Silvester am 23. März

Noch immer verdienen Frauen im Schnitt 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Aus diesem Grund machten Gewerkschaften und Verbände auch in diesem Jahr am Equal_Pay-Day wieder auf diese Gerechtigkeitslücke aufmerksam.

Bei 20 Grad und strahlendem Sonnenschein stießen Frauen vor dem Erfurter Rathaus auf das neue Jahr an. Das klingt zunächst amüsant. Über den politischen Hintergrund dieser Aktion, zu der die Organisation Business and Professional Women, der Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt, der DGB und der Landesfrauenrat Thüringen aufgerufen hatten, gibt es jedoch nicht viel zu lachen. Denn noch immer verdienen Frauen im Durchschnitt 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Bis zum Equal-Pay-Day, der in diesem Jahr auf den 23. März fiel, müssen Frauen arbeiten, um auf den gleichen Lohn zu kommen, den die Männer schon am 31. Dezember in der Tasche hatten.

Um auf diesem Misstand aufmerksam zu machen, verteilten Frauen 77-Euro-Scheine an die Passanten. Danach ging es in einem Fahrradkorso, samt auffälligen roten Taschen, durch die Innenstadt bis nach Bindersleben zu Ikea, wo eine weitere Aktion stattfand. Ikea, sonst nicht gerade als Musterunternehmen in sozialen Fragen bekannt, hatte sich ebenfalls am Aktionstag beteiligt und zahlt – nach eigenen Angaben – Männern und Frauen bereits die gleichen Löhne. Außerdem hat das Unternehmen 50 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt – ein Beispiel, dem andere Unternehmen, sicher auch zum eigenen Vorteil, folgen sollten. Die Realität, ganz besonders in den großen börsennotierten Unternehmen, sieht freilich ganz anders aus. 

Auch, wenn neben Erfurt in zahlreichen anderen Städten Thüringens derartige Aktionen stattfanden und es sicherlich eine Reihe einzelner Beispiele gibt, wo diese Ungerechtigkeit beseitigt wurde, so bleibt doch das Gefühl bestehen, dass sich nichts ändern wird, wie Gerlinde Sommer bereits im Vorfeld in der TLZ beklagte – mit Recht. Der Druck sei einfach nicht groß genug heißt es dann und Rufe nach gesetzlichen Regelungen werden laut. Forderungen, die auch die Unterstützung von wahlkämpfenden Politikern finden. Ob der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein oder die Thüringer Sozialministerin Heike Taubert (beide SPD) in ihren Positionen alles dafür tun, wird der Wähler früher oder später beurteilen. Ob es in diesem System, das grobe Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht nur zwischen Männern und Frauen geradezu zementiert, überhaupt eine nachhaltige Lösung für die gleiche Bezahlung von Frauen gibt, darf man jedoch ohnehin bezweifeln. Doch diese Frage wird in den Thüringer Regionalzeitzungen natürlich nicht aufgeworfen.        

Thomas Holzmann