Unsere Demokratie: die Herrschaftsform der Besitzenden

Max Uthoff, bekannt aus der ZDF-Satire-Sendung "die Anstalt", klärt auf und sorgt für gute Unterhaltung. Seine intelligente Kritik an unhaltbaren Zuständen in unserer Demokratie verbindet er mit konstruktiven Vorschlägen wie er Einführung einer Obergrenze für Gehälter. Oder anders gesagt: "Warum zum Henker soll Frau Klatten eine Milliarde Euro Dividende im Jahr bekommen?"

 

 

Wenn Kabarett etwas ändern würde, dann müsste Jens Spahn schon seit Jahren Wolfgang Schäuble durch ein Seniorenheim schieben. So ähnlich heißt es in ihrem aktuellen Programm. Worum geht es denn dann beim Kabarett: nur um Unterhaltung?

 

Darum geht es zunächst einmal. Ich versuche, die Leute intelligent zu unterhalten ...

 

Und ein bisschen Geld dabei zu verdienen?

 

Ja, das auch. Es ist ein großartiger Job, wenn es läuft. Aber ich mache mir keine Illusionen über die Wirkung. Kabarett ist aber ein ganz kleiner Mosaik-stein einer Gegenöffentlichkeit. Dazu gehört Journalismus genauso wie Kabarett und wie andere Formen: Kultur, Kunst oder verschiedene Protestplattformen wie attac. Ich hoffe, vielleicht bin ich da aber zu naiv, dass das Auswirkungen hat, auch wenn sie nur minimal sind. Ich möchte mir aber gar nicht vorstellen, wie es aussehen würde, wenn all das nicht da wäre.

 

Also darf man schon noch Hoffnung haben, dass wir nicht noch einmal durch einen Weltkrieg müssen?

 

Da ist bei mir natürlich auch ein bisschen Koketterie dabei. Natürlich gehe ich selbstverständlich davon aus, dass mein Programm bewusstseinsverändernd ist. Zweifellos haben alle Leute, die an so einem Abend nach Hause gehen, eine andere politische Einstellung als vorher und zwar genau die Gegenteilige.

 

Aber Menschen, die ins Kabarett gehen, wissen die Dinge, die sie ansprechen doch schon längst ...

 

Dieser Vorwurf, dass man zu den schon Überzeugten predigt, kommt häufig auf. Ich glaube das in den letzten 2,3 Jahren nicht unbedingt. Ich bin fest davon überzeugt, dass heute Abend (Auftritt am 6.10. in Erfurt) auch AfD-Wähler da waren …

 

Sicher?

 

Ganz sicher. Ich denke, da werden einfach Teile der Realität ausgeblendet. Nach der letzten Anstalt im ZDF habe ich eine erboste E-Mail von einem Psychologen aus Freiburg bekommen. Er sagte, er guckt diese Sendung sehr gerne. D. h. er hat sie nicht zum ersten Mal gesehen. In seiner offiziellen Beschwerde an das ZDF schrieb er, ob es denn wirklich sein könne, dass wir – zwei Wochen vor der Landtagswahl in Bayern – die AfD schwächen wollen. Da läuft mir schon der Kaffee über die Hose, wenn ich sehe, wie sehr Teile der Realität ausgeblendet werden. Als ob wir nicht in jeder einzelnen Sendung die AfD als die gefährlichen Rechtspopulisten gebrandmarkt haben, die sie in unseren Augen darstellen.

 

In diesem Kontext hört man gelegentlich auch den Vorwurf, dass Kabarettisten mit ihrer Kritik am politischen System der AfD dem Rechtspopulismus mit Vorschub geleistet haben …

 

Das ist doch Kokolores. Soweit kommt es noch, dass Formen der intelligenten Kritik an unhaltbaren Zuständen für den blanken Populismus und die dämliche Fremdenfeindlichkeit herhalten müssen. Ich weiß, dass die Schnittmenge Protest ist. Ich kriege auch Mails von Leuten, die sagen: Warum hacken sie so auf der AfD herum? Die wollen doch dasselbe wie sie – Merkel muss weg. So einfach geht es aber nicht! Hitler war Vegetarier, ich bin Vegetarier und trotzdem habe ich keine Lust, Polen zu überfallen. Die Schnittmenge ist viel zu klein. Ob nach Merkel nun Kramp- Karrenbauer oder Spahn kommt, ist Jacke wie Hose. Das Personal ist austauschbar. Ich möchte aber etwas anderes und vor allem etwas anderes als die AfD. Die wird schließlich zu Recht als rechtsnationale und in weiten Teilen als rechtsextreme Veranstaltung gewertet, die unbedingt verhindert werden muss.

 

Wie könnte denn etwas ganz Anderes aussehen? Ich warte bei vielen Kabarettisten immer darauf, dass sie sich mal intensiv mit der Thematik Losverfahren beschäftigen.

 

Ich bin ein großer Freund des Losverfahrens. Das sollten wir in vielen Fällen anwenden. Folgendes habe ich mir neulich überlegt: Am Anfang des Jahres werden genauso so viele Flüge verlost, wie es umwelttechnisch gerade noch zu vertreten ist. Wer ausgelost wird, aber das nicht will, kann seinen Flug für 40.000 Euro an irgendeinen Geschäftsmann verkaufen. Das Losverfahren ist auf jeden Fall ein deutlich faireres Verfahren als wir es jetzt haben. Ich halte diese Demokratie für die Herrschaftsform der Besitzenden. Dabei werden ganz bestimmte Dinge ausgeschlossen. Genau das sage ich im Programm ja auch. Es gibt durchaus die Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie wir Wohlstand verteilen können. Da gibt es Momente der Hoffnung. In Berlin zum Beispiel gibt es eine Initiative, die den größten privaten Vermieter verstaatlichen will. Die gehörten früher schon mal der Stadt. Nachdem es an einen Investorenfonds gegangen ist, wurden die Mieten erhöht und es gibt nur noch Beschwerden. Am Ende gilt: Hauptsache die Profite stimmen. Diese Möglichkeit von Verstaatlichungen und Enteignungen gibt es und irgendwann muss man zu diesen Mitteln greifen. Ich weiß gar nicht, warum wir nicht leidenschaftlich über eine Verdienstobergrenze diskutieren. Warum zum Henker soll Frau Klatten eine Milliarde Euro Dividende im Jahr bekommen? Wir sprechen ja nicht vom normalen Gehalt, sondern von einer Milliarde, die sie nur auf ihren Aktienbesitz bekommt. Das ist doch krank. Das regt mich auf.

 

Was halten sie in diesem Kontext von der rot-rot-grünen Thüringer Landesregierung oder von der Sammlungsbewegung „aufstehen“?

 

Mit der thüringischen Landespolitik habe ich mich zu wenig beschäftigt. Ich glaube aber, dass Herr Ramelow ein gutes Beispiel dafür abgibt, was passiert, wenn Linke an der Macht sind. Dann kommt es zu einem gewissen Abfall von ursprünglichem Veränderungswillen. Natürlich ist das auch den Koalitionen geschuldet und natürlich muss man auch Kompromisse eingehen. Bei meinen Überzeugungen bietet die Partei DIE LINKE allerdings nach wie vor die größten Schnittmengen. Und ich sage: DIE LINKE und nicht Frau Wagenknecht mit „aufstehen“. Es ist zwar ehrenwert und richtig, zu versuchen das Protestpotenzial links von der Mitte zu aktivieren, aber solange ich nicht weiß, was genau „aufstehen“ sich unter internationaler Solidarität vorstellt, bleibe ich skeptisch. Auf der online-Seite steht, so weit ich das überblicken kann, dazu nichts. Und ich möchte gerne wissen, ob man da versucht, zwischen einheimischen und zugewanderten Arbeitern zu differenzieren. Ich bekomme immer so einen seltsamen Juckreiz, wenn mir Begriffe wie Nation oder Volk begegnen. Kann ich nichts dafür, ist genetisch. Das war bei meinem Vater auch schon so.

 

Thomas Holzmann