Lass' Knattern

Wie Ost-Fahrzeugtechnik Generationen und Lager vereint.

Am Ostersonntag mischte sich am Erfurter Domplatz Zweitakt-Duft mit der Frühlingsluft. Die IFA-Bande hatte mal wieder zur Ausfahrt geladen, wie sie das gerne an hohen Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern zelebriert. Unzählige Simson-Mopeds aller Art, hier und da eine MZ, Trabbis, Wartburgs und vieles mehr, was einst im Osten so alles über die Straßen rollte, zum Teil chauffiert von Typen in rosa Osterhasen-Kostümen und niemand regte sich sinnlos auf. Es knattern aber keineswegs nur Herrschaften betagten Alters durch die Landeshauptstadt, es sind stes viele junge Gesichter zu sehen und auch immer Frauen und Mädchen haben ihre Liebe für die robuste Ost-Technik entdeckt. Woher kommt die neue „Ostalgiewelle“ und was finden eigentlich linke Frauen so genial an der IFA, dem Industrieverband Fahrzeugbau der DDR?

 

Zusammenkommen, statt Abschotten

 

„Im Vergleich zu anderen Oldtimern sind die Teile bezahlbar und du findest immer jemanden, der dir helfen kann, gerade hier in Eisenach, sagt Kati Engel, Linke Landtagsabgeordnete, geboren 1982. Während der Trend sonst zum Abschotten in der eigenen Filterblase geht, gibt es hier ein echtes Zusammenkommen, gerade auch von Menschen, die sonst kaum einen gemeinsamen Nenner mehr finden wollen oder können. „Nur beim Wartburg gibt es verschiedene Schichten“, meint Kati Engel. „Der 311er Wartburg ist nur noch was für die besser Betuchten, der Herr Walk (Raymund Walk, MdL CDU) fährt ja so einen“ erklärt Engel süffisant.

 

"Ich würden den neumodischen Dingern unterstellen, dass sie nicht so leicht zu reparieren sind wie eine Simson"

 

Während der Wartburg seine Fans hauptsächlich im Osten hat, sind die Simsons sogar im Westen heiß begehrt. „Ich habe die früher an meine Cousins weitergereicht. Der konnten die im Westen für den dreifachen Preis verkaufen“, erinnert sich Kati Engel. „Ich würden den neumodischen Dingern unterstellen, dass sie nicht so leicht zu reparieren sind wie eine Simson. Wer einen modernen Audi fährt, kann ja nicht mal mehr ‘ne Glühbirne selber wechseln“.

Speziell was den Wartburg angeht, kommt in Eisenach noch eine emotionale Verbundenheit dazu. Für Engel ist dabei gerade auch das Thema Treuhand eine wichtige Komponente, die Menschen im Osten zusammenbringt. In Wahlkämpfen hat sie häufiger ihren roten Warburg 353 mit am Infostand. „Die Leute freuen sich und erklären, welche Teile sie gebaut haben.“ Da ergibt sich dann schnell ein gutes Gespräch und am Ende stellt man fest, dass es in der DDR eben keine geplante Obsoleszenz gab und Produkte nicht so gebaut wurden, dass sie nach zwei Jahren garantiert kaputt gehen. Moderne Autos mit „Sollbruchstelle“ werden so natürlich keine Oldtimer mehr.

 

"Mich fasziniert einfach dieses Ostdeutsche Kulturgut"

 

Während Kati Engel im Kindergarten noch die letzten Züge der DDR miterlebte, hat ihre Fraktionskollegin Donata Vogtschmidt, geboren 1998 in Koblenz, damit gar nichts am Hut. Trotzdem ist sie „stolze Simson-Fahrerin“, natürlich eine rote. „Mich fasziniert einfach dieses Ostdeutsche Kulturgut. Es ist immer ein niederschwelliges DIY-Projekt (DIY = Do it yourself, dt. mach es selbst). Das Design ist totschick und überall, wo ich damit hinkomme, zaubert es ein Lächeln in die Gesichter der Leute. Die Simme ist ein verbindendes Element, das einfach für gute Laune steht. Man hat sofort ein Gesprächsthema und alle erinnern sich an ihre Eigene zurück“, so Vogtschmidt. Kulturgeschichte ist einerseits ein unpolitisches, verbindendes Element, andererseits bietet die Ostalgie oft einen niederschwelligen Zugang zu politischen Themen, die Leute abholen können. Das Treuhand-Drama zieht dabei in Suhl genauso wie Eisenach.

Und wenn Erfurts linker OB-Kandidat, Matthias Bärwolff (geboren 1983), im Wahlkampf mit seinem himmelblauen Trabant auftaucht, kommt auch mal ein Gespräch zustande mit Menschen, die sonst mit Blick auf die „Grüne Clara“, mehr Radwege und die neue Straßenbahnlinie schnell die Fassung verlieren. Ostdeutsche Technikkultur wirkt da ungemein beruhigend sorgt für gute Gefühle bei den Älteren und positive Vibes bei den Jüngeren. Und wenn der Grüne hassenden Opa mit seiner queeren Enkelin zusammen die gute alte Schwalbe fit macht, dann klappt vielleicht auch mal wieder die politische Verständigung.