Bundesfrauenkonferenz – Frauen mischen sich ein

Mit der Methode des „World-Cafés“ gelang es in konstruktiver Atmosphäre Argumente über die „Kämpfe um Zeit“ und die Geschlechtergerechtigkeit auszutauschen

Unter dem Motto: „Aufstehen, einmischen, verändern“ fanden am 25. und 26. September die Bundesfrauenkonferenz und das Frauenplenum des Bundesparteitages der LINKEN in Magdeburg statt. Neben Einzelanträgen wurden im Wesentlichen der Änderungsantrag „Kämpfe um Zeit“ zum Programmleitantrag sowie die Änderung des Paragraphen zehn „Geschlechtergerechtigkeit“ zum Leitantrag Bundessatzung diskutiert. Beide wurden mit einer deutlichen Mehrheit vom Frauenplenum verabschiedet. Somit wird es eigene Frauen-Anträge zum Erfurter Parteitag geben.

Um die Anträge mit möglichst vielen Frauen diskutieren zu können, wurde für diese Bundesfrauenkonferenz die Methode des „World-Cafés“ benutzt. Hierbei sitzt je eine Gastgeberin an einem Themen-Tisch und wird pro Diskussionsrunde von fünf bis sechs Frauen „besucht“, um gemeinsam über besagtes Thema zu diskutieren. Wie erhofft, gelang es durch das fehlende Schaulaufen am Redepult, in konstruktiver Atmosphäre die Pro- und Contraargumente auszutauschen, Bedenken zu äußern, Fragen zu stellen und Anregungen zu geben. 

Neben den beiden genannten Themen gab es inhaltliche Tische zu einer solidarischen Rentenversicherung und der Einführung des Individualprinzips in den sozialen Sicherungssystemen. Bislang steht im Programm, dass dieses „auf der Basis bestehender Unterhaltsverpflichtungen“ eingeführt werden solle. Nach Meinung der anwesenden Frauen sind die in diesen Verpflichtungen enthaltenen Abhängigkeiten ein Widerspruch zum Individualprinzip. Konsens war, dass eine sozial gerechte, direkte Absicherung eines jeden Menschen zu dem Versorgerprinzip eines konservativen Familienmodells der Alt-BRD nicht mehr passt.

Kontrovers diskutiert wurde sowohl auf der Bundesfrauenkonferenz wie auf dem sonntäglichen Frauenplenum, ob der Antrag „Kämpfe um Zeit“ als Anhang zum Programm aufgenommen werden soll. Ziel dieses Antrages ist die Utopie, jede und jeder solle in seinem Leben genug Zeit haben für Erwerbsarbeit, Familien- und Sorgearbeit, politischem wie gesellschaftlichem Engagement sowie persönlicher Zeit für Muse und Weiterbildung. Diese, den Kapitalismus überwindende Vier-in-eins-Perspektive setzt jedoch nicht in einer fernen Zukunft an, sondern steuert eine radikale Arbeitszeitverkürzung im Hier und Heute an, welche nur durch eine umfassende Demokratisierung und grundsätzlich andere Verteilung von Arbeit, Gütern, Produktionsmitteln und Reichtum erreicht werden kann.

Der Antrag zur Satzungsänderung wurde ebenfalls kontrovers diskutiert. Hintergrund dieses Vorschlages ist die jahrelange Diskussion um eine bundesweite Frauenstruktur in der LINKEN, bei der versucht wurde, Gemeinsamkeiten für die Gründung eines eigenen Frauenverbandes zu finden und sich aber auch die Differenzen zeigten. So wollen die einen z. B. einen dezidiert feministische Organisation, während die anderen darauf drängen, dass alle Frauen – auch jene, die sich nicht als Feministinnen verstehen – mitarbeiten können. So entstand der Vorschlag, mit einem Bundesrat LINKE Frauen ein Koordinations- und Vernetzungsgremium in der Satzung zu verankern, in dem Frauen aller Ebenen und Strukturen zusammentreffen und feministische sowie Frauen- und Gleichstellungspolitik in der LINKEN befördern können. Mit dem Bundesrat gelänge es auch, ein gemeinsames Ansprechgremium für Frauen in und außerhalb der Partei zu haben und durch die Satzungsverankerung finanzielle und personelle Ressourcen zu sichern. Während sich die Piraten-Partei als „post-gender“ definiert und versucht, aus dem offensichtlichen Mangel – unattraktiv für Frauen zu sein – ein politisches Bekenntnis zu zimmern, hätte DIE LINKE mit dem Bundesrat die Möglichkeit, wieder verstärkt Frauen auch außerhalb der Partei anzusprechen.

Im Sinne einer größeren Ausstrahlung der Partei auch für Frauen wurden auf dem  Frauenplenum sowohl der Antrag „Kämpfe um Zeit“ als auch der Satzungsantrag  mit einer Dreiviertel-Mehrheit angenommen. Beide Anträge werden als Änderungsanträge beim Bundesparteitag in Erfurt eingebracht.


Gabi Ohler