Mit mehr Bildung und Einfluss zu bewussteren Kaufentscheidungen

Die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Heidrun Sedlacik, will mit mehr Bildung uns besseren Beteiligungsmöglichkeiten die Bürgerin zu einem bewussteren Kaufverhalten bringen.

Anfang des Jahres war es Dioxin, jetzt ist es EHEC. Was kann man überhaupt noch gefahrlos essen?


Über dieses Thema wird sehr viel geredet und noch mehr Panik gemacht. Meine Tochter kam kürzlich aus der Mongolei zurück und hat nach wochenlangem Schaffleisch essen genüsslich wieder Gurken und Salat gegessen, natürlich vorher ordentlich gewaschen. Dadurch ist mir wieder bewusst geworden, wie sehr wir uns verrückt machen lassen. So schlimm EHEC ist, es hat zumindest den Vorteil, dass überall wieder verstärkt auf die Hygiene geachtet wird. Das ist ein ganz einfaches Mittel, aber wenn wir jeden Tag auf solche Kleinigkeiten achten würden, auch wenn es gerade keine EHEC-Fälle gibt, dann wäre schon viel geholfen.  


Sie sind erst seit kurzem mit dem Thema Verbraucherschutz beschäftigt. Wie kommen Sie mit diesem wichtigen Politikfeld zurecht? 


Ich bin seit dieser Legislaturperiode damit befasst und muss feststellen, dass Verbraucherschutz immer noch einen zu geringen Stellenwert hat. Verbraucherschutz ist Konsumentenschutz und somit ein umfangreicheres Politikfeld.  Es geht ja nicht nur darum, auf Skandale, wie jetzt mit EHEC zu reagieren. Verbraucherschutz muss viel weiter gefasst werden. Genau das will ich erreichen. Nachdem ich mir einen ersten Überblick verschafft hatte, war ich schon ein wenig überrascht, was ich mir da aufgeladen habe. Das fängt beim Gesundheitswesen an, geht über Wirtschaft, den Datenschutz bis hin zu den Finanzen, alles Bereiche, wo wir  einzelne Fachressorts haben. Eigentlich müsste jeder Fachpolitiker den Verbraucherschutz ganz oben auf der Agenda haben, schließlich sind Verbraucher ja auch immer Wähler. 

  

Im Programmentwurf der LINKEN taucht der Begriff Verbraucherschutz nur an einer Stelle auf. Ist dieses Politikfeld damit unterrepräsentiert?

   

Ich bin der Meinung, dass man bei solchen Entwürfen nicht so sehr über jedes einzelne Komma streiten sollte. Eigentlich müsste der Begriff an viel mehr Stellen auftauchen. Aber es steht nicht immer das drauf, was auch drin ist. LINKE Wirtschaftspolitik ist schon im Vorhinein auf die Verbraucher, die Konsumenten ausgerichtet, auch wenn das nicht explizit so drin steht. 


Was die Politik in Sachen Verbraucherschutz machen kann ist die eine Seite, noch mehr ist aber der Konsument selbst gefordert, seine Marktmacht zu erkennen. 1995 hat man eine  erfolgreiche Boykottaktion gegen Shell gestartet, weil die eine Bohrinsel im Meer versenken wollten. Warum gibt es solche Aktionen, die selbst internationale Großkonzerne zum Einlenken bringen, nicht viel häufiger?


Ich denke, dass wir in Zukunft solche Aktionen viel häufiger sehen werden, gerade auch, weil wir heute ganz andere Kommunikationsmöglichkeiten haben. Allerdings muss man den Finger erst einmal in die Wunde legen. Dazu braucht es Kampagnen, bei denen man z. B. ganz klar sagt: kauft nicht diese Möbel, die sind aus Tropenwäldern, die radikal abgeholzt werden oder kauft nicht dieses Spielzeug, das wurde unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt. Das Schwierige ist immer, so etwas im großen Stil öffentlich zu machen und den Menschen die oft komplexen Zusammenhänge zu erklären. Wenn so etwas funktionieren soll, sind auch noch zwei weitere Dinge wichtig: Bildung und ein gutes Einkommen. Wer sich qualitativ hochwertiges Fleisch aus der Region nicht leis-ten kann, der greift zum abgepackten Billigfleisch. Da wird auch die Verbindung zur ureignen Forderung der LINKEN nach einem Mindestlohn deutlich. Eigentlich ist das ganz einfach: Wer einen ordentlichen Lohn bekommt, der kauft auch eher ein teureres Produkt aus der Region – so kommt der regionale Wirtschaftskreislauf in Gang.


Was kann jeder Einzelne tun, um qualitativ hochwertige Produkte von schlechten einfach zu unterscheiden?

 

Es gibt eine neue Initiative über die Internetseite „Klarheit und Wahrheit“, die ab Juli geschaltet werden soll. Ich finde es gut, dass Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner das gegen den Widerstand der FDP und diverser Lobbygruppen durchgesetzt hat. Verbraucher sollen dort die Möglichkeit haben, Produkte anzuzeigen, bei denen z. B. die Inhaltsangaben nicht stimmen. Von dieser Plattform wird das untersucht und wenn sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, werden die entsprechenden Schritte gegen die betroffenen Unternehmen eingeleitet. Die Wirtschaft bekämpft dieses Projekt natürlich als „Internet-Pranger“, aber es wird endlich eine Möglichkeit für die Bürger geschaffen, die Politik aufzufordern, bestimmte Dinge zu überprüfen. Ich bin da schon sehr gespannt wie sich das entwickelt. Menschen müssen die Möglichkeit haben, Einfluss auf Produkte zu nehmen, so stelle ich mir Verbraucherschutz vor, denn dann werden viele auch bewusstere Kaufentscheidungen treffen.


Sollten bestimme Produkte, die hohen Qualitätsansprüchen nicht genügen, besser grundsätzlich verboten werden? 


Verbote finde ich problematisch. Das kann man sicherlich auch anders regeln, wie durch Steuern oder Subventionen. Wenn ich will, dass etwas möglichst wenig oder gar nicht gekauft wird – wie z. B. Zigaretten – kann man das auch erreichen, in dem man sie extrem teuer macht. Beim Rauchverbot sieht man ja, wie das Ganze nach hinten losgeht. Ähnlich sieht das beim Autofahren aus, wenn die Spritpreise noch deutlich höher wären, würden sicher viele das Auto stehen lassen und eher auf den ÖPNV umsteigen. Das kann die Politik steuern, indem sie den ÖPNV mehr subventioniert, das geht auch bei regionalen Produkten.


Ist es überhaupt möglich, einfach so Steuern oder Abgaben auf bestimme Produkte zu erheben?


Ich denke, regional gibt es Lösungen, wenn der politische Wille vorhanden ist. Vielleicht muss man an dieser Stelle noch weiter denken. Es gibt ja schon in vielen Gebieten Deutschlands das Regiogeld. Das könnte auch eine Variante sein, um rechtliche Barrieren zu umgehen, und den Kreislauf bestimmter Produkte zu fördern. Man muss das noch bekannter machen und den Bürgern als echte Alternative präsentieren.


Zurzeit blühen in Thüringen wieder überall die Rapsmonokulturen aus denen dann der Biosprit E10 hergestellt wird, der sich ökonomisch wie ökologisch weit weniger funktional darstellt als angenommen. Warum verbietet man den nicht einfach? 


Wie schon gesagt, ich finde Verbote problematisch. Die Politik hat da andere Möglichkeiten zu regulieren. Gegen die Beimischung von Biosprit habe ich grundsätzlich nichts, aber es muss auf Basis der Nachhaltigkeit passieren und darf nicht, wie wir es jetzt erleben, auf Kosten des Gemüse- und Getreideanbaus gehen. Weit umweltschonender wären preiswerter Bus- und Bahnverkehr. Sich in diese Richtung zu bewegen, ist allemal besser als Verbote. 


Gerade bei der Bahn sind die Preise in den letzten Jahren aber exorbitant gestiegen …


Weil sich der Staat bei der Bahn, wie auch bei anderen wichtigen Dienstleistungen – Strom, Wasser, Abfall – zurückgezogen hat und alles dem Markt überlässt. Da haben wir als LINKE immer gesagt, das ist der falsche Weg. Eine privatisierte Bahn ist eben nur am schnellen Gewinn orientiert und nicht an Nachhaltigkeit. Aber auch hier hat schon ein Umdenken eingesetzt. Das sieht man beim Thema Energie, wo immer mehr Städte und Gemeinden versuchen, die Netze und Kraftwerke wieder zurück in die kommunale Hand zu bekommen.  


Ein Thema, dass immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist der Verbraucherschutz im Internet. Auf was sollten die Bürger im Netz ganz besonders achten?


Die notwendige Eigenverantwortung für einen sicheren Umgang mit dem Internet kann der Staat nicht regeln, das müssen die Bürgerinnen und Bürger selber erkennen. Da kann man höchstens über eine bessere Bildung positiv einwirken. Ich finde z. B. facebook auch interessant, habe aber für mich entschieden, dabei nicht mitzumachen, weil ich erkannt habe, dass da viel zu viele Informationen Preis gegeben werden. Natürlich haben soziale Netzwerke außerparlamentarisch auch durchaus positive Aspekte. Ägypten hat ja gezeigt, wie hilfreich facebook oder twitter für eine erfolgreiche Mobilisierung sein können.