Wenn Träume scheitern, sind nicht die Träume schuld

Dieser Satz der ehemaligen Pröpstin Elfriede Begrich hat sich tief beim Nachdenken über Thomas Müntzer eingeprägt. Die Konferenz und Podiumsdiskussion „Macht, Freiheit, Reformation“, in der von Luc Jochimsen und Birgit Klaubert entwickelten Veranstaltungsreihe „Kultur neu denken“ am 12. und 13. Mai in Mühlhausen, war hochkarätig besetzt. Über weltanschauliche Unterschiede hinweg, bestand großes Gesprächsinteresse.

Trotz Verteufelung als der „Satan von Allstädt“ oder als der „Erzteufel von Mühlhausen“ durch keinen Geringeren als Martin Luther, ist die Person Thomas Müntzer historische Realität. Im heutigen evangelischen Gesangbuch kann man Lieder von Thomas Müntzer finden, obwohl auch viele Christen ein gespaltenes Verhältnis zu diesem Reformator haben.

In der konservativen Haltung blieb er immer nur der Volksaufwiegler. Es gab in diesen Kreisen wenig Bereitschaft, sich ein reales Bild zur Lage der leibeigenen Bauern und der städtischen Plebejer zu verschaffen. Unvorstellbare Ausbeutungspraktiken und Brutalität der herrschenden Oberschicht ließen ein revolutionäres Potential wachsen. Der MDR hat mit dem Autor und Regisseur Mathias Schmidt und dem Film „Der Satan von Allstedt“ einen wichtigen Meilenstein zur Wiederaufnahme der Gespräche sowie ein neuerliches Nachdenken über den Reformator und Revolutionär gesetzt. Der Liedermacher und Autor historischer Themen, Reinhold Andert führte mit seinem Beitrag zu einem etwas anderen Rückblick in die Geschichte. Nach dem gelungenen Auftakt erlebten die Teilnehmer durch die ehemalige Pröpstin Elfriede Begrich einen Thomas Müntzer als Theologen der Revolution der zutiefst gläubig war, welcher Staunen konnte und sich mit dem Unrecht nicht abfinden wollte. Im Regenbogen sah sie eine Friedensbotschaft.

Sollte einmal wieder über neue Inschriften auf dem Müntzergedenkstein in Mühlhausen nachgedacht werden, empfiehlt Elfriede Begrich das Bibelzitat aus dem Buch der Sprüche: „Ein Volk ohne Visionen geht zu Grunde“. Eine weitere Theologin, bekannte sich zu einer persönlichen Vision, die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann, träumt davon, dass die Kirche den Söhnen und Töchtern die Waffen aus der Hand nimmt. Sie ist überzeugt dass die Menschen die Welt verändern können. Der Rabbiner Prof. Walter Homolka erklärte, warum er mit der Person Thomas Müntzer etwas anfangen könne, denn man muss Menschen immer wieder an ihre Verantwortung erinnern. Dazu gehören der Mut zum Widerspruch und der Mut zum Widerstand.

In der Gesprächsrunde der Politiker meldeten sich Reinhard Höppner, Bodo Ramelow und Peter Gauweiler zu Wort. Es ging um Macht und Verantwortung. Reinhard Höppner erkannte, dass die Reformation einen Umbruch in allen Bereichen bedeutete und wir uns wieder in einer Zeit der großen Umbrüche befinden. Für Bodo Ramelow ist es eine wichtige Erkenntnis das Müntzer die Befreiung des Menschen von der Umklammerung des Adels und des Klerus wollte. Müntzer eröffnete durch seine Worte den Menschen den unmittelbaren Zugang zu Gott. Das war damals äußerst revolutionär. Den Zugang nahmen ausschließlich die geistlichen Herren für sich in Anspruch. Peter Gauweiler erkannte unter dem Begriff Verantwortung, dass den Fragenden durch die Mächtigen Antworten gegeben werden müssen. Dabei haben eben nicht immer andere Schuld. Auch im Scheitern kann man Antworten finden.

Gregor Böckermann, Vertreter der Ordensleute für den Frieden setzte sich auseinander mit dem kapitalistischen System. Weil wenige reich sind, sind viele arm. Das ist noch immer so seit Müntzers Zeiten. Ziviler Ungehorsam ist nach wie vor notwendig. Prof. Günter Vogler, Gründungsmitglied der Thomas Müntzer-Gesellschaft erkannte folgerichtig: „Müntzer ist tot, aber sein Geist ist noch nicht ausgerottet“ Es begann mit der Verteufelung Müntzers. Anders denkende zu verteufeln hat eine lange Geschichte.

Uwe Pohlitz