Keine Kompromisse bei Auslandseinsätzen

DIE LINKE wird keine Koalition mit Parteien eingehen, die Soldaten ins Ausland schicken, bekräftigt der LINKE  Außenpolitikexperte Jan van Aken. Die Linksfraktion im Bundestag will außerdem weiter Druck auf SPD für ein Waffenexportverbot ausüben

 

Während um die Krim die Kriegsgefahr weiter hoch bleibt, tobt in Syrien immer noch ein blutiger Bürgerkrieg. Ist das der Beginn einer neuen geopolitischen Ära, die sich wieder an Stellvertreterkriegen wie zu Zeiten des Ost-West-Konfliktes manifestiert? 

 

Der Bürgerkrieg in Syrien hat seinen Ursprung im Arabischen Frühling. Menschen sind für ihre freiheitlich-demokratischen Rechte auf die Straße gegangen. Danach ist der Konflikt aber schnell in einen Stellvertreterkrieg übergegangen. Geopolitisch ist da vielleicht etwas zu hoch gegriffen, denn das Ganze ist mehr regionalpolitisch zu sehen. Die Türkei hat ihre speziellen Interessen, vor allem wollen sie die Kurden in Syrien klein halten. Israel, Saudi-Arabien und Katar verfolgen alle ihre eigenen Ziele und genauso auch Russland. Dabei geht es Russland weniger um den Marinestützpunkt in Tartus, der kleiner als ein Quadratkilometer ist, sondern um einen wichtigen Verbündeten im Mittleren Osten.  Die USA und Europa verfolgen wiederum ganz andere Interessen. Und sie alle unterstützen nun mit Waffenlieferungen oder anderweitig  diese oder jene Kriegspartei.  

 

Ist das, was in der Ukraine passiert, von dem Krieg in Syrien losgelöst oder besteht hier ein Zusammenhang, speziell was die Rolle Russlands angeht?

 

Eher andersrum. Ich denke nicht, dass die Entwicklung in der Ukraine in den letzten Wochen direkt oder indirekt auf die Entwicklung in Syrien zurückgeht. Die durch die neuerliche Blockkonfrontation zwischen dem Westen und Russland drohende Eiszeit, könnte allerdings eine mögliche und so wichtige Kooperation für eine friedliche Lösung im syrischen Bürgerkrieg torpedieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass Assads Bereitschaft, seine Chemiewaffen zu vernichten, etwas mit dem Druck aus Russland zu tun hat. Wenn der Westen nun durch noch mehr Sanktionen den Konflikt um die Krim weiter eskalieren lässt, dann kann es passieren, dass Russland auch die Kooperation in Syrien oder dem Iran abbricht und das hätte weltpolitisch äußerst dramatische Auswirkungen.

 

Vom Streit um das iranische Atomprogramm hört man ohnehin nur noch wenig. Liegt der Schlüssel zur friedlichen Lösung dieses Konfliktes auch in Moskau?  

 

Man hört wenig, weil zurzeit in Form der 5+1-Gespräche verhandelt wird. Die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat waren sich schon einig. Aber durch die Ukraine-Krise kann es passieren, dass Russland die Kooperation beendet und dann wird es schwierig mit einer Stimme zu sprechen. Ich denke aber nicht, dass allein Moskau der Schlüssel für die Lösung im Iran ist. Hinter dem Atomkonflikt steckt vor allem der Antagonismus zwischen dem Iran und den USA. Entscheidend ist, dass die Amerikaner bereit sind, mit den Iranern zu reden und umgekehrt. Bei Russland kommt es darauf an, dass sie mit den anderen ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates – USA, China, Großbritannien und Frankreich – an einem Strang ziehen, und das ist momentan stark gefährdet. 

 

Bei der friedlichen Lösung von Konflikten wird oft so getan, als spiele Deutschland eine Vermittlerrolle. Streut man den Menschen hier Sand in die Augen, um von der weiteren Militarisierung der deutschen Außenpolitik abzulenken? 

 

Jein. Am Anfang war Deutschland beim Iran in dieser Vermittlerrolle, bei den 5+1-Gesprächen in der Zeit von 2002 bis 2003. Aber das ist lange vorbei. Dafür muss man die Bundesregierung heftig kritisieren, weil sie jetzt eben keine Schritte nach vorn mehr geht – dabei wäre gerade das momentan so nötig. Es ist ja so, dass es in Washington und in Teheran Verhinderer gibt, die kein Abkommen wollen, die die Verhandlungen torpedieren wollen. Irans Präsident Hassan Rohani will das Abkommen, aber dafür muss man ihm auch etwas anbieten, damit er die Hardliner in Teheran auf Abstand halten kann. Deutschland könnte jetzt zum Beispiel einseitig die Sanktionen aufheben. Das würde Rohani und die laufenden Verhandlungen unterstützen. Aber von dieser Vermittlerrolle kann leider momentan überhaupt keine Rede mehr sein. 

 

In der Politikwissenschaft wird oft eine Kontinuität deutscher Außenpolitik seit 1945/49 geredet. Kann man davon noch sprechen, angesichts der Pläne, Deutschland müsse „mehr Verantwortung“ in der Welt übernehmen, was am Ende nur noch mehr Bundeswehreinsätze wie in Mali oder wo auch immer bedeutet?  

 

Ich würde es ja begrüßen, wenn Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernimmt, wenn damit nicht Soldaten, sondern mehr zivile Konfliktprävention, mehr diplomatisches Geschick und die Überwindung des Blockdenkens zwischen der NATO und Russland gemeint wären. Gauck und von der Leyen wollen sich damit aber einen Freibrief für militärische Interventionen überall auf der Welt ausstellen. 

 

Mehr Verantwortung würde auch bedeuten, dass gerade Deutschland als drittgrößter Waffenexporteur,  endlich einen Riegel vorschiebt, damit die Länder in Afrika oder im Nahen und Mittleren Osten nicht  weiter von Waffen überschwemmt werden …

 

Ja. Die Politik der Bundesregierung ist, was den Waffenhandel angeht, völlig verantwortungslos. In Berlin wird überall von Abrüstung geredet und gleichzeitig rüstet Deutschland die Welt auf.  Bei den Kleinwaffen, wie Sturmgewehren oder Panzerabwehrraketen, die ich immer als Massenvernichtungswaffen unserer Zeit bezeichne, weil damit 90 Prozent der Menschen in den Kriegen der Welt getötet werden, ist Deutschland führend mit dabei. Ministern der aktuellen oder letzten Bundesregierung müssten eigentlich die Zunge abfallen, wenn sie noch ein Mal das Wort Abrüstung in den Mund nehmen, weil sie Tag für Tag das genaue Gegenteil tun und die Welt immer weiter aufrüsten.

 

Wenn es um Waffenlieferungen geht, wie jüngst im Fall Saudi-Arabien, stößt besonders die Heuchelei der SPD unangenehm auf, denn vor der letzten Bundestagswahl hatte sie das klar abgelehnt und nun doch zugestimmt. Kann man die SPD in dieser Frage noch ernst nehmen?

 

Momentan sicher nicht. Aber man muss trotzdem versuchen, sie zu überzeugen und auch Druck auszuüben, damit sie sich für das Verbot von Waffenexporten einsetzt. Wenn wir wollen, dass Deutschland weniger Waffen exportiert, brauchen wir von dieser Bundesregierung Veränderungen. Da sehe ich meine Rolle und die Aufgabe der LINKEN, die SPD politisch unter Druck zu setzen. Ohne DIE LINKE wäre man noch hemmungsloser und würde noch mehr Waffen exportieren, insofern das überhaupt noch möglich ist. 

 

Bei aller Kritik an der SPD gibt es trotzdem Gespräche, wie eine mögliche rot-rote oder rot-rot-grüne Bundesregierung funktionieren könnte. Ist es überhaupt denkbar, dass sich die Sozialdemokraten eines Tages nicht nur gegen Waffenexporte, sondern gegen jegliche Auslandeinsätze der Bundeswehr aussprechen? 

 

Eine solche Perspektive sehe ich durchaus. Ob die SPD allerdings schon in den nächsten vier Jahren so weit sein wird, ist natürlich fraglich. Irgendwann wollen die auch mal wieder den Kanzler stellen und sie wissen ganz genau, dass sie nur mit Hilfe der LINKEN wieder Kanzler werden können. Und sie wissen, dass es mit uns LINKEN keine Koalition geben wird, wenn sie weiterhin Soldaten ins Ausland schicken. DIE LINKE ist gut beraten, wenn sie an der Position, keine deutschen Soldaten ins Ausland, niemals rüttelt.  

Natürlich heißt Koalition auch, dass man von seiner eigenen Maximalforderung Abstriche machen muss, dass man Kompromisse eingehen muss – aber nicht bei den Auslandseinsätzen. Bei anderen Fragen ginge es vielleicht, so kann man möglichweise nicht den Stopp aller Waffenexporte durchsetzen, sondern vielleicht nur ein Teilverbot, z. B. ein Exportverbot von Waffenfabriken und Kleinwaffen.  Aber bei der Frage der Auslandseinsätze wird es mit uns keine Kompromisse geben und das weiß die SPD ganz genau. Ich kann mir vorstellen, dass nicht in vier, aber vielleicht in acht Jahren, der Druck bei der SPD, endlich wieder den Kanzler zu stellen so groß sein wird, dass sie bereit ist, das Ende der Auslandseinsätze mitzutragen.            

 

Thomas Holzmann