Bildung – ein Marktprodukt?

Der Bildungsnotstand in der Bundesrepublik ist ein schon lange bekanntes Problem. Prof. Jochen Krautz erklärte auf einer Veranstaltung, wie das neoliberale Denken die klassische humanistische Bildung immer weiter zurück drängt.

Das Erfurter Jugendtheater Schotte bietet sich an, gemeinsam mit Querdenkern über gesellschaftliche Prozesse zu diskutieren. Die technischen Bedingungen und die Bereitschaft der Mitarbeiter lassen es zu, auch komplizierte Themen auf die Bühne zu bringen.

Ein solcher Querdenker war am Abend des 9. Mai zu Gast. Professor Dr. Jochen Krautz (Foto), Autor des Sachbuches „Ware Bildung“ von der Alanus-Kunsthochschule Alfter bei Bonn, war ein hochkarätiger Gastreferent für die zahlreichen Besucher. Er ist Professor für Kunstpädagogik und Fachdidaktik Kunst. Diese Lehreinrichtung sieht sich in der Tradition des Universalgelehrten Alanus ab Insulis (1114 – 1203), welcher bereits im Mittelalter eine humanistische Bildungsidee im Zusammenhang mit den sieben freien Künsten lehrte.

Bildungsdiskussion in Deutschland hat sich etabliert. Jeder meint mitreden zu können. Pädagogische und bildungspolitische Fragen werden mit immer ähnlicher werdenden Rezepten beantwortet. Diese kommen allerdings nicht aus der Pädagogik oder der Bildungstheorie, sondern weitest gehend aus der Ökonomie.

Aus der Analyse des ökonomischen Globalisierungsprozesses wird, ohne weiteres Hinterfragen, dieses schon ökonomisch problematischen und zuweilen fragwürdigen Prozesses abgeleitet, dass sich das Bildungswesen auf diese neoliberalen Herausforderungen anzupassen habe. Hinter diesen Forderungen steht vor allen der allmächtige Bertelsmann-Meinungskonzern mit dem „Centrum für Hochschulentwicklung“.

Einige Teile dieses Forderungskataloges klingen recht simpel. Englisch soll bereits im Kindergarten erlernt werden, Lehrer werden nur noch befristet eingestellt und leistungsbezogen bezahlt und in prekäre Arbeitsverhältnisse gebracht. Sie stehen ständig unter Druck und können somit nicht mehr den ursprünglichen humanistischen Auftrag erfüllen.

Nicht nur das Abitur, sondern verstärkt sollen Fächerspezifische Tests Eintrittskarte für die Hochschulen sein. Dazu werden auch privatwirtschaftliche Testfirmen beauftragt.

Auch das frühzeitige aussortieren von Schülern gehört zum System. Die neoliberale Entwicklung in der Bildung wird den Menschen als unabänderlich verkauft. 

Prof. Krautz ging auch auf die wichtigen Fragen des menschlichen Zusammenlebens ein. Das Studium selbst ist ein zutiefst humanistisches Anliegen. Es kann nicht hingenommen werden, dass Studieren nur noch Punktesammeln bedeutet. Das Anliegen des selbstständigen Denkens und Lernens gerät immer mehr in den Hintergrund.

Die „Pisa“-Studien belegen, dass dieser Geist in der Bildung längst Einzug gehalten hat. Mit humanistischer Bildung jedenfalls hat „Pisa“ nichts zu tun. Es geht einzig nur darum aus Menschen einen „Homo oeconomicus“, also ein Konstrukt der Wirtschaftswissenschaft zu machen. Der Mensch soll in sich investieren, um einen möglichst hohen Nutzen zu erbringen. Alles hat sich dem Markt unterzuordnen. Wer sich heute zum Beispiel der Betriebswirtschaftslehre zuwendet, sollte wissen, dass erklärtes Ziel ist, die Individuen möglichst restlos von moralischen Ansprüchen zu entlasten.

Auch die OECD arbeitet an der Festigung eines neoliberalen Menschenbildes. Es geht nur noch darum günstig und zu niedrigsten Kosten zu produzieren. Darum wird ständig von „Kompetenz“ und nicht von Bildung geredet.  

Die OECD erzwang die Pisa-Studien mit ihren zweifelhaften Ergebnissen und unüberlegten Rückschlüssen. Die Durchsetzung erfolgte mit platten und vordergründiger Propaganda.

Dahinter stehen solche neoliberalen Denkmodelle wie: „Wie setzt man durch, was das Volk nicht will?“ Man nennt es einfach „Reformen“. Die Opposition lässt man mitmachen, in der Hoffnung, dass sie sich gleichzeitig schwächt. Wir sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass gerade Ohnmachtsgefühle gewollt sind und zielgerichtet eingesetzt werden. Es sind nützliche Effekte der Propaganda. Wir müssen es immer besser verstehen gesellschaftliche Entwicklungen zu hinterfragen und zu analysieren. Dazu ist es unbedingt notwendig über unterschiedliche politische und weltanschauliche Lager hinweg, kluge Partner zu finden. Nur so können Veränderungen eingeleitet werden.

Wer sich über die Arbeit von Prof. Krautz intensiver informieren möchte, sollte sich in der Erfurter „Contineo-Buchhandlung“ das Buch „Ware Bildung“ bestellen oder kaufen.

Foto und Text: Uwe Pohlitz