Gefährlicher Präzedenzfall
Der UN-Sicherheitsrat hat alle Staaten autorisiert, Zivilisten mit allen Mitteln vor Gewalt zu schützen. Doch die von Frankreich angeführte Koalitionen tut das Gegenteil und gefährdet Zivilisten mit sinnlosen Luftangriffen.
Das erste Opfer im Krieg ist immer die Wahrheit. Das zeigt sich auch wieder bei den angeblich vom UN-Sicherheitsrat autorisierten Luftschlägen gegen Gaddafi in Libyen. Die Situation ist nur schwer zu durchschauen. Wie der Bürgerkrieg in Libyen tatsächlich aussieht, wie schlimm die Situation der Zivilisten ist, kann man Angesichts des Mangels an Informationen und der Propaganda-Berichterstattung nur vage beantworten.
Fakt ist, der Sicherheitsrat hat, agierend unter Kapitel VII der UN- Charta, die Mitgliedsstaaten autorisiert, „alle Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten zu ergreifen“. Militärische Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten sind seit Jahren keine Seltenheit mehr, insbesondere weil Russland und China in solchen Fällen oft mit Enthaltung stimmen und als ständige Mitglieder nicht von ihrem Veto-Recht Gebrauch machen. Der Sicherheitsrat verlangt eine sofortige Waffenruhe und die Einhaltung der Menschenrechte. Um das zu gewährleisten ist auch die Flugverbotszone, die ebenfalls unter Kapitel VII läuft, gedacht. Grundsätzlich ist der Sicherheitsrat als das Organ, welches gemäß der Charta der Vereinten Nationen für die „Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ zuständig ist, durchaus berechtigt, auch solche „harten Maßnahmen“ zu ergreifen. Neue Entwicklungen im Völkerrecht hin zu einer „kollektiven Schutzverantwortung“, weg vom Gedanken nationalstaatlicher Souveränität, hin zur Sicherheit von Menschen, untermauern die mehr oder weniger er-folgreichen UN-Einsätze auf Basis von Kapitel VII. Doch Libyen ist ein Sonderfall. Was jetzt passiert, ist ein einseitiges Parteiergreifen des Westen und seiner „Koalition des Willigen“. Das Bombardieren von Tripolis und von Flugplätzen ist durch die Resolution 1973 keineswegs abgedeckt. Es gefährdet unnötig Zivilisten, anstatt sie zu schützen. Ebenso wenig hat der Sicherheitsrat Frankreich, Großbritannien und die USA autorisiert, Gaddafi zu stürzen. Sollte der Krieg in Libyen mit dem Sturz Gaddafis enden, könnte das ein gefährlicher Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen sein. Eine Koalition der Willigen könnte sich vom Sicherheitsrat Militärschläge gegen jedes unliebsame Regime autorisieren lassen. So würde der Sicherheitsrat jedoch zu einer geostrategischen Marionette der Großmächte verkommen. Seine Aufgabe ist aber der Erhalt des Friedens und nicht das Führen von Kriegen.
DIE LINKE sagt NEIN zum Krieg
„Mit der Resolution des Sicherheitsrates droht aus dem Bürgerkrieg in Libyen ein international geführter Krieg zu werden. So richtig es ist, Gaddafis mörderischem Treiben Einhalt zu gebieten, so falsch ist es, dies mit Krieg erreichen zu wollen“, ließen die Vorsitzenden von Partei und Fraktion der LINKEN, Gesine Lötzsch, Klaus Ernst und Gregor Gysi verlauten. Weiterhin kritisieren sie: „Die Bundesregierung von Union und SPD hat den libyschen Diktator mit den von ihr 2006 bis 2009 genehmigten Rüstungsexporten von über 83 Millionen Euro aufgerüstet und den Krieg gegen die eigene Bevölkerung für Gaddafi führbar gemacht. Sie hat zu wenig getan, um den wirtschaftlichen Druck auf die Machthaber in Libyen zu erhöhen. Öl- und Geldströme wurden nicht konsequent unterbrochen, ein weltweiter Stopp für Rüstungs- und Munitionslieferungen nicht durchgesetzt. Eine Hilfe in der Flüchtlingsfrage wurde nur nebenbei betrieben.“
DIE LINKE fordert, dass die Bundesregierung ihre Enthaltung in politisches Handeln umsetzt und auf Großbritannien, Frankreich und die USA mäßigend einwirkt.
Der stellvertrende Fraktionsvorsitzenden Jan van Aken, lobte im Bundestag die Enthaltung Deutschlands im Sicherheitsrat: „Wir hätten Nein gesagt; aber eine Enthaltung ist ein echter Fortschritt, vor allem gegenüber der rot-grünen Regierung, die im Jahr 2001 aus Solidarität mit den Amerikanern blind in den Afghanistan-Krieg gegangen ist. In diesem Krieg hängen Sie immer noch. Sie haben immer noch nicht aus Ihren Fehlern gelernt.“ Offen ist aber, wie ehrlich Schwarz-Gelb bei dieser Haltung ist. Die Debatte um die Atompolitik kommt Merkel und Westerwelle von den wichtigen Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schon ungelegen genug. Eine Diskussion um ein deutsche Beteiligung am Krieg in Libyen können sie da schon gar nicht gebrauchen.
T.H.