Thüringens Zukunftsfähigkeit ist stark gefährdet

Immer mehr Monokulturen und die ressourcenverbauchende Landwirtschaft schwächen die natürlichen Produktionsgrundlagen im Freistaat - auf die zerstrittene Landesregierung dürfen die Menschen zu Schutz der Biodiversität nicht warten

Landwirtschaftsminister Reinholz (CDU) leitet den Bericht über die „Thüringer Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Thüringen“ mit dem Satz: „Thüringen, das ist Natur pur!“, ein.  Unsere Natur wird aber immer mehr zum Kennzeichen einer ressourcenverschlingenden Kultur, indem sie die natürlichen Produktionsgrundlagen sukzessive schwächt. So wandeln sich Thüringens Landwirtschaftsflächen zu von Industrie und Kapital gebrandmarkten Einheitsöden. Resultat: Durch großflächigen Mais- und Rapsanbau wird die thüringische Tier- und Pflanzenwelt immer mehr seiner ursprünglichen Identität beraubt. Die so wichtige Biodiversität, kurz gesagt die Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt, wird so unnötig geschwächt und die Zukunftsfähigkeit Thüringens stark gefährdet. Schuld daran ist der Mensch. 

Schon der Orkan Kyrill zeigte im Januar 2007 deutlich, welche Konsequenzen dieser Wandel mit sich bringt: Großflächig angelegte Fichtenmonokulturbestände knickten einfach um.  Schlimmer noch, die Fichte ist mit 46 Prozent des Gesamtwaldes der am häufigsten anzutreffende Baum in Thüringens Wäldern. Gleichzeitig waren die durch Kyrill zerstörten Waldflächen zu 89 Prozent Fichtenbestände. Das zeigt, welche enormen Gefahren drohen, wenn die Biodiversität zukünftig nicht besser geschützt wird. Dennoch werden bis heute sichere, lang etablierte Naturstrukturen umgebaut, um kurzfristig Gewinne zu erzielen und ohne dabei auf die langfristigen Konsequenzen zu achten.

Vor allem die Wälder haben eine große Bedeutung für die Biodiversität. Sie sind Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. 

Laut Sammelband der Roten Listen sind in Thüringen über 3.000 Tierarten, rund 2.000 Pflanzenarten und nahezu 90 Prozent der Biotoptypen, wie z. B. Moore und Wiesen, gefährdet oder bereits ausgestorben. Auch, wenn schon seit Ende des 19. Jahrhunderts wiederholt auf die Verluste in der thüringischen Tier- und Pflanzenwelt hingewiesen wurde, haben offensichtlich ökonomische Interessen weiterhin größere Bedeutung als ökologische.  

Nicht besser sieht es auf den Feldern aus, wo die Äcker und ihre Pflanzenwelt zu den am stärksten vom Artenverlust betroffenen Lebensräumen gehören. Dieser Lebensraum wird durch eine intensive Landwirtschaft bedroht, die mit wenigen Höchstertragssorten ganze Landstriche prägt.  Dazu gesellt sich der fahrlässige Einsatz chemischer Pflanzenschutz- und Düngemittel,  der extrem ressourcenverbrauchend ist und letztlich mehr Nach- als Vorteile bietet. So werden in Fachkreisen schon lange die Auswirkungen des Einsatzes solcher Mittel auf die Biodiversität diskutiert. Einig ist man sich dahingehend, dass zumindest Zusammenhänge zu dem in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Bienensterben vorhanden sind. 

Dass die Bienen äußerst wichtig für die Pflanzenwelt sind und sehr empfindlich auf Veränderungen der Umwelt reagieren, ist nicht erst seit gestern bekannt. Schon Albert Einstein soll gesagt haben, dass wenn die Bienen aussterben, die Menschen nur noch vier Jahre zu leben hätten. Angesichts der Tatsache, dass die bestäubenden Insekten für etwa zwei Drittel der Nahrungsmittelproduktion verantwortlich sind, wird die Bedeutung der Biodiversität für alle Menschen mehr als deutlich.

Die Sicherung der biologischen Vielfalt in Boden, Luft und Wasser ist unser aller Aufgabe – vor allem aber von Politik, Wirtschaft und den Medien. Dabei ist es besonders wichtig, eine Verbindung von Ökonomie und Ökologie, im Sinne einer Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, herzustellen. Solange jedoch die Ertragssteigerung und Gewinnmaximierung im Vordergrund stehen, wird die thüringische Biodiversität weiter extrem gefährdet. Gesunde, wohlschmeckende Lebensmittel verschwinden aus den Regalen und werden durch Produkte ersetzt, die Großkonzernen den größten Profit sichern – nicht nur zu Lasten der Umwelt, sondern auch zu Lasten der Gesundheit.  

Vorhandene Initiativen wie die Flächenstilllegung oder Randstreifenprogramme sind ein probates Mittel für mehr Artenvielfalt. Doch besteht weiterhin ein enormer Aufklärungs- und Handlungsbedarf, um den Bürgerinnen und Bürgern die Wichtigkeit solcher Maßnahmen zu verdeutlichen. Um  Mindereinnahmen durch den Wegfall von Produktionsflächen auszugleichen, sollten verstärkt Investitionen in Landwirtschafts- und Gartenbau-Betrieben zum Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftspflege erfolgen. Doch Realität  ist, dass gerade große Unternehmen üppige Förderungen erhalten, während für kleinere und mittlere Produzenten der Biodiversitätsschutz oftmals eine hohe finanzielle Belastung darstellt. Der Wille ist da – doch er alleine reicht nicht aus! Die Zeit drängt, auf die zerstrittene Landesregierung können und dürfen die Menschen nicht warten.

MjS