Terroralarm

Weil weißes Pulver an das Büro der LINKEN Politikerin, Martina Renner,

geschickt wurde, kam es zu einem Großeinsatz von Feuerwehr und

Polizei. Deren Einsatz wirft Fragen auf, mehr aber noch die zunehmende Verrohung der politischen Sitten. Steckt gar der NSU 2.0 dahinter?

 

Der erste Arbeitstag nach dem Pfingstwochenende verwandelt sich binnen weniger Minuten in einen düsteren Albtraum. Weil an das Erfurter Büro der Bundestagsabgeordneten Martina Renner ein Brief mit weißem Pulver verschickt wurde, rückte gefühlt die gesamte Feuerwehr der Landeshauptstadt, samt ABC-Spezialeinheit, an. Menschen in Schutz-anzügen, eine Dekontaminationsdusche und allerlei obskures Gerät wird aufgefahren. Szenen wie in einem Hollywood-Katastrophenfilm spielen sich vor und in der Geschäftsstelle der Thüringer Linkspartei ab. Die befindet sich in einem großen Glaskasten in der Eugen-Richter-Straße. In der gleichen Etage haben auch Martina Renner, DIE LINKE. Erfurt und die UNZ ihre Büros. 

Ein Polizist erklärt zunächst, ein Schnelltests habe keine Beweise für einen gefährlichen Stoff erbracht. Bis auf Weiteres würde aber die gesamte Etage versiegelt und das Corpus Delicti zur Analyse zum Robert-Koch-Institut nach Berlin gebracht. Beides sollte sich als Falschinfo herausstellen. Im Gegensatz zur sehr professionell wirkenden Feuerwehr, macht die Polizei auch in den Folgetagen nicht den glücklichsten Eindruck. Der Mitarbeiter der antifaschistischen Sprecherin der LINKEN Bundestagsfraktion muss sich nur mit Unterhose bekleidet in die Dekontaminationsdusche begeben und wurde dabei prompt fotografiert. Besonders beschämend ist nicht nur, dass diese abartige Gafferei nicht unterbunden wurde, sondern, dass auch noch der öffentlich-rechtliche MDR dieses Bild veröffentlichte. 

Am nächsten Morgen gibt es zunächst keine neuen Infos. Bei der Landespolizeidirketion und der Polizeiinspektion Erfurt-Nord hat keiner eine Ahnung, aber dafür umso schlechtere Laune. Beim Landeskriminalamt (LKA) begegnet uns am Telefon eine überhaus freundliche Frau. Sie weiß immerhin, dass Vorfälle dieser Art durchaus  hin und wieder vorkommen, aber insgesamt eher selten sind. Ein Fall, bei dem tatsächlich ein Anschlag mit einer gefährlichen Substanz per Post verübt wurde, ist nach LKA-Angaben in Thüringen nicht bekannt. Außerdem erfahren wir, dass nicht das RKI, sondern ein Labor in Band Langensalza zuständig ist. Dort ist allerdings niemand zu erreichen. Auf einen versprochenen Rückruf aus dem LKA warten wir bis heute. 

Auch, weil sich durch den unproduktiven Vortag jede Menge Arbeit auftürmt, beschließe ich, trotz fehlender Entwarnung, ins Büro zu gehen. Überraschung: Es ist nicht versiegelt, sondern nur das von Martina Renner. Im Büro der Erfurter LINKEN ist ein Mitarbeiter fröhlich am Schaffen und hört von mir zum ersten Mal von dem Großalarm am Tag zuvor. Und es kommt noch krasser: Schon am Vortag war er im Büro, vermutlich nur Minuten nach dem Abrücken des Großaufgebots von Feuerwehr und Polizei. Wir müssen lachen. Aber das Ganze wirft auch Fragen auf. 

Schließlich werden Menschen wie Martina Renner, die sich für Demokratie, Menschenrechte und gegen rechte Gewalt und Nazi-Terror engagieren, ständig bedroht. Ist das doch der NSU 2.0? 

„Es ist nicht mal drei Wochen her, da habe ich nach der Festnahme des Tatverdächtigen in der NSU 2.0-Drohmailserie klar gemacht, dass es keinen Grund zur Entwarnung gibt. Nach wie vor geht eine Gefahr von militanten, bewaffneten und vernetzten rechten Strukturen aus, die Drohschreiben verschicken und viel zu oft zur gewaltvollen Tat schreiten. Daher heißt es nach solchen Tagen umso mehr, sich nicht einschüchtern zu lassen und konsequent für antifaschistische Politik im Parlament und auf der Straße einzutreten“, sagt Martina Renner.  Eines der Schreiben hat wohl auch in ihrem Fall einen Bezug zum NSU 2.0. Unter dieser Losung soll ein 53-jähriger Mann in den letzten Jahren immer wieder Drohbriefe verschickt haben. Die Briefe  wurden in Hannover, Wiesbaden und an einem dritten, aber unbekannten Ort, aufgegeben. Nachahmungstäter*innen gab es rund um den NSU 2.0, aber auch in Bayern. 

Aus Sicht der Thüringer LINKEN schreibt die Verrohung der politischen Sitten ein weiteres Kapitel: „Klar ist die Stoßrichtung solch subtiler Attacken. Aus der Anonymität heraus soll verunsichert und Angst geschürt werden. Das politische Klima erfährt im Wahljahr eine weitere Vergiftung. Davon werden sich allerdings weder Martina Renner noch DIE LINKE. Thüringen abbringen lassen, weiterhin für die Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten zu kämpfen.“

Martina Renner ist eine anerkannte innenpolitische Expertin und engagierte Antifaschistin. Ihr gilt unsere volle Solidarität“, kommentierte Landesgeschäftsführer Mathias Günther.             

Thomas Holzmann