Politischer Druck durch Bürgerbeteiligung

Ralf Lang, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft Bürger Energie Jena: Konzerne denken streng marktwirtschaftlich, Genossenschaften bieten eine nachhaltige Geldanlage in der Region und fördern die Energiewende. In Jena sind fast alle Teil der Bevölkerung dabei. Ein Anteil kostet 500 Euro.

Im nächsten Jahr wird die EEG-Umlage um einen Cent je Kilowattstunde steigen. Dadurch drohen wieder höhere Strompreise. Wird die Förderung der Energiewende mit Verweis auf die angeblich so hohen Kos-ten bald wieder gedrosselt?  

 

Bei den Details der EEG-Umlage, bzw. bei der Förderung der erneuerbaren Energien muss dringend nachgebessert werden, denn sonst entsteht in der Tat beim Bürger der Eindruck, dass er sich etwas Überteuertes ins Haus holt.  Letztlich ist das ein politischer Trick, in dem man den Menschen weismachen will, die EEG-Umlage sei ein Aufschlag auf die Stromkosten und gleichzeitig wird verschleiert, was es kosten würde, wenn die Energiewende nicht weiter entschlossen umgesetzt wird.  Das ist bei der CDU, aber auch in Teilen der SPD so. Die EEG-Umlage kann schon angesichts der derzeitigen Zunahme von Solar- und Windparks auf keinen Fall einfach so wie jetzt weiter laufen. 

 

Was würde es denn kosten, wenn die Energiewende nicht schnellstmöglich umgesetzt wird? 

 

Es gibt verschiedene Berechnungen, die darauf hinauslaufen, dass wir mit der Energiewende in Vorkasse gehen, das heißt: Dieses Geld sparen wir später wieder ein. Alle seriösen Prognosen gehen davon aus, dass die fossilen Energieträger auf Grund der stetig steigenden Weltmarktnachfrage kontinuierlich  immer teurer werden. Vergessen wird auch immer, dass das Land, welches bei der Technik am weitesten ist,  gute Exportchancen und sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze hat.  Bei den  Solarzellen haben wir genau diesen technologischen Vorsprung schon verpasst, auch weil es keine Innovation gegenüber den Mitbewerben mehr gab. So kann man mit den chinesischen Firmen natürlich nicht konkurrieren, da geht es gar nicht nur allein um die Lohnkosten. 

 

Was hätten Unternehmen und Politik anders machen können, um Firmen wie Bosch Solar in Arnstadt zu erhalten? 

 

Unternehmen wie Bosch Solar haben sozusagen marktkonform agiert, das heißt: Sie haben auf Grundlage von staatlichen Förderungen gehandelt. Teilweise haben sie vorher gesagt, was sie an Förderung brauchen, um in Thüringen oder Sachsen-Anhalt ein Solarmodulwerk errichten zu können. Man hätte aber viel stärker in die technische Entwicklung investieren müssen, um sich gegenüber China einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Da war die Förderpolitik leider jahrelang verfehlt und deswegen ist dieser Zug schon längst abgefahren. Das zeigt doch, man kann sich bei der Energiewende nicht auf Unternehmen und Regierungen verlassen, sondern sollte sie von Unten in die Hand nehmen. Welche Rolle spielen dabei die Energiegenossenschaften? In Jena investieren wir als Energiegenossenschaft im wesentlichen Geld. Zum einen in unsere Beteiligung (derzeit 2 Prozent) an den Stadtwerken Energie Jena-Pößneck, wodurch wir sie dazu bringen wollen, ökologisch sinnvoll zu wirtschaften. Da haben wir bisher 8,3 Millionen Euro investiert. Zum anderen investieren wir in eine Partnergenossenschaft, die Bürger Energie Saale-Holzland, mit der wir gemeinsam Solarprojekte realisieren. Im Oktober ist gerade wieder eine Anlage auf einer Sporthalle im Hainspitz bei Eisenberg in Betrieb gegangen. Der Großteil des dort erzeugten Stroms wird vor Ort verbraucht werden. So können wir die Netzentgelte einsparen, weil wir direkt an den Abnehmer verkaufen. Dadurch können wir die Preise über Jahre stabil halten. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Strom ins Netz einzuspeisen.

In Jena selbst haben wir vor, auf dem Dach eines gemeinützigen Vereins eine Anlage zu installieren, die vorrangig zum Selbstverbrauch konzipiert ist. Nur der Reststrom wird verkauft. Ein reines EEG-Modell, dass sich nur über die Einspeisevergütung finanziert, ist heute  nicht mehr möglich. Bei Solaranlagen kann man sich nur noch maximal 90 Prozent des Stromes subventionieren lassen. Je mehr Solaranlagen installiert werden, desto stärker sinkt die Förderquote. Jetzt gibt es noch 12 bis 14 Cent für die Kilowattstunde. Letztes Jahr waren es noch 15 Cent.  Liefern wir direkt zum Endverbraucher, wie bei der Anlage in Heimspitz, können es aber, je nach Abnehmer, auch höhere Beträge sein. Bei uns hat der Abnehmer dafür garantiert eine stabile Komponente, während die Strompreise bei anderen weiter kräftig steigen werden. Das hängt von den Weltmärkten ab.

 

Bei der Förderung wird doch ohnehin die Großindustrie  bevorzugt, wie im Fall Off-Shore-Windparks und nicht die dezentralen Lösungen. 

 

Das ist eine Frage der Dimensionen. Solaranlagen sind politisch einfach durchzusetzen, die machen keinen Krach, sind klein und niemand stört sich ernsthaft daran. Wenn die CDU populistisch argumentiert, man würde mit der EEG-Umlage dem reichen Häuslebesitzer seinen Strom subventionieren, dann ist das schon bösartig, aber sonst eckt man mit Solarenergie bei niemanden an –bei On-Shore-Windenergie dagegen überall, bei Umweltschützern, bei Tourismusverbänden und bei Anwohnern. Deshalb ist die Off-Shore-Windenergie so verlockend. 

Problem ist nur, dass im Norden, wo diese Off-Shore-Anlagen stehen, noch gar keine Kapazitäten vorhanden sind, um diesen Strom überhaupt abzunehmen. Man kann ihn weder vor Ort verbrauchen noch weiter transportieren.

 

Deswegen behauptet ja u. a. die CDU, dass man die 380-kV-Leitung durch Thüringen braucht, um Windstrom von Norden in die Industriezentren nach Bayern zu schaffen.

 

Schlimmer noch, zuletzt haben CDU und FDP die Off-Shorehaftungs-Umlage nach § 17f EnWG aufgelegt. Damit bezahlt der Endverbraucher Entschädigungen an Off-Shore-Windparks, deren Strom gar nicht ins Netz eingebracht werden kann. Das führt zu Fehlsteuerungen. Strom sollte in dem Rahmen gefördert werden, wie er ins Netz passt – dezentral.

 

Bei der Energiewende geht es nicht nur um Stromproduktion. Was kann eine Energiegenossenschaft im Bereich Effizienz voran bringen?

 

In Jena gibt es demnächst ein großes Umstellungsprojekt bei der Fernwärme. Wohngebiete, wie Lobeda werden mit Wärme aus einem zentralen Kraftwerk in Winzerla versorgt. Das gehört aber nicht den Stadtwerken, sondern Eon. In wenigen Jahren wird das veraltet sein. Die Stadtwerke haben die Wahl, wie sie dann weiter verfahren.Jetzt könnte man einfach ein neues Kraftwerk bauen. Das wollen wir aber nicht, sondern stattdessen bis zu fünf energieeffiziente, mittelgroße Anlagen, teilweise mit Biogas betrieben,  die darauf abgestimmt sind, dass der Heizbedarf in Jena sinken wird. Die größten städtischen Verbraucher von Heizenergie sind die Wohngesellschaften. Eine davon, Jenawohnen, gehört den Stadtwerken Energie, wo wir einen, wenn auch derzeit noch kleinen, Einfluss haben. Aber bereits jetzt wird dort sehr stark auf Dämmung und Isolierung und damit auf die Senkung der Heizenergie geachtet, so dass ein Absinken des Bedarfes an Heizenergie zu erwarten ist. Das in der Praxis umzusetzen, geht aber nur mit politischem Druck und den erzeugt man am besten durch eine breite Bürgerbeteiligung. Ein normaler Konzern würde streng marktwirtschaftlich rechnen, vielleicht das alte, abgeschriebene Kraftwerk längstmöglich weiter laufen lassen, nicht in die Effizienz investieren und die Mehrkosten auf die Mieter umlegen.

Aber, wenn dann nach Jahren die Rechnung präsentiert wird, ist von diesen Entscheidungsträgern keiner mehr da. Deswegen wollen wir, dass die Stadtwerke mit ihrem Energiesparkurs noch weiter gehen und stärker auf dezentrale Lösungen setzen.

 

Neben der politischen Frage Energiewende, bieten die Genossenschaften ein faires und nachhaltiges Kapitalanlagemodell in der Region. Wie sieht das genau aus? 

 

In Jena haben wir fast alle Teil der Bevölkerung dabei. Ein Anteil kostet 500 Euro. Da gibt es auch Studenten, die sich Anteile kaufen und als politisches Statement sehen, aber sich natürlich ebenso über die vier Prozent Zinsen freuen. Wir haben auch viele Ärzte oder Professoren an Bord, die sich im Privatleben gerne engagieren würden, aber gar keine Zeit dafür haben. Es gibt auch Großeltern, die für ihre Enkel Anteile als Vorsorge kaufen und den politischen Effekt ebenfalls gerne unterstützen. Sogar institutionelle Anleger wie die Ethikbank oder die Kinder- und Jugend-Fußballstiftung Jena sind mit dabei. Dieses Potential ist aber noch lange nicht ausgeschöpft und es laufen bereits viele gute Gespräche mit weiteren Investoren.  

 

Thomas Holzmann