Verbote und Ohrfeigen in der "Stadt der toten Dichter".

Der Weimarer Wolfgang Held war nicht nur einer der größten Thüringer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein ZOON POLITIKON.

Am 12. Juli wäre der Schriftsteller Wolfgang Held 90 Jahre alt geworden – gebürtiger Weimarer im Gegensatz zu vielen anderen kein „Zugereister“ in der manchmal belächelten „Stadt der toten Dichter“ (Wieland, Goethe, Herder, Schiller) und eine Kind aus „einfachen Verhältnissen.“ Schon früh sah und hörte er von Dingen, die ihn ein „Warum?“ fragen ließen, wofür er nicht selten zuhause Verbote und Ohrfeigen erntete. 

 

Den Humor nicht vergessen

 

Davon und von vielem anderen erzählte Held in seinem letzten, wenige Wochen vor seinem Tode 2014 erschienenem Buch „Ich erinnere mich“ (Eckhaus-Verlag Weimar, Herausgeber: Ulrich Völkel). Es faszinierte mich wie ein Panorama Weimarer und deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts, spannend, kritisch, und politisch lehrreich, mit Herzblut und Dankbarkeit geschrieben. Der Schreib- und Gestaltungsdrang kam früh zum Vorschein im Elternhaus. Jahre später spornten ihn hilfreiche Hinweise und Erfahrungen von Louis Fürnberg (1909 – 1957), Walther Victor (1895 – 1971), Bruno Apitz (1900 – 1979), Erwin Strittmatter (1912 – 1994) und Walter Janka (1914 – 1994) an, die künstlerischen „Zugriffe“ zu Stoffen immer besser zu handhaben, wobei der Humor nicht vergessen wurde.

 

Christlicher und sozialistischer Humanismus

 

Nach der Erzählung „Die Nachtschicht“ (Volksverlag Weimar 1959), die Lob und Anerkennung fand, folgte 1969 der mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnete Film „Zeit zu leben“ (Regie: Horst Seemann), den die Romanschriftstellerin Inge von Wangenheim (1912 – 1993) „einen der besten DEFA-Filme“ nannte. In dieser Zeitspanne legte er außerdem neun Kinder- und Jugendbücher im Knabe Verlag Weimar vor. Großen internationalen Erfolg errangen 18 Jahre später Szenarist Wolfgang Held und Regisseur Lothar Warnecke 1988 mit „Einer trage des anderen Last“. Die inzwischen nach Weimar übergesiedelte Inge von Wangenheim schrieb nach einer Erfurter Bezirkspremiere begeistert: „Er ist (der Film) … unsere in diesem Jahrhundert entwickelte Konzeption vom Zusammenleben des christlichen und sozialistischen Humanismus … Das Schönste : Das Szenarium des Films lag schon 15 Jahre vorher druck- und filmreif vor. Die Gründe dafür bestanden u.a. in politischer Beckmesserei. Aber: Nun folgten mehrere internationale Filmpreise.

 

Honorar für einen Freundschaftsdienst

 

Wolfgang erinnert, vorwiegend anekdotisch, mit Witz und Humor, u.a. an Walther Victor (vor nunmehr 125 Jahren geboren), er sei froh, dass er ihm bei der Übersiedlung 1961 nach Weimar behilflich sein konnte, „und da ich in der Walther-Victor-Straße wohne, empfinde ich meine Adresse quasi als Honorar für einen Freundschaftsdienst.“

 

Ein politisches Wesen

 

Seit 1961 Mitglied im Deutschen Schriftstellerverband (DSV), engagierte Held sich sehr für Soziales der Mitglieder, verstärkt in den 80er Jahren für die Altersversorgung der älteren Autoren. Jedoch lag ihm auch die Förderung junger Autoren am Herzen. Mit Recht sah er sich als ZOON POLITIKON, als ein politisches Wesen.

 

Fundgrube Thüringer Literatur

 

Wenn es eines Tages eine Geschichte der Thüringer Literatur des 20. Jahrhunderts geben sollte, dann dürfte, unter anderem „Ich erinnere mich“ von Held eine der Fundgruben sein, auf die man nicht verzichten kann. Dort gehören natürlich auch Harry Thürk, Armin Müller, Hanns Cibulka, und Walter Stranka hinein. Sie alle enthalten künstlerische Botschaften für die Zukunft. Beide zuletzt Genannten wäre heute 100 Jahre alt.

 

Werner Voigt