Braune Hassparolen hatten in der Landeshauptstadt keine Chance

LKW der „NPD-Deutschlandfahrt“ wurde in Erfurt spontan von 300 Demokratinnen und Demokraten blockiert – Nazis reagierten mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten

Hörte man in der letzten Zeit die Worte Erfurt und Nazis in einem Atemzug, konnte es einem kalt den Rücken hinunterlaufen. Praktisch jede Woche gab es Überfälle von Rechtsextremisten, selbst eine Ausstellung im Erfurter Kunsthaus wurde angegriffen. Doch die Landeshauptstadt scheint sich endlich dem offensichtlichen Naziproblem anzunehmen. Als am 6. August die „Deutschlandfahrt“ der NPD in Erfurt Station machen wollte, mobilisierte ein breites Bündnis gegen die braune Hassideologie. Trotz des ungünstigen Termins, an einem Werktag, folgten mehr als 300 Demokratinnen und Demokraten dem Aufruf. Untern ihnen auch wieder CDU-Innenminister Geibert. „Ich freue mich, dass er hier ist“, bemerkte Sabine Berninger. „Aber allein dabei darf es nicht bleiben“, so die LINKE Innenexpertin, die Geibert und die Landesregierung dazu aufrief, auch im Alltag, in der Innen, - Bildungs- und Flüchlingspolitik, gegen den Rechtsextremismus zu kämpfen. 

Wer nach den Reden der Vertreter von Parteien und Organisationen dachte, die Messe sei gelesen, sah sich im Irrtum. Als viele schon nicht mehr damit rechneten, tauchte plötzlich doch noch ein mit NPD-Hassparolen lackierter LKW auf, dem von Gegendemonstranten aber die Einfahrt zum Domplatz versperrt wurde. Vielleicht wollten die Nazis gleich zum nächsten Kundgebungsort nach Gera fahren, doch ein besonders engagierter Demokrat warf sich geradezu heldenhaft vor den LKW und zwang ihn zum anhalten. Weitere Antifaschisten eilten herbei und ergriffen die Chance, den NPD-LKW zu blockieren. Die Polizei, offenbar selbst von der spontanen Aktion überrascht, reagierte größtenteils besonnen. Sie war aber leider nicht zur Stelle, als ein junger Gewerkschafter von drei Nazis angegriffen wurde, weil er sich verständlicherweise weigerte, diesen sein Mikrofon zu überlassen. Warum der schon vorbestrafte Eisenacher NPD-Stadtrat Wieschke keinen Platzverweis erhielt und die NPD ihre Kundgebung mitten auf der Straße und trotz offener Gewaltanwendung abhalten durfte, sind offene Fragen. Warum tausende Autofahrer im Stau stehen müssen, weil eine Hand voll Nazis ihr Unwesen treiben, ebenso. 

Die Kundgebung der Nazis war dennoch ein Debakel. Von 300 Demonstranten regelrecht eingekesselt und mühsam von Polizisten geschützt, versuchten sie ihre Hassparole zu verbreiten – vergeblich. Die Demokraten kreierten mit Trillerpfeifen, Siren und lauter Musik einen derart infernalischen Lärm, dass man sein eigenes Wort kaum verstehen konnte. Am Ende solidarisierten sich auch die am Domplatz wartenden Busfahrer und übertönten die Nazis mit einem Hupkonzert.