Kaum eine Stadt nutzt ihre Potentiale so wenig wie Erfurt

Der parteilose Rechtsanwalt Michael Menzel will für DIE LINKE als OB-Kandidat bei der Wahl 2012 antreten. Dabei sieht er sich als parteipolitisch unabhängigen Kommunalpolitiker, der die brachliegenden Potential der Landeshauptstadt besser nutzen will.

Sie bewerben sich als parteiloser Ex-FDP und Ex-CDU Mann auf dem Ticktet der LINKEN für die Kandidatur zum Erfurter Oberbürgermeister. Was heißt für Sie eigentlich LINKE Kommunalpolitik?  


LINKE kommunale Politik heißt für mich, zu fragen, was macht eine Stadt aus? Fühlen sich die Menschen, egal ob jung oder alt, wohl? Gibt es genügend Einrichtungen für die Menschen aller Altersschichten? Für mich heißt links, soziale und kulturelle Einrichtungen zu fördern, anstatt dort zu sparen. Vor allem heißt LINKE Politik, die Schwachen ganz besonders zu fördern und mitzunehmen. Links sein heißt für mich, die BürgerInnen zu beteiligen, sozial gerecht zu handeln und die öffentliche Verantwortung in vielen Lebensbereichen, zum Beispiel bei der Energie, Bildung, Kultur u. a. einzufordern.


DIE LINKE setzt sich für den demokratischen Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus ein. Wie würden Sie den Begriff für sich definieren?


Demokratisch heißt für mich, die Menschen bei politischen Entscheidungen einzubinden. Bürgerentscheiden, Volksbefragungen, nicht alles der Politik überlassen: das nenne ich Demokratie. Natürlich habe ich mich auch mit dem demokratischen Sozialismus als Alternative zur Marktwirtschaft auseinandergesetzt. Wobei sich die Frage stellt, wie man das kommunalpolitisch umsetzen kann? Da bin ich eher pragmatisch und sage, dass man nicht jede Entscheidung an seinen Grundgedanken festmachen kann. Wir müssen hier in Erfurt keine Konzepte entwickeln, die wir am Ende nur bundespolitisch umsetzen können. Trotzdem ist eine sozialere Politik als jetzt in Erfurt möglich.


Bürgerentscheide und Volksbefragungen sind nicht gerade Elemente, die zur Programmatik von FDP und CDU passen. Da fragen sich Manche an der Basis, ob Sie, mit ihrer Biografie, der richtige Mann für DIE LINKE  sind. Auch Vorwürfe wie Partei-Hopping und Karrierismus standen im Raum ... 


Ich finde es schade, Menschen nur danach zu beurteilen, in welchen Parteien sie mal gewesen sind. Für mich persönlich geht es immer um Werte und wenn man merkt, dass diese Werte von einer Partei nicht vertreten werden, dann ist es doch nur folgerichtig zu sagen: ich möchte mit dieser Partei nicht mehr zusammenarbeiten. Es war für mich nahe liegend, als Anwalt zur FDP zu gehen, weil sie eine Wirtschaftspartei ist. Wenn man aber merkt, dass immer nur am Thema vorbei diskutiert wird und es nur darum geht, Menschen auszugrenzen, muss man einen Schlussstrich ziehen. Bei mir kommt noch dazu, dass ich katholisch aufgewachsen bin. Dadurch wird man vom christlichen Menschenbild geprägt, was ja auch einen starken sozialen Gedanken enthält. Wenn es mir aber nur um die Karriere gegangen wäre, dann wäre ich bei der CDU geblieben. Mir ist es aber darum gegangen, so zu bleiben wie ich bin. Deswegen bin ich ausgetreten. 


Sind Sie eine neue Form von Kommunalpolitiker, der ohne die Fesseln der Parteipolitik, tatsächlich den Bürgerwillen umsetzt? 


Ja und das macht auch den Reiz aus. Ich kenne auch die andere Seite und mir ist es ein Gräuel, gegen die eigene Überzeugung abzustimmen, wenn es die Parteilinie angeblich verlangt. So war es bei der CDU zum Thema KoWo oder der Hirschgartenfrage, wo nur Wirtschaftsinteressen im Vordergrund standen. Natürlich hat die Parteilosigkeit auch einen großen Nachteil: man darf in der Partei nicht mitreden. Ich finde das Schade, denn mitzugestalten sollte doch das Ziel eines jeden Bürgers sein,  aber als einzelner Mensch ist das schwer. Ich denke aber auch, dass ich persönlich als Parteiloser letztlich glaubwürdiger bin. Wobei ich jetzt nicht ausschließen will, dass sich die Zusammenarbeit mit der LINKEN so gut bewährt, dass sich meine Meinung in sechs oder sieben Jahren ändern könnte.     


Nach Ihrer Nominierung hieß es, der Vermieterbund hätte Sie als Vorsitzenden entlassen. Wie war es wirklich und gab es noch andere negative Konsequenzen wegen Ihrer Zusammenarbeit mit der LINKEN? 


Der Vermieterbund hat mich nicht zum Rücktritt gezwungen, man hat mich gebeten. Ich würde mich bei so etwas auch gar nicht zwingen lassen. Das war sicherlich eine Kurzschluss-reaktion, weil man im Verein Angst hatte und argumentierte, ich arbeite jetzt mit der Partei zusammen, deren Vorgänger früher den Leuten die Häuser weggenommen hat. Ich hab die Diskussion nie ganz verstanden, denn in den 12 Jahren kannte man meine Einstellung und wusste auch, dass ich 2009 im Kompetenzteam von Bodo Ramelow war. Letztlich habe ich mir aber gesagt, ich bin nicht angetreten, um dem Verein zu schaden. Auch um eine Spaltung zu verhindern, habe ich den Posten abgegeben. Ansonsten habe ich sowohl sehr positive aber auch negative Reaktionen erlebt. 


Kommen wir zu den konkreten Politikinhalten. Dem jetzigen OB Bausewein wird oft das Fehlen einer großen Vision vorgeworfen. Nach Fukushima und der Wahl in Baden-Württemberg ist die Energiepolitik zu Recht im Fokus. Warum nicht das Thema erneuerbare Energien und Erhalt der ega im Wahlkampf miteinander verknüpfen?   


Im Moment haben wir noch keinen detaillierten Plan dafür in der Schublade. Eines ist aber klar: für das Thema Gartenbau und erneuerbare Energien haben wir in Erfurt die besten Vorraussetzungen: Fachhochschule, Universität, Solarfirmen. Leider werden sie kaum genutzt. Wir müssen uns entscheiden: haben wir aus Japan etwas gelernt oder machen wir einfach so weiter. Ich bin der Überzeugung, dass wir das Geld an der richtigen Stelle in die Hand nehmen müssen. Da darf man auch nicht jedes Projekt damit totreden, dass man kein Geld hat. Das sind ja keine Schulden, die wir machen würden, um zu schauen was passiert, sondern Zukunftsinvestitionen. Daraus kann die Stadt später auch wieder etwas beziehen. Da geht es weniger um Geld, sondern darum, dass Erfurt als Landeshauptstadt eine sehr große Bedeutung hat und durchaus einen Modellcharakter annehmen könnte.


Zukunftsinvestitionen braucht es auch, wenn die ega erhalten werden soll. Die BuGa, die jetzt für Erfurt diskutiert wird, hat in manchen Städten aber ein enormes Finanzloch hinterlassen …


Das muss man von zwei Seiten betrachten. Der denkmalgeschütze Teil der ega muss auf jeden Fall erhalten und das Veräußern weiterer Flächen verhindert werden, ganz unabhängig von der BuGa. Dazu brauchen wir ein attraktives Programm, z. B. in dem man das Theater neubelebt, die Freilichtbühne wieder wesentlich stärker in den Mittelpunkt der ganzen Stadt rückt und die Hallen saniert und besser nutzt, beispielsweise für Solarprojekte in Kooperation mit der einheimischen Wirtschaft. So könnte man auch Bildungsangebote an Schulen aus ganz Deutschland machen, die es so noch nirgendwo gibt. Es gibt ganz viele Möglichkeiten. Wir haben da so viel Potential, aber kaum eine Stadt in Deutschland nutzt das so wenig wie Erfurt.   


Welche konkreten Punkte würden sie außerdem besser machen als Bausewein? 


Das Personal der Stadtverwaltung ist so ein Punkt. Wir brauchen dringend ausreichendes und vor allem junges, gut qualifiziertes Personal. Auch die Fort- und Weiterbildung innerhalb der Stadtverwaltung ist verbesserungswürdig. Überhaupt würde ich mich viel stärker dem Thema Bildung annehmen. Um junge, gut ausgebildete Menschen zu halten, brauchen wir außerdem ausreichend bezahlbaren Wohnraum in der Stadt. In diesen Fragen tut sich momentan viel zu wenig, ebenso sieht es bei den Fragen Theater, Stadion, Verkehr, oder Wirtschaft aus.


Sie rechen sich also realistische Chancen auf einen Sieg aus? 


Wenn ich nicht glauben würde, Bausewein schlagen zu können, wäre ich gar nicht erst angetreten.