Wie grün ist das „Grüne Herz“ Deutschlands wirklich?

„Aufgabe der Bauern, das Grüne Herz zu schützen“. Auch der Thüringer Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) betonte die Bedeutung von Produkten aus der Region, gerade auch für die Wertschöpfung. Sonntagsreden und die Wirklichkeit klaffen jedoch – wie so häufig – weit auseinander und auch das Thema Nahrung aus der Region bildet keine Ausnahme.

Überall in Deutschland ist bekannt: Thüringen ist das „Grüne Herz“ Deutschlands. Nicht nur durch das Schiefergebirge, den Hainich, die Saale-Kaskaden oder das Erfurter Becken und viele andere reizvolle Regionen wird dieses Image gespeist. Doch was macht der Freistaat aus diesen hervorragenden Bedingungen? Eine gute Frage, um sie auf der Messe „Grüne Tage Thüringen“ zu stellen, die vom 7. bis 9. September in Erfurt stattfand und alle Besucherrekorde sprengte. Gleichzeitig eine gute Möglichkeit, neueste Entwicklungen im Bereich regenerative Energieerzeugung, biologische Landwirtschaft und regionale Wirtschaftskreisläufe unter die Lupe zu nehmen.   

Ganz oben auf der Agenda der diesjährigen Messe stand das Thema „Nahrungsmittel aus der Region“. Während in den großen Supermärkten Obst und Gemüse aus Thüringen eine Ausnahmeerscheinung ist, hat sich gerade hier vieles weiterentwickelt. 

Wie Helmut Gumpert, Präsident des Thüringer Bauernverbandes, feststellte, ist es die „Aufgabe der Bauern, das Grüne Herz zu schützen“.  Auch der Thüringer Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) betonte die Bedeutung von Produkten aus der Region, gerade auch für die Wertschöpfung. Sonntagsreden und die Wirklichkeit klaffen jedoch – wie so häufig  – weit auseinander und auch das Thema Nahrung aus der Region bildet keine Ausnahme. Dabei gibt es schon eine ganze Reihe von Beispielen in Thüringen. Besonders interessant ist neben vielen anderen ein Projekt in Schkölen, wo Menschen mit Behinderung nicht nur biologische Landwirtschaft, sondern auch noch eine Biogasanlage betreiben. 

Umso kritikwürdiger ist, dass es von Landesseite keinen Berater für ökologischen Landbau gibt – für chemische Pflanzenschutzmittel aber schon.  Dabei sind solche regionalen Bio-Projekte nicht nur aus technischer Sicht interessant, sie bieten zumeist eine ganz eigene Philosophie, die auf echte Nachhaltigkeit und ein „zurück zur Natur“ setzt, anstatt auf kurzfristigen Profit. 

Das gleiche Muster lässt sich im Bereich dezentraler Energieerzeugung feststellen. Ein typisches Beispiel ist die Zunahme der Biomassenkraftwerke. Die Bioenergieberatung Thüringen geht davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Fläche in Thüringen für Bioenergie z. B. aus Raps, Mais oder Weizen genutzt werden könnten. Durch die derzeit hohe Einspeisevergütung ist die Biomasse aber auch für Großkonzerne interessant. Große Anlagen, für die Pflanzen erst importiert werden müssen, sind jedoch weder ökologisch noch nachhaltig. Statt dessen treiben sie Nahrungsmittelpreise in Entwicklungsländern in astronomische Höhen.

Thüringen hat den großen Vorteil, dank der alten LPG-Strukturen, regionale Zusammenschlüsse von Bauern zu erleichtern, die so gemeinsam eine Biomasseanlage finanzieren könnten. Das Genossenschaftsmodell hat sich dabei als sinnvoller Weg erwiesen. So könnte  ausschließlich Gülle und Mist verwendet werden, ein Zukauf von Pflanzen würde entfallen. Zur Relation: für ein Megawatt Strom bedarf es fünf Hecktar Mais. Von daher kann die Biomasse eine sinnvolle Ergänzung zu anderen regenerativen Energien sein, aber nicht die alleinige Lösung.

Eines wurde auf der Messe deutlich: Nachhaltigkeit, Regionalität und Erneuerbare Energie sind auf dem Vormarsch. Der Landesregierung gebührt jedoch weniger Dank, sondern Organisationen wie der Markusgemeinschaft, der Grünen Liga oder dem Ökoherz.

Noch immer sind große Unternehmen mit erheblichem politischen Einfluss in der Landwirtschaft tonabgebend. Aber es ist überaus erfreulich zu sehen, wie im „Grünen Herzen“ sukzessive von unten, in den Dörfern, Städten und Kreisen daran gearbeitet wird, neue Strukturen und ein neues Denken aufzubauen. Und wer weiß: vielleicht wird eines Tages Thüringen als „Grünes Herz“ auch das Musterland in Sachen regionaler, nachhaltiger Landwirtschaft und Erneuerbarer Energien? Viele haben diese Chance schon erkannt, viele werden sie bald erkennen.                

Thomas Holzmann

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