so abgeändert, dass nun darüber hinaus ein Verbot der NPD gefordert wird. Sei‘s drum: Der Antrag auf Überprüfung kam von der NPD und wurde mit den Stimmen der Etablierten angenommen.“ Ein anderes Beispiel war ein Antrag zur „Erstellung eines Sicherheitsberichtes über die Situation in den Schulbussen“. Einstimmig wurde er durch den Stadtrat zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus verwiesen. Taktisch geschickt suchte sich die NPD für ihren Erfolg dieses Thema, denn den Antrag „konnten die Blockparteien nicht ablehnen, da sie eine Ablehnung dieses Antrages den besorgten Eltern nicht erklären könnten“, schrieb die NPD. 


Die Forderungen der NPD in den Kommunalparlamenten ähneln sich bundesweit. Zum einen rassistische Anträge gegen Migranten und Initiativen gegen „Bündnisse gegen Rechts“ oder alternative und linke Zentren. Zum anderen – und für eine langfristige Verankerung der extremen Rechten in den Kommunen wichtiger – die kommunal relevanten Themen von Bildung, Arbeit, Soziales, Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr. Sie werden aufgegriffen, von rechts umgedeutet und mit entsprechenden Forderungen versehen. Alles was bürgernah, massenwirksam und sozial klingt, wird behandelt.


In Thüringen kann man trotz des Wahlerfolges der NPD 2009 bisher nicht von einer flächendeckenden Verankerung der extremen Rechten sprechen. „Engagierter“ NPD-Kommunalpolitik im Wartburgkreis steht das Absitzen der Sitzungszeit im Erfurter Stadtrat durch den Neonazi Schwerdt entgegen. Aber die „Normalisierung“ der extremen Rechten in der Gesellschaft schreitet durch deren Präsenz in den Kommunalparlamenten voran. Die NPD hofft darauf, eines Tages an den in der Mitte der Gesellschaft verbreiteten rassistischen und nationalistischen Einstellungen anknüpfen und sie in Stimmen ummünzen zu können. Ob es der NPD gelingt, gestärkt aus ihrer Arbeit in den Parlamenten hervorzugehen, hängt auch davon ab, wie sich demokratische Parteien und die Öffentlichkeit gegenüber den Neonazis verhält. Entscheidend ist, die Normalisierung der extremen Rechten in der Gesellschaft nicht zuzulassen.

Paul Wellsow