Wut und Trauer nach Naziaufmarsch in Erfurt

Während das Bündnis Umfairteilen für mehr Gerechtigkeit demonstrierte, marschierten 100 Nazis nahezu ungehindert durch die Stadt und machten den 29. September zum Tag der Schande für alle Demokraten.

Als am 1. Mai 2010 zuletzt eine große Gruppe von Nazis durch Erfurt marschieren wollte, schlug ihnen massiver Widerstand der Zivilgesellschaft entgegen, so dass die braune Brut schon nach nur wenigen hundert Metern den Heimweg antreten musste. So sollte es doch eigentlich immer sein: wo auch die Nazis marschieren gibt es gemeinsamen, friedlichen  Widerstand, egal ob einfacher Bürger oder schwarz gekleideter Antifaschist. Doch welch ein Debakel, welch schändliche Niederlage musste die Zivilgesellschaft an diesem 29. September hinnehmen? Die Nazis trafen sich am Bahnhof, wo sie von bis zu 100 engagierten Demokraten samt Buchenwaldschwur-Transparent erwartet wurden (Siehe Foto Seite 1 unten). Eine offizielle Gegendemonstration wurde von Seiten der Stadt aber nicht genehmigt und zeitgleich waren fast alle, die sich sonst an antifaschistischem Widerstand beteiligen, bei der Groß-Demo Umfairteilen gebunden. So konnten etwa 100 Nazis durch die Krämpfervorstand ziehen und die rund 20.000 Einwohner dieses Stadtteils mussten die braunen Hetzparolen mehr oder weniger kampflos hinnehmen, auch wenn zwei besonders mutige Demokraten selbst in dieser aussichtslosen Lage noch eine Sitzblockade versuchten. Warum aber die Stadt den Aufmarsch an diesem Tag genehmigte, immerhin fand neben der Umfairteilen-Demo auch ein Spiel von Rot-Weiß Erfurt statt, ist kaum nachvollziehbar.   

„Für mich ist es nicht zu verstehen, dass die Stadtverwaltung so lange über die Aktion bzw. über die angemeldete Route geschwiegen hat und das die BFE-Einheit der Polizei alles versucht hat, Protest zu unterbinden“, kritisierte auch Bodo Ramelow, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Thüringer Landtag. Der in Erfurt direkt gewählte Abgeordnete ergänzt:  „Alle TrägerInnen des Transpis mussten sich mit erhobenen Händen, an der Wand zum Bahnhof stehend, abtasten lassen. Das war erniedrigend. Die Gegendemonstranten vor dem Italiener durften nicht über den Busbahnhof Richtung Leipziger Platz, sondern mussten einen riesigen und schikanösen Umweg gehen. Ich bin extra zum Italiener, um mich davon zu überzeugen oder gegebenenfalls helfen zu können!

Dieses Verhalten von Polizei und Stadtverwaltung wird nicht ohne Folgen bleiben. Denn dieser Aufmarsch hat mich wütend und traurig gemacht. Wir müssen aus dem Samstag   Schlussfolgerungen ziehen und versuchen, ein besseres Bündnis zu aktivieren“, so Bodo Ramelow, der vom Naziaufmarsch wie viele andere erst am Freitagabend erfuhr. „Da bleibt die wirklich ehrlich gemeinte Frage: Sollte man die Umfairteilen-Demo dann absagen oder abbrechen? Sollen wir uns als demokratische Öffentlichkeit durch die Nazis die Termine oder unsere eigenen Aktionsformen diktieren lassen? Diese Frage stand schon am Donnerstag, wo wir entscheiden mussten, ob wir die Landtagssitzung unterbrechen sollten, oder ob wir sie weiterlaufen lassen und umschichtig zum Protest nach draußen gehen!

Letzteres fand ich richtig! Gesicht zeigen gegen braunen Ungeist, aber nicht von denen die Zeiten, die Form oder den Ort diktieren lassen! Die entscheidende Frage bleibt aber, wo bleiben die Bürger! Politiker oder Gewerkschafter alleine reichen nicht aus, um wirklich dem Spuk nachhaltig den Gar aus zu machen! Daran arbeite ich seit vielen Jahren und werde es auch weiterhin tun. Der Schwur von Buchenwald ist mir da eine Verpflichtung!“ sagt Bodo Ramelow abschließend. Dem ist nichts hinzufügen. 


T. H.