„Friede ernehret, Unfriede verzehret“

Unerträglich ist das Säbelrasseln der USA und Russlands, die scheinbar nur auf die Chance gewartet haben, den nächsten Krieg vom Zaun zu brechen. Im Nahen Osten treffen Jahrtausende alte Konflikt auf die machtpolitischen Umwälzungen des 21. Jahrhunderts. Fatale Erinnerungen an 1914 werden wach.

























Dieser Satz steht auf der Friedenskuss-Darstellung am Nordportal von Schloss Friedenstein, die Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha nach dem grausamen Morden des dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) errichten ließ. Der Westfälische Friede – so glaubte man damals– könne Europa einen dauerhaften Frieden bringen. Dennoch war es auch in den folgenden Jahrhunderten blutiger Usus, dass die entstehenden Nationalstaaten, aber auch kleine Fürstentümer, sich regelmäßig im Krieg befanden. Das vorläufige Resultat war die Urkatastrophe der Neuzeit, der 1. Weltkrieg. Beinahe 100 Jahre sind seit dem vergangen und niemand sollte sich der Illusion hingeben, der Weltfriede sei gesichert. Krieg ist, dass wusste schon Carl Clausewitz, wie ein Chamäleon, das ständig sein Erscheinungsbild verändert. So unterscheiden sich die Kabinettsriege des 19. Jahrhunderts vom „Totalen Krieg“ des 20. und von den asymmetrischen „Neuen Kriegen“ des 21. Jahrhunderts. 

Historiker mögen sagen: Nicht alles was hinkt, ist auch ein Vergleich. Und dennoch, es drängen sich Parallelen zum Vorabend des 1. Weltkrieges auf. Auch damals gab es für weite Teile Europas eine lange Friedensperiode in der die Schrecken des Krieges weitestgehend verdrängt wurden. Das Weltkräfteverhältnis wurde – wie heute –  multipolarer. So wie derzeit China die USA, begann damals die USA das britische Empire heraus zu fordern. Wie heute gab es junge, aufstrebende Mächte. Fällt nun Ländern wie Indien oder Brasilien diese Rolle zu, war es damals das junge deutsche Kaiserreich. Auch eine Zündschur für einen großen Krieg gibt es. 1914 galt der Balkan als „Pulverfass“, heute könnte diese Rolle der Nahostkonflikt einnehmen.

Damals hätten linke Parteien, Gewerkschaften, ja vielleicht sogar die Kirche, den Krieg verhindern können. Doch nicht nur die junge SPD versagte auf ganzer Linie, dabei wäre ein Generalstreik durchaus realistisch gewesen. Ist die Menschheit heute reif, um ihre Friedensmacht zu erkennen? Denn noch immer gilt: Friede ernehret, Unfriede verzehret.      


Thomas Holzmann