Nach der Gewalt bei Rot-Weiß-Spiel: Vorrang für Deeskalation

Die Medien überschlugen sich nach den Auseinandersetzungen beim Spiel Erfurt gegen Darmstadt mit sensationsgeilen Meldungen. Doch statt mehr Repression muss stärker auf Fanarbeit gesetzt werden.

Es sind Bilder, die niemand sehen will und doch laufen sie immer wieder über die Ticker – zuletzt in Erfurt beim Drittligaspiel gegen Darmstadt: Randale am Rande eines Fußballspiels. So wird nicht nur die durch Stadionneubau und sportlich ehrgeizige Ziele recht positive Stimmung rund um den Erfurter Fußball getrübt, eine der populärsten Sportarten überhaupt gerät wieder einmal in Verruf.

Leistung, spannende Derbys und spektakuläre Spielszenen, aber auch Fairplay und ein respektvolles Miteinander sind Werte, die den Fußballsport so beliebt machen. Doch leider treten immer wieder Schattenseiten zutage.

So am 27. August in Erfurt. Während der Partie zwischen dem FC Rot-Weiß und Darmstadt 98 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Fanlagern und der Polizei. Dabei wurden laut Polizeiangaben 50 Personen verletzt, davon drei durch körperliche Gewalt, die Mehrheit jedoch, darunter viele Unbeteiligte, durch den Einsatz  einer chemischen Substanz von Polizeiseite. Ob es sich dabei um Pfefferspray oder ein Reizgas gehandelt hat, ist derzeit noch unklar.

Gewaltexzesse im Stadion sind häufig Ergebnis einer misslungenen Kommunikation zwischen verhärteten Fronten, aber auch absurder Feindbilder.

Diese Feindbilder abzubauen, ist eine zentrale Aufgabe sowohl der Fans als auch der Polizei. Bewährt haben sich der Einsatz von Fußballsozialarbeitern und eine Deeskalationsstrategie auf Seiten der Ordnungskräfte. Erfolgreiche Fußballfanprojekte zeigen, dass ein Dialog zwischen Fans und Polizei möglich ist. Sie können darüber hinaus sinnvolle Freizeitangebote für fußballinteressierte Jugendliche unterbreiten. Eine ausreichende finanzielle Unterstützung der Fanprojekte ist dabei unumgänglich, hier sind die Vereine aber auch die Politik gefragt.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine überhöhte Polizeipräsenz eher kontraproduktiv wirkt und Fans zunehmend verunsichert. Der Einsatz von Pfefferspray führt dabei nicht nur zur einer Eskalation, sondern ist unkontrollierbar und birgt erhebliche Gesundheitsgefahren. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erkenntnis setzt sich DIE LINKE dafür ein, die Anwendung von Pfefferspray massiv zu beschränken. Die Bundestagsfraktion hat eine entsprechende parlamentarische Initiative ergriffen. Die Praxis zeigt, dass der Einsatz von Pfefferspray oft unverhältnismäßig erfolgt und ganz normales Mittel eines Polizeieinsatzes geworden ist – so in jüngster Vergangenheit bei Demonstrationen zu Stuttgart21, Protesten gegen Castor-Transporte und Nazi-Aufmärsche.

Dabei ist es ein Gebot der Vernunft, aber auch schlicht der Gesundheit, auf Pfefferspray zu verzichten. Deeskalierende Maßnahmen haben unbedingt den Vorrang. Besonders erfolgreich zeigte sich ein Pilotprojekt zum Konfliktmanagement der Polizeidirektion Hannover. Durch den Einsatz so genannter Konfliktmanager ohne polizeiliche Kampfmontur konnte eine grundlegende Verbesserung der Kommunikation zwischen Fans und Polizei erzielt werden.

Derartige Konzepte sollten auch in Thüringen genutzt werden, damit Krawallszenen in Erfurt der Vergangenheit angehören. Das doch recht friedlich abgelaufene Thüringen-Derby am ersten Spieltag könnte ein Maßstab sein.

Jens Petermann