Wir legen den Finger in die Wunde

Anke Hofmann, Landesgeschäftsführern der Thüringer LINKEN und Leiterin des Landeswahlbüros, will sich im Wahlkampf auf die eigene Themen konzentrieren, Dem Mitbewerber tritt man dabei aber automatisch auf die Füße, weil DIE LINKE danach fragt: wer wann für was im Bundestag gestimmt hat und vor allem warum.

Beim Jahresempfang der Linksfraktion stellte Gregor Gysi fest, dass der Wahlkampf bislang noch eher emotionslos ist. Liegt das an Politikverdrossenheit der Menschen oder an der Weichspülung durch die Medien?


Ich denke, die Ursache liegt in der fehlenden Wechselstimmung, das zeigen auch Umfragen verschiedener Meinungsforschungsinstitute. Wenn die Bürger nicht über eine alternative Politik reden, ist auch keine Spannung im Wahlkampf vorhanden. Da haben alle Parteien eine hohe Verantwortung, auf die Menschen zuzugehen und zu sagen: Es kann nicht alles so bleiben wie es ist! Das würde den Wahlkampf wesentlich interessanter machen.


Wobei viele denken, egal wen sie wählen, es ändert sich eh nichts.  


Auch das bestätigen die Institute. Viele Menschen haben in der Tat den Eindruck, es kann sich nichts verändern – auch wegen welt- und europapolitischer Fragen. Da muss man den Leuten deutlicher machen, dass Parteienpolitik kein Einheitsbrei ist und vor allem DIE LINKE mit ganz klar abgegrenzten politischen Inhalten wirbt. 


Eigentlich müsste DIE LINKE vom Frust auf die etablierte Politik profitieren können. Aber wird man sich im Wahlkampf hundertprozentig auf Themen, statt auf Flügelkämpfe konzentrieren können?


Da bin ich sehr optimistisch. Das zeigt ja auch die große Mehrheit, mit der das Wahlprogramm angenommen wurde. Da finden sich alle Strömungen und Regionen wieder. An der grundsätzlichen Ausrichtung der Partei auf soziale Sicherung, Friedenspolitik und Internationalismus, lassen sich nahezu alle Einzelinteressen unterordnen.  Da gibt es auch keinen Streit. Über einzelne thematische Fragen kann und soll stets offen diskutiert werden. 


Das Wahlprogramm ist die eine Sache, die Umsetzung eine ganz andere. Wie will DIE LINKE einen  anderen Wahlkampf, ohne Sonn- tagsreden und ohne die Leute für dumm zu verkaufen, führen?


Unser Vorteil ist, dass wir im Bund frei von allen Koalitionszwängen sind. DIE LINKE hat schon immer ausgezeichnet, dass sie auch zwischen den Wahlen politikfähig ist und die wirklichen Probleme der Menschen ernst nimmt. Natürlich wurden nicht alle unsere Fragen im Bundestag beantwortet und unsere Anträge abgelehnt, weil die Mehrheiten nunmal so sind. Aber wir haben die Themen immer wieder besetzt und den Finger in offene Wunden gelegt. „Links wirkt“ ist keine hohle Phrase, sondern Realität. Ohne uns, wäre ein Thema wie der Mindestlohn nicht so weit in der öffentlichen Debatte. 


„Links wirkt“ ändert aber nichts an der Tatsache, dass viele Menschen DIE LINKE falsch bewerten, weil die Mehrheit der Medien sie nicht beachtet oder diffamiert. Da muss es doch eine andere Wahlkampfmethode als nur Infostände und Familienfeste geben?


Eine neue Form sind z. B. der Einsatz von sieben Lastenfahrrädern in Thüringen, als quasi sozial-ökologische, mobile Infostände. Ab August wird in fast allen größeren Städten Thüringens die Sommertour Station machen. Da wird es nicht nur politische Reden geben, sondern auch viel Live-Musik und prominente Unterstützung. Wir werden auch wieder in den Kleingärten, Unternehmen, Vereinen und Stammtischen das direkte Gespräch mit den Menschen suchen. Auch bei den Plakaten gehen wir dieses Jahr einen etwas anderen Weg. Da bin ich auf die ersten Reaktionen schon sehr gespannt.  


Für die ganz große Materialschlacht nach US-Vorbild dürfte DIE LINKE kaum Geld haben. Was steht finanziell zur Verfügung?


Wir haben von allen Parteien das kleinste Budget. Insgesamt sind es bundesweit sechs Millionen Euro. Zum Vergleich: SPD – 23  Millionen, CDU – 46 Millionen. Aus dem Landeswahlbüro werden 110.000 Euro dazu gegeben. Davon werden vor allem Werbemittel für den Direktwahlkampf bezahlt. Unsere Sommertour wird etwa 30.000 Euro kosten.  Dazu kommen Werbemittel wie unser  Altenburger Skatspiel. Finanziell aus den Vollen schöpfen können wir nicht gerade. 


Umso mehr kommt es auch auf die Bereitschaft der Basis an, die  u. a. mit einer Telefonaktion aktiviert werden soll?


Eigentlich sollte die Telefonaktion bis zum Wahltag weiter laufen, zumal sich ein großer Teil des Fragekomplexes mit der Bundestagswahl beschäftigt. Die AG Mitglieder hat sich aber bewusst entschieden, die Aktion zum 30.6. zu beenden, damit die Ergebnisse für die Kreise noch nutzbar gemacht werden können. Susanne Hennig wird auf einer Basiskonferenz im September eine erste öffentliche Auswertung vornehmen. Leider ist es bei diesem Mal noch nicht gelungen, eine ausreichende Zahl von Telefonist-Innen zu finden. 25 waren es insgesamt, aber ich bin zuversichtlich, dass sich solche Telefonaktionen in Thüringen etablieren werden, wenn wir aus den Fehlern lernen und die Kinderkrankheiten überwunden sind.


Wird es auf Thüringen bzw. den Osten zugeschnittene Inhalte geben oder wird mehr auf bundeseinheitliches Auftreten gesetzt? 


Es gibt sieben zentrale Themen:  Gesundheit, Wohnen, Antifaschismus, Frieden, soziale Sicherheit, Bildungschancen und Reichtum ist teilbar. Für die Ostlandesverbände gibt es das Themenplakat: „Der Osten wählt rot“. Das wird bisher sehr gut angenommen. Für Thüringen wird es in der Wahlzeitung acht Seiten geben, wo unsere DirektkandidatInnen vorgestellt werden, aber auch spezifische Thüringer Themen wie Fracking, 380-kV oder „Mehr Demokratie“ im Fokus stehen. Da wollen wir auch deutlich machen, dass durch die gute Arbeit der Landtagsfraktion sowie unserer Thüringer Landesgruppe im Bundestag, konkrete Ergebnisse vorhanden sind. Dabei treten wir automatisch manchen Politiker anderer Parteien auf die Füße, weil in einer Tabelle ganz deutlich wird, welcher Abgeordnete bei Abstimmungen, die Thüringen besonders stark berühren, wie votiert hat: Wer hat z. B. für das Fracking-Verbot, die Rentenanpassung Ost-West oder den Abzug aus Afghanistan gestimmt? 


Bei solchen Fragen wird meist das neoliberale Kartell von Union, FDP, SPD und Grünen deutlich. Das heißt doch, DIE LINKE muss einen Wahlkampf „gegen alle“ führen?   


Wir machen Wahlkampf nicht gegen andere, sondern immer für unsere politischen Ziele. Wir sollten uns nicht darauf reduzieren, die Positionen unserer Mitbewerber zu bekämpfen. Bei vielen unserer Inhalte, wie Mindestlohn oder Friedenspolitik haben wir eine extrem hohe Zustimmungsquote. Leider macht sich das in der Praxis  nicht in Umfragewerten bemerkbar. Da haben wir noch viel zu tun. Das Schlimmste, was wir machen könnten, wäre von unseren Positionen abzurücken. Viele Menschen spüren doch, dass sich etwas verändern muss. Ohne eine starke LINKE gibt es aber keinen mehr, der entsprechende Anträge in die Parlamente einbringt oder außerparlamentarische Bündnisse unterstützten kann. Wichtige Reformen oder Aufklärungsarbeit wie bei dem NSU oder dem Überwachungsskandal würden dann nur noch im Sande verlaufen.  

 

Es gibt einzelne Stimmen, die argumentieren, fliegt DIE LINKE aus dem Bundestag, gibt es ähnlich wie in der BRD von 1966 bis 1969 keine echte Opposition mehr, was den außerparlamentarischen Protest so beflügeln würde, dass DIE LINKE zur Partei einer Massenbewegung werden könnte …


Unser Ziel ist es, in Thüringen zweitstärkste Partei bei der Bundestagswahl zu bleiben. Als wir von 2002 bis 2005 nicht als Fraktion im Bundestag vertreten waren, hatte das für die Partei verheerende Auswirkungen. Themen, die auch früher schon die PDS besetzt hat, haben in dieser Zeit praktisch gar keine Rolle mehr gespielt und das halte ich für absolut unverantwortlich. Auch unsere Unterstützung für außerparlamentarische Akteure, vom Ostermarsch bis zum Protest gegen Naziaufmärsche, müssten wir dann zurückfahren und für die Demokratie in Deutschland wäre ein Bundestag ohne DIE LINKE ohnehin ein echter Supergau.   


Thomas Holzmann