Das Grundrecht auf Datenschutz wird der Lobby geopfert

Wieder einmal knickt Schwarz-Gelb vor mächtigen Lobbyisten ein. Anstatt die Verbraucher mit dem neuen Meldegesetz endlich besser zu schützen, wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit Füßen getreten.

Unerwünschte Werbung und die unerlaubte Weitergabe von persönlichen Daten sind nicht erst seit dem Siegeszug des Internets zu einer sprudelnden Einnahmequelle oftmals zwielichtiger Akteure geworden. Adresshändler, Inkassounternehmen und erst recht der vor Werbung überquellende Briefkasten – all das gab es schon früher. Ebenso staatliche Behörden, die sich sehr genau für das Leben ihrer Bürger interessieren.  Durch das Internet sind die Möglichkeiten allerdings wesentlich größer, mit geklauten Daten Geld zu ergaunern oder sie zu diversen kriminellen Zwecken einzusetzen. Grund genug für die Bundesregierung, endlich das Meldegesetz zu reformieren.

Anfangs hörte sich das aus Verbrauchersicht noch recht gut an. Müssen beim derzeit  gültigen Meldegesetz die Bürger einer Weitergabe erst widersprechen, hätte der erste Entwurf dafür gesorgt, dass jeder Bürger der Weitergabe seiner Daten erst explizit zustimmen muss – die so genannte Einwilligungslösung. Doch wie schon beim Thema Nichtraucherschutz oder der berühmt-berüchtigten Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen knickte Schwarz-Gelb unter dem Druck der mächtigen Lobbyisten ein. Denn mit dem am 27. Juni angenommenen Entwurf wird den Bürgern diese Einwilligungslösung verwehrt und es bleibt bei der so genannten Widerspruchslösung. Umso schlimmer ist es, wenn dieses Gesetz nach einer Debatte von nur 57 Sekunden von weniger als 30 der über 600 Bundestagsabgeordneten verabschiedet wird. Ein Schelm wer denkt, der Termin wäre mit Absicht auf das EM-Spiel Deutschland-Italien gelegt worden. 

Heftige Kritik am Gesetzentwurf kommt von Datenschützern, besorgten Bürgern, die zu hunderten die Meldeämter mit Nachfragen überschütten,  aber auch von SPD, Grünen und LINKEN. „Schwarz-Gelb profiliert sich wieder einmal als Koalition des Bürgerrechtsabbaus“, beschwerte sich der Bundesgeschäftsführer der LINKEN, Matthias Höhn und fügte hinzu:  „ DIE LINKE fordert die Bundesländer auf, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen.“

Auch im Thüringer Landtag hagelte es vor allem von der LINKEN Kritik. Mit dem Meldegesetz, so die justizpolitische Sprecherin Sabine Berninger, „werden Meldeämter grundsätzlich zu Handlangern und Datenreservoirs von mehr oder weniger dubiosen Adresshändlern und Werbefirmen gemacht. Das Grundrecht auf Datenschutz wird damit einer ganz bestimmten Unternehmenslobby geopfert. Denn die Widerspruchslösung, bei der die betroffen en Einwohner durch ihr Veto die Weitergabe aktiv verhindern müssen, senkt die Zugriffshürden im Vergleich zum Einwilligungsmodell für die Firmen ganz erheblich.“ 

Die Landtagsabgeordnete aus Arnstadt betonte außerdem, dass DIE LINKE auf einer strikten Zustimmungsregelung (Einwilligungslösung) im Umgang mit Meldedaten besteht, weil nur so das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie es auch in Artikel sechs der Thüringer Verfassung geregelt ist, wirksam umgesetzt werden kann. „Immerhin sollten Novellierungen von Gesetzen den Datenschutz zu Gunsten der Bevölkerung verbessern und nicht verschlechtern“, sagte Berninger im Landtag.  

Doch genau das ist mit dem derzeitigen Gesetzentwurf nicht der Fall.  Schlimmer noch, kriminellen Machenschaften wird somit noch weiter Tür und Tor geöffnet. Auch die Werbeindustrie frohlockt, wird doch bald noch mehr individuelle Reklame möglich. Zu diesem Problem kommt hinzu, dass man einem Staat, dessen Sicherheitsbehörden vermutlich jahrelang Neonazis beim Morden geholfen haben, als Bürger besser nicht vertrauen sollte. Wer weiß, was diese Sicherheitsbehörden mit persönlichen Daten so anstellen? Hoffen wir, dass es nicht, wie so oft, eines Tages ein böses Erwachen gibt.

Thomas Holzmann