"Gut, dass es euch gibt"
Wie Katja Weber der Weimarer Friedensbewegung neues Leben einhaucht.
Ein neues „Friedensbüro“ in Weimar, zur Verfügung gestellt von einer lokalen Firma und betrieben von der Tochter des verstobenen Friedensaktivisten Olaf Weber? Da quetschen wir uns gern in die wie immer verspätete Abellio-Bahn in die Klassikerstadt. Gute Nachrichten sind schließlich fast so selten wie Menschen, die sich in der Friedensbewegung engagieren.
Auf halben Weg vom Bahnhof zum Goethe-Schiller-Denkmal befindet sich das Büro, passenderweise in der Friedensstraße Nummer 2. Dort betreibt eigentlich die „Blueprint. druck + medien“ GmbH ein „Kulturschaufenster, um Kunstschaffenden die Möglichkeit zu geben, ihre Kunst in Form einer Ausstellung zu präsentieren. „Die sind Fans von uns. Sie drucken unsere Flyer und Broschüren und sie stellen uns gerne das Büro zur Verfügung. Ich bin sehr froh, dass ich jetzt jeden Montag so ein Zeitfenster habe und es nicht alles nachts am Küchentisch erledigen muss“, frohlockt Katja Weber. Nach dem Tod ihres Vaters trat sie in seine Fußstapfen in der Weimar Friedensbewegung. Eigentlich ist sie freie Künstlerin, hat aber einige Jahre als Lehrerin gearbeitet, bis es hieß, dass sich Thüringen keine halben Stellen leisten könne. Jetzt arbeitet sich als „Hausmeisterin“ im Weimarer Wohnprojekt „Alte Feuerwache“.
„Das, was die verhandelt haben, ist doch der eigentliche Skandal und nicht so sehr das Abhören.“
Wie ist das in Weimar: Wenn auf einer Friedenskundgebungen schwere Waffen für die Ukraine gefordert oder russische Fahnen wehen? Weber seufzt: „Das ist ganz ganz schwer. Während der Vorbereitung für den Ostermarsch habe ich mal geschaut, was allein unsere konservativen Politiker so von sich geben. Das ist kaum zu ertragen. Ich kann mir das gar nicht länger als ein paar Minuten anschauen.“ Weber sieht auch den jüngsten Bundeswehr-Abhörskandal in einem anderen Licht: „Das, was die verhandelt haben, ist doch der eigentliche Skandal und nicht so sehr das Abhören.“ Nicht nur sie verweist auf Whistleblower wie Julian Assange: „Leute wie er werden skandalisiert, aber nicht das, worum es eigentlich geht“. Im seinem Fall Kriegsverbrechen im Irak. Aber darüber will spätestens seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine kaum noch jemand reden.
Viele Leute kommen auf uns zu und sagen: Gut, dass es euch gibt. Und das sind auf jeden Fall sehr viel mehr als die Skeptiker.
„Das macht mich wuschig und ich halte das nur aus, weil ich das Büro hier habe und wir jede Woche unsere Mahnwache abhalten. Das bringt mich immer ein bisschen zur Ruhe. Und ich sehe, der Normalverbraucher tickt schon richtig und wir kriegen ganz viel Schulterklopfen. Viele Leute kommen auf uns zu und sagen: Gut, dass es euch gibt. Und das sind auf jeden Fall sehr viel mehr als die Skeptiker. Aber auch hier gibt es Leute, die einfach vorbeigehen und Scheuklappen aufhaben. Da merkt man richtig, die wollen gar nicht angesprochen werden. Manche sind auch ein bisschen aggro. Insgesamt überwiegt aber die Anzahl von Leuten, die sich freuen, dass wir dort stehen. Manchmal gibt es auch richtig rührende Momente: Wenn z.B Leute kommen, die den 2. Weltkrieg miterlebt haben und sogar im Schützengraben lagen. Das geht einem richtig zu Herzen.“ Trotzdem scheint es so, dass im Prinzip ausnahmslos alle, die nicht lauthals in den Chor „mehr Waffen für die Ukraine, egal wie“ einstimmen wollen, ziemlich schnell als „Lumpenpazisfisten“ diffamiert werden. Für Weber ist das kein Thema. Sie findet es ziemlich verrückt, wenn ausgerechnet Sozialdemokraten wie Verteidigungsminister Pistorius oder Gesundheitsminister Lauterbach von Kriegsfähigkeit und Bunkern schwadronieren.
So breit die Ablehnung von Atomwaffen ist, so schwieriger ist die Aufklärungen bei den diversen Kriegen
Und, weil das alles noch nicht martialisch und absurd genug ist, kommt noch die Forderung nach einer deutschen Atombombe oben drauf. Auch deshalb findet es Weber so wichtig, dass Weimar den Aomwaffenverbotsvertrag unterschrieben hat. Trotzdem gibt es nicht wenige, die Atomwaffen als DIE Friedensbewahrer sehen. Aber darauf ist Weber vorbereitet und hat durchaus lesenswerte Broschüren von ICAN (Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, die auf die wesentlichsten „Willst du Frieden rüste für den Krieg Argumente“ ausführlich eingehen. So breit die Ablehnung von Atomwaffen ist, so schwieriger ist die Aufklärungen bei den diversen Kriegen.
Wer in Deutschland laut einen Waffenstillstand im Nahen Osten fordert, setzt sich noch mehr als im Fall Russland-Ukraine, schnell heftigsten Vorwürfen aus. Weber erlebt das selbst gar nicht so drastisch, was aber auch daran liegen könnte, das gerade noch die Internetseite und auch die Auftritte in den sozialen Medien vom Verein „Welt ohne Waffen“ nicht auf dem Stand sind, wo sie eigentlich sein sollten. Allerdings stand Weber kurzzeitig auch im Verein ziemlich alleine da. Mittlerweile sind es wieder 35 Leute und etwa zehn, die sich aktiv und regelmäßig beteiligen. Beim Thema Frieden in Weimar nicht vergessen sollte man auch die Linkspartei, die schon seit einigen Jahren immer zum Weltfriedenstag am 1. September ein eigenes Friedensfest veranstaltet. Da überrascht es nicht, dass die Genoss*innen auch mal bei Weber anfragen, ob sie denn nicht Lust hätte zu kandidieren.
"Weimar hat sich zur Friedensarbeit verpflichtet, da will ich mitmachen“
Selbst wäre sie nie auf die Idee gekommen, in die Kommunalpolitik zu gehen, aber als sie von der Linken gefragt wurde hat sie sich gesagt: Wenn, dann jetzt. In 10 Jahren will ich das bestimmt nicht mehr. Weimar hat den Atomwaffenverbotsvertrag unterschrieben und ist auch im Programm Mayors for Peace: Das verpflichtet die Stadt zur Friedensarbeit. Da will ich mitmachen“, so Webers Plan. Im Weimar scheinen das auch andere so zu sehen.Beim letzten Mal hat sogar der Bürgermeister und ehemalige Polizeichef, Ralf Kirsten, eine erstaunlich gute, fast schon pazifistische Rede gehalten“, freut sich Weber.
Und wie geht es jetzt weiter mit der Friedensbewegung? „Wir brauchen eine nochmalige Zeitenwende: in eine Zeit, in der das Militär ausgedient hat. Was wir jetzt erleben sind kreuzgefährliche letzte Zuckungen des bellizistischen Zeitalters, während es an Volkshochschulen immer mehr Kurse für gewaltfreie Kommunikation gibt. Das fängt im Kleinen an: nicht provozieren, nicht drohen. Wenn wir das ins Globale umsetzen, bekommen wir auch eine gewaltfreie Konfliktkultur.“