„Amüsiere sich, wer kann“: Mit Humor durch die Krise

Dieser Erfurter geht mit Plüsch-Viren von zwei zypriotischen Künstlerinnen Gassi.

Ein Erfurter Bäcker bietet einen Nougat-Marzipan-Virus an und sogar die Stadtverwaltung, sonst eher Hort preußischer Ernsthaftigkeit, scherzte zum 1. April, die Namen Corina und Carola sollen verboten awerden. Nicht alle können angesichts der vielen Toten und des Ausmaßes der Katastrophe über so etwas lachen. Aber gerade in Krisenzeiten ist es besonders wichtig, den Humor zu bewahren. Das ist gut für kreative Lösungen und positives Denken.

 

Das dachte sich auch der Erfurter Maximilian Gutberlet, als er kürzlich einen überdimensionierten Corona-Virus Gassi führte. Sein freigeistiges Motto: „Amüsiere sich, wer kann“. Der 30-Jährige arbeitet im Qualitätsmanagement der Universität Erfurt. In seiner Freizeit entwickelt er Bildungsprojekte zum mittelalterlichen Mystiker Meister Eckhart und entdeckt immer mehr seine kreative Ader.

 

„Die Künstlerin Marianna Parmatzia hat sie 2017 im Rahmen ihres Kunststudiums an der Uni Erfurt geschaffen. Gemeinsam mit ihrer Schwester Andria arbeitet sie in ihrer Heimat Zypern immer wieder zum Verhältnis von Mikro- und Makrokosmos“, erklärt Gutberlet. Bei facebook sind viele ihrer Werke zusehen. (www.facebook.com/Parmatzia)

 

Aber wie kommt man auf die verrückte Idee mit Kuschel-Viren über die Straßen zu flanieren?

„Ich bin mit beiden Künstlerinnen gut befreundet und habe ein paar ihrer Werke bei mir zu Hause. In Zeiten, in denen ein mikroskopisch kleines Virus die gesamte Welt fest im Griff hat, habe ich mich davon inspirieren lassen und bin mit verschiedenen dieser Viren Gassi gegangen. Ein kleines Rhinovirus-Kuscheltier, das mir Sarah Kuttner bei einer Lesung geschenkt hat, kam auch gleich mit. Man bekommt ja sonst einen Stubenkoller, und die Viecher brauchen auch mal Auslauf ...“, sagt Gutberlet über die Aktion. Unter dem Hashtag #virusworldtour hat die Idee schon die erste Nachahmerin gefunden: in Radebeul.

 

Kommt man mit Humor besser durch die Krise? „Die Viren auf den entvölkerten Plätzen Erfurts und Berlins zu fotografieren, war vielleicht auch meine Art, die besondere Situation zu verarbeiten.“ Viele freuen sich neben all den schlechten Nachrichten auch mal lachen zu können. Aber gibt es auch miesepetrige Blockwarte, die keinen Spaß verstehen? „Bis jetzt habe ich nur positive Rückmeldungen erhalten, gerade weil es guttut, die angespannte Grundstimmung für einen Moment mit einem Lachen abschütteln zu können. Das ist wichtig, um durchzuhalten. Ein humorvoller und kreativer Umgang mit einem Problem hilft nicht nur bei dessen konkreter Lösung, sondern bekämpft auch das lähmende Gefühl der Ohnmacht.“

 

Aber was ist mit Menschen, die ihre berufliche Existenz oder sogar ihre Angehörigen verlieren?

„Diese Perspektive steht für mich nicht in Widerspruch zu Mitgefühl, Anteilnahme und Sorge angesichts schrecklicher Nachrichten in den Medien und im persönlichen Umfeld – sie steht daneben. Wenn man nun meine Fotos als geschmacklos empfindet, kann ich das zwar nachvollziehen, aber dann muss man sich gleichzeitig fragen, ob man im normalen Alltag auch keinen Schabernack treiben darf, während hierzulande und in anderen Teilen der Welt Unzählige furchtbar leiden. Das blendet man gern aus, wenn es einem gut geht. Eine Krise erzeugt gesellschaftlich ja kaum genuin neue Fragen, sondern führt einem die bestehenden nur deutlicher vor Augen“, macht Gutberlet deutlich und verbindet mit der Krise auch die Hoffnung, dass an deren Ende die Welt wieder etwas besser wird. „Angesichts dessen möchte ich ein wenig das utopische Denken pflegen und hoffen, dass die Menschen mit etwas mehr Haltung, Engagement und Achtsamkeit für sich selbst und andere aus dieser Belastungsprobe herausgehen.“

 

Vielleicht wird aus der Idee der nächste große Hype oder gar ein eigenes Kunstgenre mit weltweiten Ausstellungen? „Eine Ausstellung hatte ich gar nicht im Sinn, aber wenn noch mehr Leute ihre leergefegten Städte fotografieren, könnte man das nach der Krise vielleicht wirklich zusammenführen, als eine Art Fotoalbum mit Momentaufnahmen der Welt, wie sie den Atem anhält“, sinniert Gutberlet.