Es läuft einiges schief in der katholischen Kirche

So wie die katholischen Gläubigen jedes Recht haben, auf dem Domplatz ihre Messe abzuhalten, haben die Demonstranten das Recht, die Politik des Papstes zu kritisieren

In Deutschland herrscht Religionsfreiheit und das ist auch gut so. Doch auch wenn man auf die „religiösen Gefühle“ von Menschen Rücksicht nehmen sollte, heißt das nicht, dass alles,  was da schiefläuft, einfach hingenommen werden muss und die Politik von Papst Benedikt XVI. nicht mehr kritisiert werden darf. Polemische Kritik an Glauben und Religion, vor allem aber am konkreten Handeln des Papstes ist zweifelsfrei – so lange nicht der   Rechtstatbestand der Beleidigung erfüllt wird – durch die Rede- und Meinungsfreiheit gedeckt. Sie birgt aber die Gefahr, dass die katholischen Gläubigen jede Kritik schon im Vorhinein abblocken, weil sie ihre „religiösen Gefühle“ verletzt sehen.   Sachliche, an konkreten Fragen orientierte Kritik hingegen, könnte dazu beitragen, dass auch so mancher Gläubiger, der die Messe am Erfurter Dom besucht, sich kritisch mit der katholischen Kirche und dem Papst auseinandersetzt. 

Schon seit Wochen sind einzelne Stimmen zu hören, man müsse sich als guter Gastgeber erweisen und dürfe gar nicht gegen den Papst demonstrieren. Der Erfurter Bischof Joachim Wanke und die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) dagegen sind erfreulicherweise der Meinung, dass friedliche Demonstrationen, bei denen Kritik an der katholischen Kirche und am Papst geübt wird, legitim sind und unter das Grundrecht auf Meinungsfreiheit fallen. 

Sicher, die katholische Kirche hat heute nicht mehr die Machtposition, wie im Mittelalter. Der Vatikan lässt nicht mehr im Namen Christi morden und foltern, wie zu Zeiten der Kreuz-züge oder der Inquisition. Dennoch gibt es Dinge, die auch heute für einen aufgeklärten Menschen nicht hinnehmbar sein dürfen. 

Das Bündnis „Heidenspass statt Höllenangst“, das am 23. September ab 18:00 Uhr vor dem Bahnhof demonstrieren und am 24. September auf dem Anger von 7:30 bis 12:00 Uhr eine „religionsfreie Zone“ einrichten will, wendet sich vor allem gegen konkrete politische Fragen. In einem fiktiven Interview (nachzulesen unter: papstabschaffen.blogsport.de) mit der „Päpstin Klara“ heißt es u. a.: „Im Speziellen richtet sich unser Protest gegen die Positionen von Herrn Ratzinger. Seine innerkirchliche Politik geht klar in die Richtung, wieder allgemeinverbindliche Normen auch für den weltlichen Bereich aufzustellen. Das trifft zuallererst Schwule und Lesben, Frauen und andere Religionen. Er nennt die Homoehe „die Legalisierung des Bösen“, besteht darauf, das Frauen unter Männern stehen und hat mit Bischof Williamson einen Antisemiten zurück in die Arme der Kirche geholt. Damit betreibt er einen Annäherungskurs an die rechtsextreme Piusbruderschaft, was man auch damit belegen kann, dass er im März 2008 die gegen das Judentum gewandte Karfreitagsfürbitte wieder in den katholischen Ritus eingeführt hat. Der Papst steht damit für Homophobie, Sexismus und Antisemitismus.“

Von vielen Menschen – ob gläubig oder nicht – wird außerdem der enorme Aufwand und die immensen Kosten für die Steuerzahler mit geringer Begeisterung registriert. In der Erfurter Innenstadt gelten verschärfte Sicherheitsbestimmungen, die Anwohner müssen mit erheblichen Einschränkungen ihrer Freiheit rechnen, manche dürfen ihre Fenster nicht öffnen oder müssen Zugang zu ihrer Wohnung ermöglichen. Nachdenklich stimmt auch, dass der Papst das Augustinerkloster besucht, einen Ort, von dem aus durch Johannes Lang, einen Feund Luthers, die Reformation nach Erfurt getragen wurde. 

Bei aller Kritik am Papst und der katholischen Kirche, darf man aber auch hier nicht alle über einen Kamm scheren. Die Rolle der katholischen Kirche bei den Befreiungsbewegungen in Lateinamerika ist positiv hervorzuheben, der Name Ernesto Cardenal sollte jedem ein Begriff sein. Immer mehr Katholiken erkennen offenbar die Zeichen der Zeit. So auch die österreichische Pfarrerinitiative (www.pfarrer-initiative.at), die weitreichende Kirchenreformen, u. a. sogar die Abschaffung des Zölibates fordert. Die Ansätze für einen Dialog der Vernunft sind also vorhanden – auf  beiden Seiten. Da kann man sich nur wünschen, dass das Signal nach dem Papstbesuch nicht ein Rückfall in bedingungslosen Glauben, sondern ein Start in neues Wissen ist.


Thomas Holzmann