Ganz ohne Urlaub um die Welt

Doch trotz der ausgelassen fröhlichen Veranstaltung machen sich auch hier die unschönen Auswirkungen des Kommerzes breit – sozial Benachteiligte blieben überwiegend außen vor.

Weit über 1.500 Besucher strömten  anlässlich des sechsten Interkulturellen Neujahrsfestes in das Kultur- und Kongresszentrum Neue Weimarhalle. Auf Grund des von Jahr zu Jahr wachsenden Besucherstroms sahen sich die Initiatoren gezwungen, diese Begegnungsstätte für sich zu nutzen. Nicht unbedingt ein Gewinn – geht doch das Ganze sehr in Richtung Massenspektakel, verliert an Intimität, Spontanität, Herzlichkeit.  Manch persönliche Kommunikation ging einfach unter und wurde auch von einigen Besuchern so empfunden. Trotzdem: Das Interkulturelle Neujahrstreffen ist bereits zur Tradition geworden, gewährt dem aufgeschlossenen Gast Einblicke in andere Kulturen, lässt Neues und Unbekanntes vertrauter werden und gehört zu den ganz großen Festen, mit denen Weimar alljährlich seine kulturelle Breite zeigt, tanzt und feiert. 

Seit 2006 organisiert der Ausländerbeirat der Stadt Weimar jedes Jahr dieses Fest. Anlass ist u. a. das Näherkommen zwischen deutschen und ausländischen Einwohnern der Kulturstadt. Künstler aus 23 Ländern beteiligten sich. Neben einer afrikanischen Gruppe, die mit Gesang, Tanz und Trommeln in die afrikanische Welt einführte, versetzten orientalische Tänze die Gäste in die Märchenwelt aus tausend und einer Nacht. Ganz ohne Urlaub „reiste“ man gedanklich von Europa nach Japan, in den Orient und über Lateinamerika nach Afrika. Bauchtanz, Tango, Samba, indische, persische und afro-brasilianische Tänze ließen den Alltag vergessen. Mit kulinarischen Spezialitäten aus verschiedenen Ländern wurde für das leibliche Wohl der Besucher gesorgt. 

Trotzdem, bei aller Freude über das Gelungene, ist auch Kritik vonnöten. Es ist unverständlich, dass den Auftakt des Festes vier deutsche Gruppen gaben, allen voran das Weimarer Uralt-Duo „Liedfass“ mit: „Hoch auf dem gelben Wagen“, gefolgt von einer Western-Tanzgruppe aus einem Dorfklub. Und ob es denn der Völkerverständigung dienlich ist, dass man für ein kleines Glas Wein 3,65 Euro und für ein kleines Bier zwei Euro berappen musste, ist wohl mehr als fraglich. Hartz-IV-Empfänger und andere sozial schwache Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft blieben wieder mal „draußen“. 

Droht auch diesem schönen Fest die Kommerzialisierung? Darüber sollte sich die Ausländerbehörde einmal gemeinsam mit der Stadt Weimar Gedanken machen.

Fotos und Text:Reiner von Zglinicki