Über das einfache Sagen hinaus

Auch, wenn sich Rainald Grebe nicht als den großen Aufklärer sieht: Kabarettisten und Liedermacher können die Welt doch verändern – marginal. In seinem neuen Doppel-Album „Berliner Republik“ nimmt er nicht nur Politikberater, Liechtenstein und Sanifair aufs Korn, sondern zieht auch verschiedenste Alltagsthemen genüsslich durch den Kakao.

 

 

 

Loriot, Mr. Bean und ein Hauch Zappa

 

Rainald Grebe ist schon ein echtes  Multitalent. Ob einst am Jenarer Theater, als Puppenspieler, Kabarettist, Liedermacher oder Roman-Autor. Gibt es etwas, was der 1971 geborene Kölner nicht kann? 

Im Freistaat kennt man ihn vor allem, weil er es geschafft hat, mit seinem Lied „Thüringen“ Herbert Roths Rennsteiglied als inoffizielle Landeshymne abzulösen. Dem anti-imperialen Charme des Thüringers entsprechend, ist es für Grebe „das Land ohne Prominente“,  wo man im Winter noch Hunde verspeist, weil der Weg zum nächsten Konsum so weit ist. Im Vergleich zu Brandenburg – „da stehen drei Nazis auf dem Hügel und finden keinen zum Verprügeln“ – kommt man  aber weit besser weg. Denn: „Weil die Mamis hier so Spitze sind, wenn die einmal Kartoffeln reiben, will man gleich untern Rock und für immer bleiben“.  Das spricht für sich. 

Seit Jahren nimmt Rainald Grebe nun schon genüsslich die deutsche Spießbürgergesellschaft auf’s Korn, ein bisschen wie es einst nur der große Loriot konnte. Mit seiner Kapelle der Versöhnung, die in der aktuellen Tour zum Orchester angewachsen ist, wäre musikalisch sicher noch mehr drin, aber auch so erinnert sein Musikstil, mit ein bisschen Rock hier, etwas Blasmusik da und Klavier-Geklimper dort an einen Hauch von Frank Zappa – zumindest hat der auch auf der Bühne geraucht.

 Seine Grimassen, bei denen die Augen aus dem Gesicht zu springen scheinen, haben dagegen eher etwas von Mr. Bean. Aber solche Vergleiche hinken schon deshalb, weil Grebe ein absolutes Unikat ist. Das liegt auch daran, dass er ein weit größeres Publikum erreicht als es die meisten Kabarettisten oder Liedermacher schaffen. Wer ihn deswegen mit der sexistischen Klischee-Splitter-Bombe Mario Barth vergleicht, ist blinder als die Blinden.

In seinem neuen Album „Berliner Republik“, dass er am 11. April in der Erfurter Messehalle, von Grebe in Kim-Jong-un-Gedächnis-Halle umgetauft, zum Besten gab, geht es um die hohe Politik, aber auch um Alltagsthemen. Er will Sanifair, den monopolistischen Betreiber aller Autobahntoiletten verklagen und klärt mit dem Bild des „Chlor-Hähnchens“ über das Freihandelsabkommen auf. Gleichzeitig macht er sich über den Weihnachtswahn lustig, wenn schon im August Spekulatius und Stollen in den Supermärkten stehen. Es scheint nichts zu geben, was dieser Mann nicht genüsslich durch den Kakao ziehen kann. Trotz seiner für dieses Genre großen Erfolge und hoher Bekanntheit, ist er auf dem Teppich geblieben und nimmt sich selbst und seine Kunst nicht ganz so wichtig. Dabei ist sein Einfluss vielleicht wesentlich größer als er selbst glaubt.

 

 

Wenn man sich einige ihrer Lieder, wie „der Kandidat“, „Guido Knopp“ oder „die 68er“ anhört, könnte man denken, dass hier auf subtile, polemische und humorvolle Art im Grunde die Wahrheit gesagt wird. Ist denn das Kabarett der einzige Ort, wo man das noch ungestraft darf?

 

 

Ich sage ja eigentlich nur das, was jeder weiß. Beim Lied „der Kandidat“ sage ich, dass Politiker ständig Allgemeinplätze von sich geben. Ich habe da nur eine andere Form gefunden. 

 

 

Aber in den Charts oder generell in der Popmusik hört man so was heutzutage doch sonst nie. 

 

 

In der Popmusik hat man so etwas noch nie gefunden. Da geht es nicht darum, etwas zu sagen, sondern nur ums Fühlen. 

 

 

War das zu Zeiten der Rolling Stones und Black Sabbath nicht anders?

 

 

Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Bei Popmusik geht es meistens nicht um spezielle Sachen oder darum etwas Wichtiges zu sagen. Das findet man beim Kabarett oder bei den Liedermachern, da wird es schon mal etwas konkreter. 

 

 

Ist denn Kabarett oder Musik überhaupt ein Instrument, das die Welt verändern kann oder geht es doch nur ums Abschalten? 

 

 

Es gibt ja immer Versuche, mit dem so genannten politischen Kabarett die Welt zu erklären. Bei „der Anstalt“, wo sich der  Kabarettist hinstellt und versucht, die Rentenformel zu erklären oder über das Freihandelsabkommen aufklärt ... hmm, ich mache das in meinem Programm ja auch ... ist immer das Problem: Die Kunstform soll die Menschen durch Pointen zum Lachen bringen und wenn das nicht gelingt, ist es wie ein Vortrag in der Urania. Wenn ich aufklärerisch sein will – im Sinne von ich weiß etwas, was ihr nicht wisst, weil ich überall meine Informanten habe und mich intensiv damit beschäftige –  dann wäre das etwas anderes. Ich mache schon ein paar Nachforschungen, aber so ein investigativer Journalist bin ich dann auch wieder nicht. Ich versuche eher eine bestimmte Lebensform, eine bestimmte Haltung auf der Bühne darzustellen. Das muss ich aber nicht mit Parolen oder mit einem wählt Das und Das äußern.  

 

 

Welche Aufgabe sollte politisches Kabarett in einer funktionierenden Demokratie Ihrer Meinung nach haben?

 

 

In der 68er-Zeit gab es in Köln mal eine Truppe die nannte sich die Machtwächter. Die haben in der ersten Hälfte ihres Programms aufgeklärt. Erst wurde über das, was nicht in der Zeitung steht berichtet und dann haben sie daraus Pointen gemacht. Die hatten noch den Impetus: Wir wissen was, was ihr nicht wisst. Heute ist das ein bisschen anders. Vielleicht täusche ich mich da, aber heute kann man doch alle Informationen bekommen, auch, wenn sie nicht in den großen Zeitungen stehen. Ich sehe mich da nicht als den Großaufklärer ... obwohl, ich stellte mich schon manchmal  hin und tue so, als wüsste ich mehr als das Publikum (lacht). Im aktuellen Programm geht es ja darum Sanifair zu verklagen. Dann muss ich das dieses Jahr wohl auch durchziehen. Da gehe ich schon über das einfache Sagen hinaus, genauso auch mit der Unterschriftensammlung gegen das Freihandelsabkommen. Aber das ist alles schon sehr einfach. 

 

 

Kann das humorvolle zuspitzen komplexer Sachverhalte am Ende doch dazu beitragen, dass die Menschen das dann besser im Kopf behalten und nicht nur lachen, sondern auch nachdenken? 

 

 

Im besten Fall ja. Marginal kann ein Kabarettist oder Liedermacher schon die Welt verändern. Das muss nicht mal etwas Politisches sein. Es kann auch um eine bestimmte Lebenssituation gehen, die viele kennen und dadurch, dass eine Textzeile gut ist, ist die Wirkung plötzlich da. Das höchste der Gefühle ist, dass eine Zeile von mir in vieler Munde ist, die Leute freut oder erhellt. Ich denke, viel mehr kann ich gar nicht verlangen. 

 

 

Wenn wir von Veränderungen reden, vor denen könnte Thüringen stehen, wenn im September die CDU nach über 20 Jahren aus der Regierung fliegt. Sie haben lange in Jena gelebt.  Was denken Sie, würde ein LINKER Ministerpräsident nicht viel verändern oder passiert dann doch etwas ganz Großes?

 

Das kann ich nicht genau sagen, ich denke aber, dass in diesem System nicht so viel Spielraum ist. Wenn es zu einem Wechsel kommt, ist das sicher immer erst mal gut. So wie in Baden-Württemberg, wo sich Strukturen und Geflechte gebildet haben, die meistens nicht so gut sind. Wenn in einer Demokratie mal etwas Neues kommt, ist das prinzipiell erstmal gut. Jetzt ist doch die Maßgabe von Oben, es mit links-links versuchen zu wollen. Wer weiß, was dann passiert, vielleicht der Weltuntergang (lacht)...   

 

 

Klingt so, dass Sie in diesem System, die ganz großen Veränderungen ohnehin für nicht möglich halten?  

 

 

Das ist jetzt auch wieder so daher gesagt, aber nach  60 Jahren in diesem ganzen Geflecht der Parteien und Gesetze ist das alles so dicht, da gibt es kaum Spielraum. Durch die ganzen Abhängigkeiten, die da herrschen mit der Wirtschaft, Bund-Länder usw. ist das jedenfalls nicht gerade einfach. 

 

 

Schaut man sich die schwarz-rosane Landesregierung mit „Pfäffin und Pfäffchen“ an der Spitze an, könnte das nicht eine gute Vorlage für ein kleines Liedchen sein?  

 

 

Ist der Matschie eigentlich noch dabei? Von der Lieberknecht habe ich nur so ein, zwei O-Töne im Kopf, aber da habe mir schon gesagt: Oh Gott, was ist das denn? Die scheint manchmal nicht zu wissen, was sie sagt. Der Ramelow ist ja auch kein Frischling mehr und war beim letzten Mal schon kurz davor.         

 

Thomas Holzmann