„Was falsche Lieb’ für Folgen hat ...“

Die Schauspielerin Helga Ziaja ist vielen Thüringern durch ihrer Engagement in Weimar oder Erfurt bekannt. Im Atelier der Textilkünstlerin Ulrike Drasdo in Hohenfelden stellte die Diplom-Schauspielerin ein sehr nachdenkliches Programm zu einem brisanten Thema vor.

Die Theaterkunst greift Themen auf, welche in der Gesellschaft oft sehr unbequem sind. Da werden anstehende Probleme auf den Punkt gebracht oder ganz einfach in die Öffentlichkeit getragen. Damit sind die Sprechtheater unbequem und für herrschende Kreise durchaus verzichtbar. Gute Schauspieler sehen sich ihrer Spielstätten beraubt und müssen sich entbehrungsreich,  aber voller Ideen durch den realen Alltag schlagen.

Die Schauspielerin Helga Ziaja war im Erfurter und Weimarer Schauspielensemble und in vielen anderen deutschen Bühnen engagiert. In Weimar ist sie als Gretchen im Faust in bester Erinnerung. In bekannten DEFA-Filmen wie „Lotte in Weimar“ prägte sich ihr Bild ins Gedächtnis. Als Sprecherin und Sängerin unter vielseitigsten Anforderungen hat sie sich immer mehr auf eine sehr anspruchsvolle Kleinkunst konzentriert.

Im Atelier der Textilkünstlerin Ulrike Drasdo in Hohenfelden stellte die Diplom-Schauspielerin ein sehr nachdenkliches Programm zu einem brisanten Thema vor. Das Programm „Vom gefallenen Mädchen oder ihr Leute hört die Schreckenskund, was falsche Lieb für Folgen hat,“ führt uns zu einer Problematik, welche offensichtlich zu jeder Zeit aktuell ist. Das Problem „Kindestötung“ ist eine Sache, die uns durch die Jahrhunderte bis zur Gegenwart begleitet. Falsche Moralvorstellungen, soziale Not oder menschliche Katastrophen führen zu furchtbaren Handlungen. Helga Ziaja forschte in Gerichtsakten und in medizinischen Archiven und wurde fündig. Die Herren der besseren Gesellschaft schwängerten rücksichtslos Dienstmädchen und verwiesen sie wegen „Unmoral“ vom Arbeitsplatz und Wohnort. Die Folgen für die Betroffenen waren grauenvoll. Solche einzelnen Fälle hat sie akribisch erforscht und für die Bühne aufgearbeitet. Entsprechende Chansons fand sie bei Kurt Weil und anderen bekannten Autoren und Komponisten.

Es sind aber auch ganz einfache „Küchenlieder“ des 19. Jahrhunderts, welche im Programm Eingang fanden.

In der Universitätsstadt Jena gab es seit 1779 ein „Accouchierhaus“- im heutigen Sprachgebrauch eine Entbindungsstation. Diese Häuser galten vor allen als Zuflucht für „gefallene Mädchen“ der Unterschicht mit ungewollten Schwangerschaften. Hier untersuchten und experimentierten Professoren sowie Studenten in entwürdigender Form an den hilflosen Frauen. 1980 wurde bei Renovierungsarbeiten im Jenaer Romantikerhaus ein Sammelband handschriftlicher Aufzeichnungen mit medizinhistorischem Inhalt gefunden. Vom Inhalt dieser Aufzeichnungen erfährt man wichtige Teile im Programm. Die Skrupellosigkeit der damaligen bürgerlichen Welt lässt den Zuhörer fassungslos werden.

Auch in der heutigen Welt scheint es Gründe zu geben, welche Frauen zu Verzweiflungstäterinnen werden lässt. Mit der Einführung der so genannten Babyklappen konnte in vielen Fällen geholfen werden. Den dafür zuständigen medizinischen Einrichtungen wird immer noch heftiger Widerstand geleistet. Dazu werden verschiedenste Begründungen geliefert. Die kleinen Erfolge sind aber Grund genug, auf diesem Gebiet weiter zu arbeiten.

Die Ursache ist jedoch die soziale Kälte und Ungerechtigkeit der bestehenden Gesellschaft. Da gibt es für die Zukunft noch viel zu tun.

 

Foto und Text: Uwe Pohlitz