Wir sind in eine Selbstbeschäftigungsmentalität hineingeraten, die ihres Gleichen sucht

Im UNZ-Interview wünscht sich der Landesvorsitzende der Thüringern LINKEN, Knut Korschewsky, einen Bundesvorstand, der über alle Strömungsgrenzen hinweg getragen wird.

Nachdem Oskar Lafontaine auf seine Kandidatur verzichtet, gibt es den Vorschlag für einen dritten Weg, mit der weiblichen Doppelspitze aus Katja Kipping und Katharina Schwabedissen. Kann die Partei so aus der Krise finden?


Ich habe Hochachtung vor der Entscheidung Oskar Lafontaines, den Weg für eine Führung frei zu machen, die gemeinsam für eine andere Politik in diesem Land wirken will. Ich finde, wir müssen endlich aufhören, immer von Rücktritten und Rückziehern zu reden. Es ist doch ganz normal, dass es in einer demokratischen Partei mehrere Kandidaten gibt, Dietmar Bartsch wäre da ja auch noch zu nennen. Ich bin natürlich froh, dass dieser dritte Weg, mit der weiblichen Doppelspitze, den ich ja schon vor längerer Zeit mit ins Spiel gebracht hatte, aufgegriffen wurde. Es ist dringend notwendig, eine Parteispitze zu bekommen, die nicht auf Strömungen, unterschiedliche Sozialisierungen oder die Ost-West-Frage orientiert ist. Dazu gehört aber auch, dass die weiteren 42 Mitglieder des Vorstandes natürlich die Pluralität der Partei widerspiegeln, aber ohne für Strömungen Politik zu machen, sondern für ein gemeinsames Agieren. Dann werden wir auch wieder in die Erfolgsspur zurück finden. 


Welche Dinge sollte die neue Führung zu allererst angehen? 


Ich will nochmal betonen, dass es nicht darum geht, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst Versagen vorzuwerfen. Die momentane Krise ist einem kollektiven Versagen des gesamten Parteivorstandes geschuldet. Das erste, was der neue Vorstand machen muss, ist das Erfurter Programm auch wirklich ernst zu nehmen. Damit können wir – wie gerade in Thüringen – Verantwortung auch bei Landräten oder Oberbürgermeistern übernehmen, ohne dabei zu vergessen, dass wir in westlichen Bundesländern keine so große kommunalpolitische Verankerung haben. Da müssen wir stärker die Oppositionsfahnen hoch- und auch den Protest aufrecht halten. Das ist ein Spagat, der mit unserem Programm völlig abgedeckt ist. Nur müssen wir mit dem Programm auch arbeiten. Das hat der jetzige Vorstand nicht ausreichend getan. 


Man ist geneigt zu sagen, DIE LINKE hat nach dem Erfurter Parteitag eine große Chance zum Aufbruch vertan. Jetzt dürfte es schwierig werden an dieser Stelle wieder anzuknüpfen?


In letzter Zeit habe ich viele Gespräche geführt und musste feststellen, dass selbst manche Vertreter der Kirchen mehr mit unserem Programm gearbeitet haben als wir selbst. Dadurch haben wir jetzt schon Zeitverzug bei der Vorbereitung der Bundestagswahlen 2013. Wir sind nach Erfurt in eine Selbstbeschäftigungsmentalität hineingeraten, die ihres Gleichen sucht. Wir hätten meiner Meinung nach viel schneller nach dem Erfurter Parteitag einen neuen Vorstand wählen sollen, der sich dann unmittelbar um die Umsetzung des Programms gekümmert hätte. So wie es aber gelaufen  ist, haben wir mehr als ein halbes Jahr fast nur über Personal geredet und sind kaum noch mit inhaltlichen Themen in den Medien präsent gewesen. 


Was würden Sie sich persönlich vom Göttinger Parteitag wünschen?


Bestehende Konflikte müssen ausdiskutiert werden, damit wir auf dem Parteitag eine kulturvolle Diskussion über den Leitantrag bekommen. Dazu wünsche ich mir einen Vorstand, der über alle Strömungsgrenzen hinweg getragen wird. Ich wünsche mir auch, dass Mehrheiten akzeptiert werden und dass die Mehrheit auch akzeptiert, dass es noch eine Minderheit gibt. So, wie es in einer demokratischen und pluralistischen Partei sein sollte.                    


Thomas Holzmann