Wege aus der Sucht

Auch in diesem Frühjahr begann mit dem Aschermittwoch wieder die Aktion Autofasten. Die Idee ist lobenswert, wirkliche Angebote, Autofahrende zum Umstieg auf Bus, Bahn oder gar das Rad zu bewegen gibt es aber keine. So bleibt es vor allem außerhalb der Städte für die allermeisten unzumutbar, auf das eigene Auto zu verzichten.

Schon lange beginnt am Aschermittwoch in Thüringen das so genannte Autofasten. So lange, dass sich schon gar keiner mehr erinnern kann, wann es das erste Mal war. „Ist halt Tradition“, so das einhellige Gelächter ganz unterschiedlicher Akteure bei der Kampagnenpräsentation auf dem Anger. Dabei ist der Stand der Mobilitätswende alles andere als lustig. Zwar hat das Thüringer Verkehrsministerium gerade erst vermeldet: Seit der Einführung des Deutschlandtickets am 1. Mai 2023 hat sich die Fahrgastnachfrage im Schienenpersonennahverkehr in ganz Thüringen um rund 50 Prozent erhöht – für mehr Sitzplatzkapazitäten zusätzlich gibt es sogar 6,5 Mio. Euro extra.  Aber an der strukturellen Krise bei Bus und Bahn, der Fachmensch spricht von ÖPNV, hat sich überhaupt nichts verbessert. Und das könnte ein kleines Land wie Thüringen auch gar nicht alleine stemmen.

Allerdings gibt es auch in Thüringen viele Leute, die weg vom motorisierten Individualverkehr kommen wollen. Auf dem Anger war nur ein kleiner Ausschnitt des großen Bündnisses Autofasten zu sehen. Für Christoph Heuing, Chef des größten Thüringer Verkehrsverbundes VMT, ist das Autofasten vor allem eine Einladung, die Bahn oder das Rad einfach mal auszuprobieren. Ein wirkliches Angebot an Autofahrenden, die sonst nie den Zug nehmen, gibt es aber leider dieses Jahr nicht. Sondertickets seien „aus der Zeit gefallen“, so Heuing. Angesichts des großen Erfolgs des Deutschlandticktes für 49 Euro (über 11 Millionen mal verkauft!) ist das nachvollziehbar. Allerdings wäre eine Art kostenloser Schnuppertag für alle, die Führerschein und Zulassung dabei haben schon eine Option gewesen. Heuing verspricht, dass so etwas in der Planung, aber noch nicht spruchreif ist.  2023 wurden dank Autofasten 741 Bäume auf der Saalfelder Höhe gepflanzt. Dieses Jahr wird bis Karsamstag für Plätze in einem Kinderhospiz gesammelt.

Alle, die teilnehmen wollen, können sich die Fairttickapp laden und Fahrten zählen lassen, für jede 100. Fahrt wird ein Kinder mehr mit einer Sonderstraßenbahn zur einer großen Party in die Magdeburger Allee mit Kreativmobil und allem drum und dran gefahren.

Deutlicher wird Erfurts Verkehrsdezernent Matthias Bärwolff: „Der zunehmende Autoverkehr bereitet uns in allen Städten Sorgen und deswegen müssen wir jede Chance nutzen, den Radverkehr und den ÖPNV zu stärken.“ Bärwolff weiß wovon er redet: Er hat Stadt- und Raumplanung studiert und kämpft schon lange für einen fahrscheinfreien Nahverkehr. Auf dem Anger wird gefrotzelt: „Wenn er Oberbürgermeister wird, dann ist die Straßenbahn ab 2031 sowieso kostenlos“. Ganz so leicht ist das freilich nicht, denn Bus und Bahn kosteten nun mal Geld, vor allem dann, wenn die Beschäftigten einen guten Lohn kriegen und das Angebot verbessert wird. Und da sind wir auch schon wieder bei der Strukturkrise des ÖPNV.

„Am Ende des Tages ist es eine politische Angelegenheit von der EU bis zur Kommune, die Weichen in Richtung Verkehrswende zu stellen. Das Deutschlandticket ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber das muss jetzt beim Ausbau der Netze so weiter gehen“, fordert Bärwolff. Doch die Realität ist eine andere: „Beim ÖPNV können wir im Moment nicht mal den Status Quo halten. Weil derNahverkehr immer noch nicht die hohe Priorität hat, wird fast nur noch Mangel verwaltet. Fahrpreise senken und das Angebot ausdünnen, kann ja auch keine Lösung sein. So bleibt nur die Preiserhöhung, was uns total unglücklich macht“, so die düstere Analyse von Christop Heuing. Nicht nur er befürchtet, dass für Auto-Lobbyisten wie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit dem Deutschlandticket jetzt schon alles erledigt ist und der ÖPNV nur noch weiter auf Verschleiß gefahren wird.

Trotz schlechter Aussichten ist es wie so oft Falko Stolp vom Verkehrsclub VCD, der trotzigen Optimismus versprüht. Er meint: „Car is over. Ein Leben ohne Auto ist in Erfurt möglich. Ich praktiziere das schon viele Jahre. Leider sieht das im ländlichen Raum ganz anders aus.“ Der pensionierte Schulleiter wünscht sich, dass nicht alle nur warten, bis sie mit 18 den Führerschrein kriegen. Deshalb braucht es in der Schule echte Mobilitätserziehung.“ Ein kostenloser ÖPNV für Kinder wäre da eine Option, zumal die aktuelle Situation mit der 3-Kilometer-Regel (bei weniger müssen die Eltern zahlen) mehr als ungerecht ist.

Um das zu ändern, braucht es in Erfurt Mehrheiten und wohl auch einen anderen Oberbürgermeister. Andreas Bausewein (SPD) feiet in Sonntagsreden zwar auch gerne die Straßenbahn als beste Form der Elektromobilität. Ein schon länger pensionierter Verkehrsdezernent sagte uns aber schon vor vielen Jahren, Bausewein haben in Sachen Autoverkehr „nicht alle Latten am Zaun“. Damals meinte er das ständige herumprotzen von Typen mit Luxuskarossen am Wenigemarkt. Das wird heute immer noch geduldet. Und, weil das Auto auch in Erfurt immer noch über allem steht, wird gerade im Hirschgarten, mitten in der Stadt, ein neues Parkhaus hochgezogen. Na hoffentlich ist dann noch genug Geld für die neue Straßenbahnlinie da, die Erfurt bauen will. Nicht, dass die Schwarz-Blau-Braunen nach ihrer Machtergreifung noch eine Reichsautobahn draus machen wollen.

Thomas Holzmann