Hier ist die Linke

In der Kutscherstube Bad Salzungen öffnet diesen Winter wieder jeden Freitag das Restaurant der Herzen, über das man nur Gutes hört. UNZ war vor Ort und stellte fest: Es ist sogar noch sehr viel großartiger und nachahmenswerter als alle sagen.

Schon bevor die Südthüringen Bahn in Bad Salzungen hält, fällt ein großes, rotes Schild auf. Keine kleine Fahne im Wind, sondern ein mit dicken Industrieschrauben verankertes Metallschild: „Hier ist DIE LINKE“. Hier, das ist die Kutscherstube in der 16.000-Einwohner-Stadt im Wartburgkreis.

 

40 Ehrenamtliche halten das Restaurant am Laufen

 

Schon im letzten Winter hatte die Landtagsabgeordnete Anja Müller und ihr Kollege Sascha Bilay dort das Restaurant der Herzen eröffnet. Das Interesse war so groß, dass Leute mit der Bitte, doch in eine halben Stunde wieder zu kommen, weg geschickt werden mussten. Auch am 26. November sind nur noch ganz wenige Plätze frei. Gedränge herrscht auch in der Küche, wo das bunt gemischte ehrenamtliche Team am Schaffen ist. Insgesamt sind es sogar über 40 Ehrenamtliche, die das Restaurant am Laufen halten, schätzt Anja Müller ein.

 

Angst und Vorturteile überwinden helfen

 

Viele der Gäste sind Menschen im Rentenalter, denen es nicht gerade rosig geht. Ein Frau erzählt uns, dass sie gerne mal ins Café gehen würde, aber mit einer Armutsrente, bei der keine 500 Euro im Monat zum Leben bleiben, ist das nicht drin. „Aber im Restaurant der Herzen, bei der LINKEN, sind nur komische Leute und Ausländer“, so ihr Vorurteil, als sie von dem Projekt hörte. Doch dann überwand sie ihre Angst und ihre Voreingenommenheit gleich mit.

 

Im Restaurant der Herzen soll sich jeder wohl fühlen und miteinander ins Gespräch kommen

 

Die Idee Restaurant der Herzen ist nicht neu, schon gar nicht bei der LINKEN. Stichwort: „Kümmererpartei“. Ähnliche Projekte gibt es z.B. auch von den Kirchen. Da geht es aber vor allem um Menschen, die unterhalb des Existenzminimums leben müssen oder sogar obdachlos sind. Etwas anderes ist das in der Kutscherstube. „Im Restaurant der Herzen soll sich jeder wohl fühlen und miteinander ins Gespräch kommen“, ist Anja Müllers Motto. Barrierefreiheit wird in jeder Hinsicht groß geschrieben. Das gilt aber nicht nur für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, sondern auch für jene, die keine Lust haben durch eine Bedürftigkeitsprüfung wie auf dem Amt stigmatisiert zu werden Und, weil außer Nazis hier natürlich alle willkommen sind, speisen hier auch Menschen, denen es finanziell nicht ganz so übel geht. Vor allem bei Männern ist es mehr die Einsamkeit (die bei Frauen zur Armut zu oft noch dazu kommt), die jegliche Lebensfreude raubt.

 

Raus aus der Einsamlkeit im Alter

 

Einsamkeit im Alter ist auch im Wartburgkreis ein Riesenproblem, denn jeder vierte ist hier älter als 65 Jahre. Rund 20.000 Menschen sind sogar schon 75 oder älter. Nicht wenige brauchen dringend Angebote, um überhaupt mal aus dem Haus und unter Leute zu gehen. Genau dafür ist das Restaurant der Herzen ein unbezahlbarer Gewinn. Das mag für Jüngere, die noch nicht selbst vor Ort waren, den Charme einer Weihnachtsfeier im Seniorenstift ausstrahlen. Aber dieser Eindruck könnte falscher nicht sein.

 

Neustart der Linkspartei zum Greifen

 

In der Kutscherstube herrscht ein für deutsche Gaststuben fast schon südländischer Geräuschpegel. Es wird viel und herzhaft gelacht, sich angeregt unterhalten und manchmal sogar vor dem knisternden Kamin ein kleines Freudentänzchen aufgeführt. Am liebsten würde man die Stimmung abfüllen und nach Berlin ins Karl-Liebknecht-Haus schicken. Der Neustart, von dem in der Linkspartei nach dem Abgang von Sahra Wagenknecht die Rede ist, ist in der Kutscherstube zum Greifen nah. Erstaunlicherweise ist der Wartburgkreis, wo man in Eisenach mit Katja Wolf die einzige Oberbürgermeisterin in Thüringen stellt, einer der aktivsten Kreisverbände. Ein Restaurant der Herzen oder ein Preis-Skatturnier: das gibt es in Erfurt leider derzeit nicht.

 

Mehr als nur Fähnchen im Wind

 

Allerdings sind die Voraussetzungen in Bad Salzungen denkbar günstig. Anja Müller hat ihr Büro in dem selben Gebäude. Es gehört dem lokalen Geschäftsführer des Elektroladen K+B Expert. Der stellt es für das Restaurant der Herzen kostenlos zur Verfügung. Der Rest ist fleißige Handarbeit unter Federführung und tatkräftiger Mitwirkung von Abgeordnetenbüro und und Kreisverband der LINKEN. Und der ist hier nicht nur eine Fähnchen im Wind, sondern fest verankert, wie das große Metallschild auf dem „Hier ist DIE LINKE“ steht.

 

Thomas Holzmann