Strahlende Zukunft

Politische Gründe: Warum Thüringen zum Atomklo der ganzen Republik werden könnte.

Atomalarm: Zwei von vier Planungsregionen für das Atommüllendlager liegen in Thüringen. Nicht nur Ministerpräsident Bodo Ramelow ist sauer auf die intransparente Entscheidung, die offenbar mehr politisch als technisch begründet ist. Und am Ende entscheidet der Bundestag und da geht es schlicht und einfach um Mehrheiten. Das sagte der Atomexperte vom Verein ausgestrahlt e.V., Jochen Stay, schon in der UNZ 20/20.  Zu diesem Zeitpunkt schien vor allem der Ilm-Kreis ganz oben auf der Liste für das Atommüllendlager zu  stehen. Nach den neuesten Planungen könnte es nun aber die Regionen zwischen Sondershausen und Eisenach sowie das Weimarer Land treffen. Das hat jetzt die Bundesge- sellschaft für Endlagersuche (BGE) bekannt gegeben. 

 

Brisante Informationen nur scheibchenweise

 

Entsprechend groß ist das Entsetzen. Zwar gab es Formate von Bürgerbeteiligung, aber die waren offenbar nur Alibi-Veranstaltungen. „Wir begrüßen zwar, dass Arbeitsstände bei der Eingrenzung möglicher Atommülllager-Standorte veröffentlicht werden. Allerdings steht die Strategie der BGE, solch brisante Informationen nur scheibchenweise durchsickern zu lassen, dem Anspruch eines transparenten Verfahrens entscheidend entgegen“, kritisiert Robert Bednarsky, Vorsitzender des BUND Thüringen und Sprecher des Arbeitskreises Atommülllager.

 

Ramelow: „So kann man mit Thüringen nicht umgehen“

 

Noch nicht mal Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) war über die neuen Pläne informiert, und das obwohl von den nur vier ausgewiesenen Gebieten, gleich zwei in Thüringen liegen. „So geht das nicht. So kann man mit Thüringen nicht umgehen. Der Prozess muss fair sein“, ließ Ramelow wissen.  

 

Geht es mehr um politische als um geologische Fragen?

 

Auch Umweltstaatssekretär Olaf Möller (Grüne) ist sauer: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesgesellschaft neue Zwischenschritte nicht nur per Pressemitteilung verkündet“. Neben Thüringen sind die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Niedersachsen betroffen.  Die BGE betonte, dass es sich bei den vier Gebieten nicht um eine engere Auswahl bei der Suche nach einem Endlager handele. Aber wer soll das glauben?  Geht es am Ende mehr um politische als um geologische Fragen, wie es schon Jochen Stay mutmaßte? Schließlich hat das kleine Thüringen mit nur zwei Millionen Einwohner*innen im Vergleich zu Bayern und Baden-Württemberg in Berlin nicht viel zu bestellen. In dem Fall spielt es auch keine große Rolle, ob gerade DIE LINKE oder die CDU regiert.

 

 

CDU-Experte: Für ein Thüringer Atommüll-Endlager zu viele Störungszonen

 

Aber vielleicht wissen die Konservativen ja mehr als sie zugeben? Der Umweltpolitiker der CDU-Fraktion, Thomas Gottweiss, glaubt jedenfalls, dass die Suche nach einem Atommüllendlager an Thüringen vorbeiziehen wird: „Thüringen ist der geologische Schraubstock Deutschlands. Hier gibt es für ein Atommüll-Endlager zu viele tiefreichende Störungszonen, durch die Zerfallsprodukte des strahlenden Abfalls wieder an die Oberfläche gelangen könnten.“ 

 

LINKE: Verfahren ist ein Schlag vor den Kopf von allen Bürger*innen

 

Bei der Linksfraktion ist man weniger optimistisch. Dr. Marit Wagler, Sprecherin für technischen Umweltschutz im Thüringer Landtag, sagt: „Die Bundesgesellschaft für Endlagerung verletzt den im Standardauswahlgesetz vorgesehenen Prozess zur Suche und zum Finden des besten Endlagerortes in Deutschland. Das ist ein Schlag vor den Kopf von allen Bürger*innen, Kommunen und Organisationen, die sich aktiv in den Prozess der Endlagersuche eingebracht haben.“

 

Thüringen durch Wismut-Bergbau schon genug radioaktiv belastet 

 

Außerdem habe Thüringen schon durch den Wismut-Bergbau die größte Menge an radioaktiven Altlasten. Jetzt werde es für Ostdeutschland zum Verhängnis, dass über die Treuhand sämtliche geologischen Erkundungsdaten in Thüringen und ganz Ostdeutschland vorhanden sind. „Statt einer Vorfestlegung auf Ostdeutschland, insbesondere Thüringen, muss eine einheitliche Datenlage für ganz Deutschland hergestellt werden”, fordert die LINKE-Abgeordnete.

 

Anhörung im Landtag gefordert 

 

Die Gegenseite wird derweil nicht müde zu betonen, dass die Kalibergbau-Gebiete im Norden Thüringens (Region Eisenach-Sondershausen) bestens als Endlager geeignet seien und der Freistaat so womöglich hunderte Millionen Euro für Altlastsanierung von problematischen Gruben wie der in Springen bei Bad Salzungen sparen kann, weil dann der Bund übernimmt. Mal davon abgesehen, dass diese Kostenübernahme schon längst der Standard sein sollte widerspricht Marit Wagler dieser Argumentation auch in technischer Hinsicht: „In den Untersuchungsregionen  will Thüringen einen abwasser- und haldenfreien Kalibergbau entwickeln. Dies soll als Blaupause dienen, um später auch die Werra salzfrei zu bekommen. Die BGE behindert diese Entwicklung und gefährdet mit dieser Entscheidung Arbeitsplätze, Wertschöpfungsketten und Tourismus und schürt Ängste bei den Einwohner*innen.” Wagler fordert, die BGE soll sich im Thüringer Landtag in einer Anhörung  erklären und erwartet Garantien, dass die Bestimmung der Modellregionen keine Festlegung für den Endlagerstandort ist. 

 

Am Ende entscheidet der Bundestag 

 

Und wie geht es weiter? Im Frühjahr 2022 will die BGE ein vorläufiges Konzept öffentlich zur Diskussion stellen. Bis 2031 soll Deutschland einen endgültigen Standort zur Entsorgung hochradioaktiver Abfälle haben. Dafür kommen immerhin noch 90 – und nicht nur vier Gebiete grundsätzlich infrage. Das sind insgesamt 54 Prozent des Bundesgebiets. Aber nochmal: Am Ende entscheidet der Bundestag und da geht es um Politik, um „Staatskunst“ und weit weniger darum,  was Wissenschaftler*innen sagen. Siehe Klimakrise, Corona oder Tempolimit. 

 

Thomas Holzmann