Kleinkariertheit, die ihre historischen Wurzeln im Extremistenerlass hat
Aus Sicht des Jenaer Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Torsten Oppelland ist DIE LINKE nicht grundsätzlich verfassungsfeindlich, die Partei ist akzeptierter Teil der Politik – Mitgliedschaft ist keine Indikator für Verfassungstreue
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, die Linkspartei und auch den Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, weiterhin vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Was ist aus Ihrer Sicht an dieser Partei verfassungsfeindlich?
Als Partei grundsätzlich wenig bis nichts. Es gibt aber einzelne Personen und auch Unterorganisationen der Partei, bei denen das nicht so eindeutig ist. Dazu gehört die Kommunistische Plattform oder auch Teile der Jugendorganisation, wo die Leute mit dem autonomen Rand zumindest sympathisieren und es gibt offensichtlich auch Kontakte und Kooperationsbeziehungen. Da DIE LINKE immer die Strategie gefahren hat, bei allem was links von der SPD ist, möglichst inklusiv zu sein, sind diese Berührungen ganz natürlich. Insofern gibt es einzelne Elemente in der Partei, bei denen sich eine Beobachtung rechtfertigen ließe. Bei Personen wie Herrn Ramelow kann ich mir aber nicht erklären was das soll.
Das Ganze geht so weit, dass Mitgliedern der Partei die Einbürgerung, wie im Fall Menger-Hamilton (UNZ 5/10), verweigert wurde. Ist so etwas nicht nur vorgeschoben und politisch motiviert?
Das ist schon eine Kleinkariertheit, die ihre historischen Wurzeln in den siebziger Jahren, in Dingen wie dem Extremistenerlass hat. Die Mitgliedschaft in der Linkspartei als Indikator für mangelnde Verfassungstreue zu nehmen, halte ich für absurd. Immerhin ist diese Partei in fast allen Parlamenten vertreten, an Regierungen beteiligt und ein akzeptierter Teil der Politik.
Ist die Linkspartei, als einzige echte gesamtdeutsche Partei, in der Lage, die Position, die sie sich im Westen erarbeitet hat, zu bewahren und gleichzeitig im Osten so stark zu bleiben?
Ich sehe es nicht ganz so, dass DIE LINKE die einzige gesamtdeutsche Partei ist. Auch die längere Zeit in Ostdeutschland marginalisierten Parteien wie die FDP und die Grünen sind jetzt wieder existent. Das Fünf-Parteien-System ist – mit regional ungleichen Kräfteverhältnissen – praktisch in ganz Deutschland etabliert. DIE LINKE da als einzige gesamtdeutsche Partei zu sehen, halte ich insofern für etwas zu hoch gegriffen. Ein Prognose zur Verankerung im Westen ist schwierig. Im Moment sieht es aber nicht so aus, als würde sie dort wieder verschwinden. Das hängt aber auch sehr stark von dem Verhalten der anderen Parteien ab. Im besonderen von der SPD, die immer ein wichtiger Bezugspunkt für DIE LINKE war und ist. Das Agieren der Sozialdemokraten, gerade im Zusammenhang mit der Agenda 2010, hat die Entstehung der LINKEN, in der Form wie wir sie heute haben, überhaupt erst möglich gemacht. Genau das macht es auch für die SPD so schwierig. Soll sie DIE LINKE als Partner akzeptieren, um wieder in Regierungsverantwortung zu kommen? In NRW ist das partiell als Weg eingeschlagen worden. Das kann entweder dazu führen, dass die SPD wieder weiter nach links rückt und versucht, der Linkspartei so die Wähler wegzunehmen. Oder die SPD versucht, DIE LINKE durch Regierungsbeteiligungen zu absorbieren. Eine Umarmungsstrategie seitens der SPD ist für DIE LINKE also nicht ungefährlich. Die Partei ist im Westen sicherlich nicht auf Sand gebaut, aber sie ist auch nicht so fest gemauert, dass sie alle möglichen Krisen überstehen kann. Was die Stärke im Osten angeht, finde ich es überraschend, wie gut es der LINKEN gelungen ist, ihren Status als Vertreter der Ostinteressen zu behaupten, gerade vor dem Hintergrund des Auftretens als gesamtdeutsche Partei. Man hätte vermuten können, dass ihr Status als Vertreter der Ostinteressen erodiert. Das ist bislang aber überhaupt nicht der Fall.
Sie haben das Thema Regierungsbeteiligung angesprochen. Wie könnte eine rot-rote Zusammenarbeit in Thüringen nach der nächsten Wahl aussehen?
Momentan haben wir die Große Koalition und wenn die erfolgreich arbeitet, wird es sehr schwer für DIE LINKE, die SPD aus dieser Koalition herauszuholen und in eine Regierungsbeteiligung zu kommen. Allerdings werden die internen Auseinandersetzung innerhalb der Regierung, vor allem durch Einschränkungen des Haushalts – Auslaufen des Solidarpaktes, Schuldenbremse – weiter angeheizt werden. Natürlich wird das Ergebnis der nächsten Landtagswahl letztlich entscheidend sein. Wenn die Große Koalition so ausgeht wie 1999 und die SPD als Verlierer da steht, wird sie die Große Koalitionen kaum fortsetzen können.
Ein Grund, der von SPD und Grünen angeführt wird, eine Zusammenarbeit abzulehnen, ist, dass DIE LINKE ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat. Ist das nicht genau so vorgeschoben wie das Thema Verfassungstreue?
Natürlich kann man nicht bestreiten, dass es Geschichtsaufarbeitung in der LINKEN gibt. Andererseits gibt es durchaus bei Manchen das lebendige Gefühl, dass einiges in der DDR besser war. Das zielt vor allem auf das Wirtschaftssystem ab. Wenn man Gleichheit als Gerechtigkeit versteht, ist es nachvollziehbar, dass es Menschen gibt, die das DDR-System in der Tat als gerechter und besser empfinden. Aus diesem Gefühl heraus, gibt es immer mal wieder Äußerungen, die sich so interpretieren ließen, als hätte DIE LINKE ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet. Das gibt dem Argument, man müsse sie aus der Regierungsverantwortung ausschließen, natürlich wieder Vorschub und lässt sich vom politischen Gegner ausbeuten. Natürlich haben sich Frau Leukefeld und Herr Kuschel von der Stasi distanziert, aber die betroffenen Personen sollten dann keine öffentlichen Ämter mehr übernehmen, jedenfalls nicht unbedingt im Parlament. Wenn man diesen Schritt ginge, würden sich aber viele Anhänger des DDR-Regimes auf den Schlips getreten fühlen, was ich auch verstehe. Aber dann darf man sich nicht wundern, wenn das als Argument gegen die Partei verwendet wird.
Aber Ina Leukefeld hat bei der letzten Landtagswahl mit riesigem Vorsprung ihr Direktmandat verteidigt. Sie wurde doch nicht wegen ihrer Vergangenheit gewählt …
Sie wird von den Wählern als sympathische und kompetente Frau empfunden, gar keine Frage. Natürlich würden sich Wähler vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn sie wegen dem Thema Vergangenheit nicht mehr aufgestellt würde. Ich persönlich sage ja nicht, dass Frau Leukefeld ihr Mandat abgeben soll. Ich sage nur, dass es gegen die Partei verwendet werden kann und bekanntlich auch verwendet wird. Man soll das aber nicht überbewerten. Die Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen sind nicht an Frau Leukefeld gescheitert, bzw. wären Koalitionsverhandlungen nicht an ihr gescheitert. Aber es wird dennoch immer wieder als ein Argument gebracht, DIE LINKE hätte ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet.
Bei der Bundespräsidentenwahl hat das Thema auch wieder eine Rolle gespielt. Die Behauptung war, DIE LINKE würde mit der Wahl für Gauck dieses Thema abschließen können …
Diese Stöckchen hat Rot-Grün der LINKEN hingehalten. Ich vermute auch, dass sie im Fall der Wahl Gaucks durch DIE LINKE bei zukünftigen Koalitionsverhandlungen das Thema Vergangenheit für erledigt erklärt hätten. Für die Bild-Zeitung hätte das sicherlich nicht gegolten. Mit einer Wahl von Gauck hätte DIE LINKE aber zu viele ihrer Stammwähler entfremdet. Selbst für Viele bei SPD und Grünen war Gauck nicht der ideale Kandidat. Aber sie haben sich der Parteiräson untergeordnet und diszipliniert ihre Stimme für Gauck abgegeben. Den Abgeordneten der Regierungskoalition hielten sie vor, nach Parteiräson abzustimmen und dann taten sie es selbst. Das Ganze ist ein einziges Theater gewesen. So zu tun, als ginge es um ein nicht-politisches Amt, bei dem Parteien und Koalitionen keine Rolle spielen, ist doch Unsinn. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der erste Wahlgang mit einem Sieg Gaucks geendet hätte, wenn DIE LINKE angekündigt hätte, Gauck zu untertsützen.
Ein anderes großes Thema des Sommers ist die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW, die zur Politikgestaltung auf die Stimmen der LINKEN angewiesen ist. Können Minderheitsregierungen sich in Deutschland zukünftig häufiger durchsetzen und wäre dieses Modell demokratietheoretisch ein Schritt nach vorn?
Minderheitsregierungen haben in Deutschland keine wirkliche Tradition. In anderen Demokratien ist das häufiger der Fall und es funktioniert z. T. auch über mehrere Legislaturperioden. Man sollte das nicht verteufeln und so tun, als ginge die Demokratie deswegen unter. Die Kompetenzen der Landespolitik sind ohnehin begrenzt und in Bereichen wie z. B. der Schulpolitik kann Rot-Grün durchaus die Unterstützung der LINKEN bekommen. Minderheitsregierungen nun in den Himmel zu heben, halte ich aber auch für Unsinn, denn die Gefahr der Instabilität ist hoch. Mehr Bürgerbeteiligungen halte ich demokratietheoretisch für das bessere Argument als Minderheitsregierungen.
Ist es nicht europäische Normalität, eine starke Partei links von der Sozialdemokratie zu haben?
In Europa ist es sicherlich nichts unübliches, auch wenn es in Ländern mit Zweiparteiensystemen wie Großbritannien keine starke linke Partei gibt. Durch das Fünf-Parteien-System wird das Regieren und das Finden von Kompromissen natürlich schwerer. Es ist aber keinesfalls ein solches Drama, als das es bisweilen dargestellt wird.
Thomas Holzmann